Deutsche Geschichte
9. November 1938. „Ich denke täglich noch mit Grauen an all das“
Verwüstungen und Verfolgungen in der Reichsprogromnacht in Straubing vor 75 Jahren - Teil 1
"Die furchtbare Nacht des 9. Nov. 1938 steht heute noch schreckhaft vor unseren Augen .... Es gäbe wohl über die Erlebnisse dieser Nacht ein Buch zu schreiben, doch fehlen uns dazu die Nerven." So tief erschüttert reagierte die Jüdin Irma Wollenreich noch fast zehn Jahre später über die Reichspogromnacht in Straubing. Ihr Mann Leo war damals von NS-Tätern brutal misshandelt und gezwungen worden, die Zerstörungen in der Synagoge ansehen zu müssen. Im gesamten deutschen Reich begann vor 75 Jahren mit diesem "barbarischen Terrorakt" die systematische und massive Verfolgung der Juden, die zur Vernichtung im Holocaust führte, also "die Katastrophe vor der Katastrophe" (Raphael Gross).
Am Ludwigsplatz etwa 1935: Geschäft und Wohnung (links mit mehreren kleinen Markisen) von Leopold Stein, der in der Reichsprogromnacht unkenntlich zugerichtet wurde (Stadtarchiv SR, Fotosammlung Rohrmayr 2726)
Aufwändig wurde in Straubing - wie vielerorts - der 9. November inszeniert. "Über der Stadt wehten Hakenkreuzfahnen als Banner des Sieges", berichtete das Straubinger Tagblatt über den glorifizierten Gedenktag zum gescheiterten Hitlerputsch 1923. Vor allem im überfüllten Kronensaal am Ludwigsplatz wurden die 16 getöteten Putschisten als "Blutzeugen der Bewegung" verklärt. In der Hauptrede betonte Kreisleiter Alfons Putz auch, dass erst vor wenigen Stunden der deutsche Legationssekretär von Rath in Paris gestorben sei, getroffen "von einer jüdischen Verbrecherkugel". Dieses Attentat nutzten die Nationalsozialisten, speziell Propagandaminister Josef Goebbels, und initiierten die Reichspogromnacht.
Ein möglichst objektives Bild zu bekommen, was sich darauf in Straubing ereignete, ist allerdings recht schwierig. Vergleicht man die Fülle der Akten und Augenzeugenberichte, die einem Dschungel an Material gleichen, stößt man zwangsläufig auf zahlreiche Ungereimtheiten und Unterschiede. Vor allem versuchten die Täter sich reinzuwaschen, konnten sich häufig nicht mehr oder nur recht dubios erinnern oder schoben sich die Schuld gegenseitig zu. Außerdem wurden Zeugen unter Druck gesetzt, manche Opfer waren tot oder in die USA emigriert. Verkompliziert wird alles noch durch die Problematik von Protokollen und die Tatsache, dass die Prozesse erst etwa zehn Jahre nach der Reichspogromnacht stattfinden konnten, hauptsächlich in den Jahren 1948 und 1949. Trotzdem finden sich - vor allem in den erst seit wenigen Jahren ausgewerteten Spruchkammerakten -aufschlussreiche Erkenntnisse, die sich hier speziell in Zitaten widerspiegeln sollen.
"Über und über war er voll Blut"
Am späten Abend muss Kreisleiter Putz einen Anruf der Gauleitung Bayreuth bekommen haben, die "Judenaktion" auszulösen. Kurz vor Mitternacht suchte er Oberbürgermeister Josef Reiter, damals unter anderem SS-Sturmbannführer, in seiner Wohnung am Stetthaimerplatz auf. Reiter teilte dazu nach 1945 mit: "Er war aufgeregt, stürmte in mein Zimmer und fing ungefähr so an: ,Also hör mal, Du hast von dem Rath-Mord gehört, da muss gegen die Juden etwas geschehen, das muss eine große Sache werden, wir hauen ihr Zeug zusammen, die Synagoge muss zerstört werden usw.'" Der Oberbürgermeister soll ihm aber widersprochen haben.
Gedenkstein bei der Synagoge auch für die Reichsprogromnacht
Nach der Feier im Kronensaal hatten sich - wie üblich - viele Nationalsozialisten in Wirtschaften getroffen, darunter im Café Alfons in der Inneren Passauer Straße. Offensichtlich nach einem Anruf -vor oder nach dem Besuch beim Oberbürgermeister - befahl Putz: Alle müssen zur Kreisleitung kommen! Von dort (Rennbahnstraße 1) aus und ebenso von der Dienststelle des NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps) an der Ecke Stadtgraben/Flurlgasse wurden einzelne Trupps losgeschickt. Parallel dazu waren weitere NS-Mitglieder verständigt worden, die sich den Kleingruppen anschlossen. Die genaue Abfolge der Ereignisse ist nicht ganz klar, zumal sich hier einiges zeitlich und personell überschnitt.
So zwischen 2 und 3 Uhr nachts suchten fünf oder sechs Mann der SA (?) die Wohnung der Familie Leo Wollenreich in der Oberen Bachstraße 12 heim. Da auf ihr Klopfen hin die Haustür nicht sofort aufgeschlossen wurde, drang man durch ein Fenster ein. Es widersprechen sich die Aussagen, ob oder wie viele der Täter bewaffnet und maskiert waren. Schüsse sollen gefallen sein, mit einem Beil wurden Möbelstücke zertrümmert. Der 42-jährige Viehhändler und Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde "wurde barfuss und im Nachthemd heruntergebracht", erklärte eine Zeugin, ,, 1 Mann bewachte ihn vor unserer Türe, während die anderen inzwischen die Wohnung zerschlugen und alles zum Fenster hinauswarfen". Brennende Vorhänge lagen auf der Straße. Frau Wollenreich erinnerte sich: Die Täter schleppten "meinen Mann nackt, unter harten Schlägen, in die Synagoge. Von wo er nach ungefähr einer Stunde blutend und starr vor Grauen zurück kam". Eine andere Zeugin sagte aus: "Das Nachthemd hatten sie ihm von oben bis unten aufgerissen. Er hat furchtbar ausgesehen. Über und über war er voll Blut." In einem weiteren Brief an die Spruchkammer schrieb Frau Wollenreich 1948: "Sie können kaum ermessen, wie oft und viel wir an die Schreckensnacht zurückdenken. Mein Mann war 1 Monat in Dachau." Da "dauernd SS-Männer auf den Hals gesetzt waren, bin ich aus Furcht umgezogen." Wie andere Juden auch, mussten die Wollenreichs für die Schäden in der Reichspogromnacht selbst aufkommen.
Erschütternder Briefanfang der Irma Wollenreich vom 10. Juni 1948 aus den USA.
"Jetzt könnt ihr euer eigenes Grab schaufeln"
Wenig weiß man bisher zu Misshandlungen an dem jüdischen Kaufmann Leopold Stein, damals knapp 24 Jahre alt, der am Ludwigsplatz wohnte. "Sie schlugen ihm sogar einen Finger ab und er war unkenntlich zugerichtet", berichtete später der Jude Gustav Springer. Ein Kriminalbeamter musste jedenfalls vor der Spruchkammer zugeben, dass Stein am Finger "sehr stark geblutet habe". Andere Juden, etwa in der Lindenstraße, wurden durch Krakeelen erschreckt. Viermal wurde auch nicht jüdischer Besitz beschädigt, speziell an der Privatbank Gerhaher (Innere Passauer Straße) und bei der Wohnung des Bankdirektors Andreas Tremmel (Krankenhausgasse).
Vor allem wurde später oft erzählt, was dem "Springer Heinerl", "einer der beliebtesten Bürger Straubings", angetan wurde, "ein äußerst geselliger Mann mit viel Humor und von aufgeschlossener Art", der auch manchem Täter als Fußballförderer öfter Bier spendiert hatte. Gegen 2 Uhr morgens wurde der 52-Jährige und sein neun Jahre jüngerer Bruder Gustav - Nachbarn der Wollenreichs - aus der Wohnung in der Oberen Bachstraße 11 von teils vermummten NSlern in Autos hinter den Friedhof auf den Zeckenberg verschleppt. Dazu schrieb Gustav am 22. November 1947: "Paul Kinast als Anführer befahl, uns vollkommen zu entkleiden. Als wir das taten, sagte er, ihr Hunde, jetzt könnt ihr euer eigenes Grab schaufeln. Dann schlug er mit dem Revolver ... uns öfters ins Gesicht und schlug uns blaue Wunden am ganzen Körper. Er trieb es so bunt, dass andere Nazis dazwischen gingen und sagten, das ist zu viel was Du machst." Heinrich wurde auch mehrmals vorgeworfen, dass er ein Verhältnis mit der Frau eines NSKK-Kameraden habe. Die Täter leugneten eine Bewaffnung, gestanden nur das Entkleiden ein und dass zwei oder drei von ihnen die Springers jeweils ein- oder zweimal geohrfeigt hatten. Dann wurden die Brüder beim Friedhof mit der Drohung zurückgelassen, wenn sie etwas verrieten, würden sie "nicht mehr lebendig nach Hause zurückkehren". Die Spruchkammern bezeichneten die Untaten als "Strafexpedition" oder "Exekution", als "gehässig und roh".
Wohl anschließend fuhren die NSKKler zum Schuhgeschäft Springmann (Fraunhoferstraße) und zum Stoffgeschäft der Brüder Springer (Steinergasse). Strittig ist, ob die Schaufenster schon von anderen NS-Mitgliedern eingeschlagen waren. Die NSKK gab sogar vor, die Waren vor Plünderern schützen zu wollen. Einem Anwohner, der von Fenster aus das Ausrauben beim Springer-Geschäft beobachtet hatte, wurde gedroht: "Halt dein Maul, sonst nehmen wir dich auch mit" und "Sonst hauen wir dir auch alles zusammen". Die Einrichtungen beider Geschäfte wurden teilweise demoliert, zahlreiche Waren entwendet und zur NSV-Dienststelle (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, Von-Leistner-Straße) mit mehreren Autos transportiert. Etliches wurde bald wieder zurückgegeben. Doch die Geschäfte mussten unmittelbar darauf endgültig geschlossen werden.
Schaufenster eingeschlagen und Waren geraubt: Schuhgeschäft Springmann in der Frauenhoferstraße (Stadtarchiv SR, Fotosammlung Weichhart-Schwarz 3157; hier Festzug des Volksfestes 1927)
Quelle: Guido Scharrer, in: SR-Tagblatt vom 8. November 2013
Verwüstungen und Verfolgungen in der Reichsprogromnacht in Straubing vor 75 Jahren – Teil 2
Blick von der Frauenempore auf den Triumphbogen mit dem Thoraschrein: heutige Andacht in der 1988/98 umfangreich renovierten Synagoge an der Wittelsbacherstraße.
Eher zuletzt konzentrierten sich die Gewalttaten auf die Synagoge in der Wittelsbacherstraße, dem einzigen jüdischen Kultbau in Niederbayern. Die NS-Genossen warfen Steinquader der Umzäunung um und schlugen Türen und Fenster ein. Im Inneren wurden Einrichtungsgegenstände wie Lampen und Bänke demoliert und Thorarollen angezündet. Ebenso wie bei den jüdischen Geschäften leugneten auch hier die Mitglieder des NSKK die Zerstörungen und beschuldigten SA-Leute. Dazu sollte man wissen, dass zwischen dem NSKK und der SA (Sturmabteilung) in Straubing erhebliche Spannungen und Rivalitäten herrschten. Nur aus Neugierde wollten NSKKler die bereits verwüstete, aber dunkle Synagoge so gegen 4 Uhr früh heimgesucht haben. Dazu kann man in den Gerichtsprotokollen beispielsweise lesen: "Herumliegende Glasscherben ließen auf die Vernichtung der Fensterscheiben schließen. Auch eine Masse Papierfetzen und Bücher lagen auf dem Boden." Oder: "Alles lag wüst durcheinander auf dem Boden. Teilweise lagen Sachen auf der Straße."
"Alles lag wüst durcheinander"
Da zur Schändung der Synagoge keine neutralen Aussagen von direkten Augenzeugen vorliegen, ist die Täterfrage nicht klar zu beantworten. Ein SA-Mann gestand zwar, dass er mit einem SA-Trupp zur Synagoge abmarschiert war, allerdings noch vor der Zerstörung nach Hause gegangen sei. Er nennt aber keine Namen. Andererseits kam die Hauptkammer Regensburg am 21. Januar 1949 zu dem Urteil: "Die Kammer ist jedoch fest davon überzeugt, dass sowohl der Betroffene [Standartenführer Thomas Riedhofer] als auch seine [NSKK-]Komplizen sich mit der Absicht und dem Willen getragen haben, die Synagoge zu schänden und zu zerstören. Die dem Besuch der Synagoge vorangegangenen Tätigkeiten sprechen ebenso für diese Annahme, wie der nächtliche Besuch in dem jüdischen Gotteshaus, unmittelbar nach Bekanntwerden des Synagogenbrandes in Regensburg, überhaupt keinen anderen Schluss zulässt." Mehrfach wurde in anderen Dokumenten der Hauptsturmführer Paul Kinast als Anführer gewertet. Unmittelbar nach dem Stürmen der Synagoge kehrten einige NSKK-Mitglieder in einem Gasthaus am Theresienplatz ein, tranken Bier und aßen Weißwürste.
Erst am Morgen konnten Passanten die Verwüstungen wahrnehmen, da außer den Tätern kaum jemand etwas direkt beobachtet haben dürfte. Mindestens ein Lehrer aus der nahe gelegenen Hans-Schemm-Schule (Jakobsschule) soll seine Schüler motiviert haben, restliche Fensterscheiben der Synagoge einzuwerfen.
"Die Synagoge in Brand zu setzen"
Warum wurde die Synagoge - wie häufig andernorts - nicht angezündet und niedergebrannt? Dazu geistern mehrere Versionen, Gerüchte oder Legenden herum, die sich teilweise gegenseitig ausschließen. Wollten oder konnten sich die Straubinger Täter nicht so rigoros verhalten? Sollten die angrenzenden Gebäude im dicht besiedelten Wohngebiet nicht gefährdet werden, zumal hier bekannte Parteigenossen lebten? Hat ein Feuerwehrhauptmann die Brandstiftung verhindert? Oder wurde sie von Bewohnern benachbarter Häuser sogar vereitelt? Hat ein Maschinensetzer beim Straubinger Tagblatt schon bereitgestellte Benzinkanister verschwinden lassen? In den offiziellen Akten findet sich jedenfalls nach Angabe eines NSKKlers (!) nur, "dass das NSKK den Auftrag habe, die Synagoge in Brand zu setzen, was aber nur deshalb unterblieben sei, weil dadurch ein Verwalter im rückwärtigen Teil des Baues [gehörte damals zum AOK-Gebäude] Brandschaden erlitten haben würde".
Ein eher tragikomisches Gerücht verbreitete sich in Straubing. Das NSKK-Mitglied Karl EIsberger, als Spaßmacher bekannt, soll sich in der Synagoge als Rabbiner verkleidet haben und irrtümlich von seinen Komplizen geschlagen worden sein. Ein Zeuge räumte ein, dass dies der Kaufmann selbst in der Stadt erzählt habe. Elsberger erklärte vor der Spruchkammer, er habe sich nur an der Stirn verletzt, darauf stark geblutet und deshalb einen Verband angelegt. Der Standartenführer meinte jedenfalls, Elsberger habe in der Synagoge "seine Dummheiten gemacht".
Vom "gerechten Zorn des Volkes"?
Einem anderen Mittäter, der sich auch einmal - vermutlich im Fasching - als Jude verkleidet hatte, wurde vorgeworfen, ein Stück Samttuch aus der Synagoge mitgenommen zu haben. Zu seiner deswegen verärgerten Frau soll er gesagt haben: "Das hebst du mir auf, das ist eine Erinnerung von der Synagoge." Der bekannte Spediteur spielte den Diebstahl vor Gericht herunter.
Die Gräueltaten in der Reichspogromnacht wurden von einzelnen NS-Trupps - es dürften etwa meist je zehn Mann gewesen sein - verübt. Aus der allgemeinen Bevölkerung war wohl kaum jemand beteiligt, worauf auch die Akten hinweisen. In der offiziellen Propaganda - von oben dirigiert - wurde dies jedoch auch in Straubing ganz anders dargestellt: als spontaner Volkszorn. So lautete dazu die Überschrift im inzwischen gleichgeschalteten Straubinger Tagblatt: "Das Volk hat gesprochen". Hier konnte man lesen, dass sich "das Volk spontan gegen die noch in Straubing ansässigen Juden" erhoben habe, hier wurde vom "gerechten Zorn des Volkes" und von der "Wut des Volkes" geschrieben. Und dann endete der Bericht, der auf die Ereignisse selbst nur relativ knapp eingeht, mit kaum mehr zu überbietender NS-Propaganda: "Die Bevölkerung erwartet, dass nun ein Schlussstrich unter dieses wenig erfreuliche Kapitel gezogen wird und der Jude und seine ganze Sippschaft endgültig aus den Mauern der Stadt und des Kreises verschwindet. [...] Auf jeden Fall wollen wir Straubinger nichts mehr mit diesen gefährlichen und hinterlistigen Vertretern der jüdischen Rasse zu tun haben."
Dieser bewussten nationalsozialistischen Fälschung schloss sich tendenziell auch der Straubinger Oberbürgermeister Josef Reiter an. In seinem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Monatsbericht an den Regierungspräsidenten betonte er: "Der jüdische Mord in Paris hat spontane Demonstrationen und Aktionen gegen Juden, jüdischen Besitz, Synagoge und jüdische Wohnungen ausgelöst." Aber nicht das Volk hatte gehandelt, sondern die Gefolgschaft der Partei.
Am frühen Morgen des 10. November "waren auftraggemäß sämtliche hier wohnhaften Juden festzunehmen und ist zu diesem Zwecke die gesamte hiesige Schutzmannschaft einschließlich der Beamten der Kriminalpolizei aufgeboten worden", gab 1949 der Kriminalinspektor Johann Ankerl zu Protokoll und fügte hinzu: "Wahrscheinlich ist dieses Aufgebot durch Angehörige von NS-Organisationen verstärkt worden." 27 männliche Juden, darunter drei oder vier auswärtige, wurden vorübergehend in das Konzentrationslager Dachau deportiert, zum "eigenen Schutz", wie es 1938 zynisch hieß.
Gelungene Synthese von alten und neuen Stilelementen: die Synagoge kurz nach der Einweihung im Jahre 1907
Nur "höchste Hetz und Gaudi"?
Und wie verfuhr man mit den Tätern, von denen in den diversen Spruchkammerverfahren hauptsächlich Mitglieder des NSKK angeklagt wurden? Schon wenige Monate nach Kriegsende wurden acht mit vollem Namen im Amtsblatt der Stadt veröffentlicht, später wurden mehrmals insgesamt zehn Namen in der Zeitung genannt. Die Prozesse fanden meist 1948 und 1949 statt. Zwei Hauptangeklagte wurden jedenfalls zunächst zu acht bzw. vier Jahren Arbeitslager verurteilt, ein Großteil des Gesamtvermögens sollte dem Wiedergutmachungsfonds verfallen. Die anderen erhielten geringere Strafen. Alle zehn legten jedoch Berufung ein. In der zweiten Instanz wurde nur einer zu drei Jahren Arbeitslager (von denen noch 41 Tage verblieben) und ein weiterer zu 300 Tagen Sonderarbeit verurteilt, 35 bzw. 30 Prozent der Vermögen wurden eingezogen. Als Hauptbeteiligte galten Alfons Putz (bereits 1940 gefallen), Paul Kinast und Anton Deixelberger. Alle anderen kamen mit Bewährung und Geldstrafen davon. Von Verantwortung, Reue oder gar Schuld war so gut wie nichts zu spüren. Die Täter zählten sich letztlich zu den "guten Bürgern und anständigen Männern im landläufigen Sinn" und werteten ihr schreckliches Handeln in der Reichspogromnacht eher als "höchste Hetz und Gaudi".
Quellen-und Literaturhinweise
- Akten (vor allem zu den Spruchkammerverfahren) aus dem Hauptstaatsarchiv München, den Staatsarchiven München und Landshut und dem Stadtarchiv Straubing sowie zeitgenössische Zeitungsartikel aus dem Straubinger Tagblatt und den Niederbayerischen Nachrichten
- Krenn, Dorit-Maria: Stolpersteine in Straubing, Jahresbericht des Historischen Vereins 111/2009, S. 175-231
- Scharrer, Guido: Verwüstungen und Verfolgungen durch den NS-Terror, SRer Tagblatt 9.11.2008
Quelle: Guido Scharrer, in: SR-Tagblatt vom 9. November 2013
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