Mitterfels. Unvergessliche Goaßreib‘n

 

In den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ...


... hatten besonders wir Flüchtlingskinder wenig Spielzeug, gar nicht zu reden von pädagogischem Spielmaterial. Im Rundfunk wurden nur Nachrichten angehört, wir kannten keinen Fernsehapparat und keine Förderprogramme für Kinder. Dafür besaßen wir völlig umsonst unendlich viel Zeit und Platz, wir waren in der Natur zu Hause und lernten vieles freiwillig, mühelos, spielend und von alleine.

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 Steinburger Straße mit Pappeln an der Popp-Hilm. Heute säumen Schwimmbad und das ehemalige Mondi die rechte Straßenseite (Foto links). -Bahnübergang (heute Radweg-Übergang) in Richtung Goaßreib'n

In jeder Jahreszeit gab es besondere Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Schön war es im Sommer, in die „Goaßreib'n" zu laufen. Der Weg dorthin führte über die damals sogenannte „Teerstraße" (Straße nach Steinburg). Dort, wo es dann nach den zwei Pappeln an der kleinen Hilm des Popp-Anwesens nach links zwischen Feldern über das Bahngleis durch den Wald ging, gelangte man zur Goaßreib'n. Für die meisten Kinder ein weiter Weg, den damals keines als weit empfand.

Die Goaßreib'n war, wie wohl jeder Mitterfelser meines Alters weiß, eine Stelle im Perlbachtal an einer Bachreib'n, wo der Zugang zum Wasser flach und sandig war. Der Bach änderte seine Wassertiefe schon alle paar Meter. Mal war das Wasser knöcheltief, mal knietief, mal reichte es über den Bauch oder gar bis zum Hals und bachabwärts gab es eine Untiefe im düsteren Gebüsch, in der kleinere Kinder hätten ertrinken können.

Das Wasser war kalt und sauber. Wenn wir durstig waren von unseren erst noch erfolglosen Schwimmversuchen, tranken wir es einfach und vertrugen es gut. Auf der Bachwiese vergnügten wir uns damit, Muscheln aus dem Wasser zu holen und uns zu wundern, dass sie sich an der Luft sofort fest schlossen.

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Der Steg an der Goaßreib'n

Wir bauten Dämme und Kanäle, ließen kleine Fische hineinschwimmen und sperrten sie so lange ein, bis sich das Wasser darinnen erwärmt hatte. Bei der Befreiung der Tiere freuten wir uns an ihrem eiligen Entkommen.
Also spielten wir so lange, bis der gefürchtete „Bauern-Lugg" mit seiner Mistgabel über das Holzbrückerl gelaufen kam und uns furchtbar schimpfend vertrieb.

Mit der Goaßreib'n verbinde ich nicht nur frohe Sommertage und unbeschwerte Spiele mit anderen Kindern, sondern auch meine bis ins Alter erhaltene Vorliebe für die kleinen blauen Vergissmeinnichtsterne, die dort im Überfluss blühten.

Heute ist die Stelle verwachsen, der Steg um einige Meter versetzt. Nur die Bank am nahen Waldrand befindet sich noch an derselben Stelle wie damals. Dort verweile ich gern, wenn ich Mitterfels besuche, träume hinüber zur Goaß­reib'n und sinniere darüber, dass doch den Menschen die ganz großen Geschenke, von denen sie ein Leben lang zehren, so ohne jedes eigene Zutun, so zwanglos und unerwartet zuteilwerden.

Reib'n (gespr. Reim) - Kurve
Goaß - Geiß, Ziege
Lugg - Abkürzung von Ludwig
Hilm - kleine Wasserstelle, im Gegensatz zum größeren Teich und Weiher


Quelle: Aranka Breznay, in: Mitterfelser Magazin 9/2003, Seite 85

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