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Begegnung mit Menschen (3). Franz Xaver Baier - Eine Nachkriegskarriere
Franz Xaver Baier, wie er leibte und lebte, stets in Weidmannskleidung als Ausdruck seiner großen Leidenschaft für Jägerei und Fischerei - Vergrößern durch Anklicken!
Vom Schreinerlehrling zum Schlossbesitzer in Falkenfels (Mitterfelser Magazin 13/2007)
Was würde er wohl sagen, wenn er ...
... den derzeitigen Zustand des Falkenfelser Schlossturmes sähe? [Stand 2007 - Red.] Es wäre sicher ein deftiger Kraftausdruck, den er von sich geben würde, der wahrlich nicht druckreif ist. Aber niemand würde es ihm krumm nehmen, denn er war zu Lebzeiten ein Original, dem man seine rauen Umgangsformen verzieh, selbst wenn man ähnliche Ausdrücke bei anderen Menschen als Beleidigung aufgefasst hätte.
Die Rede ist von Franz Xaver Baier, dem ehemaligen Besitzer des Schlosshotels Falkenfels, der trotz der widrigen und schwierigen Umstände der Nachkriegszeit eine alte, verfallene Burganlage in einen florierenden gastronomischen Betrieb umwandelte und damit den Ort Falkenfels weit über die Landkreisgrenzen bekannt gemacht hat. Er ist es wert, dass man seine Lebensleistung in Erinnerung bringt, zumal er in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiern könnte.
Franz Xaver Baier war eine markante Persönlichkeit, ein niederbayerisches Urgestein. Seine Wiege stand in Hunderdorf, wo er am 1. Weihnachtsfeiertag des Jahres 1907 als Metzgerssohn das Licht der Welt erblickte. Er wurde in eine kinderreiche Familie hineingeboren und wuchs im Kreise von zwölf Geschwistern auf.
Seine Schulzeit in Hunderdorf hat anscheinend keine größeren Höhepunkte gebracht. Nur eine Geschichte hat er in launiger Runde immer gerne zum Besten gegeben. Sie stammt aus seiner Zeit als er Ministrant war. In dieser Eigenschaft hat er eines Tages zusammen mit einem weiteren Messdiener den Dekan Graf von Hunderdorf zu einem kirchlichen Termin begleitet, zu dem ein Rauchmantel benötigt wurde. Da der Dekan hinterher zum Kaffee eingeladen wurde, hat er seine Ministranten in der Brauerei Steinburg abgeliefert, wo ihnen der damalige Besitzer, der Berger Heinerl, die Brauereigebäude zeigte. Es wurde gerade Bier gebraut, und weil sich die Buben zu sehr über den offenen Sudkessel beugten, fiel ihnen der schöne Rauchmantel in das kochende Bier. Mit Mühe fischten sie ihn aus der braunen Brühe heraus und um ihre Schandtat nach Möglichkeit zu vertuschen, versuchten sie die größten Vernreinigungen im nahen Bach zu beseitigen. Dabei entglitt ihnen der mit Wasser und Bier vollgesogene Rauchmantel und schwamm den Bach hinunter. Wenn ihn nicht eine alte Frau mit Mühe wieder herausgefischt hätte, wäre das gute Stück wohl für immer verloren gewesen.
Nach Beendigung der Schulzeit ging der junge Franz Xaver, wohl weil es am elterlichen Tisch wegen der vielen Kinder etwas zu eng wurde, zusammen mit seinem Freund Josef auf Wanderschaft, gegen den Willen seines Vaters, der aus ihm gerne einen tüchtigen Metzger gemacht hätte und auch ohne sein Wissen. Sie fuhren mit dem Radl nach Österreich, kamen schließlich nach Italien, Ungarn und die Schweiz, arbeiteten dort für kurze Zeit, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen und kamen nach drei Jahren ziemlich abgemagert und krank wieder heim. Um wieder gesund zu werden, versprach er eine Wallfahrt nach Altötting, die er später auch eingelöst hat. Wie bereits erwähnt, sollte er dann im elterlichen Betrieb mitarbeiten, um das Handwerk eines Metzgers zu erlernen. Da er aber kein Tier umbringen konnte, bewarb er sich lieber beim Schreiner Härtenberger in Hunderdorf um eine Lehrstelle. Nach der Gesellenprüfung wechselte er in die Kunstschreinerei Geislinger in der Ottogasse in Straubing, die er später sogar übernahm. Seine handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten wurden alsbald weithin bekannt, so dass er sogar seine Arbeiten im Glaspalast in München ausstellen durfte. Bei dieser Gelegenheit muss er dem damaligen Reichskanzler Adolf Hitler aufgefallen sein, für den er, obwohl er nicht in der Partei war, die Einrichtung für sein Feriendomizil auf dem Obersalzberg fertigen durfte. Auch die Ausstattung der deutschen Botschaft in Rom gehörte zu seinen Aufträgen.
Nach dem Krieg folgte er dem Zug der Zeit, vergrößerte den Schreinereibetrieb, siedelte sich im Steinweg im Südosten von Straubing an und arbeitete zum großen Teil für die amerikanische Besatzungsmacht.
Im Jahre 1950 kam er in den Besitz der Burg Falkenfels, eigentlich nicht ganz freiwillig und fast ein wenig wie die Jungfrau zum Kind. Ein alter Spezi aus der Jugendzeit, der damals Besitzer der Burg war, hatte bei ihm noch Schulden. Als Gegenleistung bot ihm dieser den Kauf von Burg Falkenfels an. Um wenigstens wieder zu seinem Geld zu kommen, willigte Franz Xaver Baier in diesen Handel ein und war damit neben einer gut gehenden Schreinerei in Straubing auch noch Besitzer einer alten und desolaten Burganlage.
Gleichzeitig hatte er sich mit dieser Burgruine das Schicksal von 170 Flüchtlingen als Hypothek aufgeladen, denen nach dem Kriege das alte Gemäuer als Auffanglager diente (siehe auch Mitterfelser Magazin 10/2004, S. 115 - Edda Fendl: Schloss Falkenfels als Flüchtlingslager). Diese armen Teufel und der ruinöse Zustand des Gebäudes sollten Baier noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Das Dach war undicht, der Turm war schwer beschädigt, die Umfassungsmauer des Innenhofes war eingestürzt und der Burghof war ein einziger Brennnesselhaufen. So mancher hätte in dieser Situation das Handtuch geschmissen und aufgegeben, nicht aber Franz Xaver Baier. Spätestens hier zeigte sich die Stärke seiner Persönlichkeit, sein unbeugsamer Wille und seine unternehmerische Tatkraft. Vor allem aber war es die damals vorherrschende Aufbruchstimmung der Kriegsgeneration, auch aus dem größten Trümmerhaufen noch etwas zu machen.
Als Erstes musste natürlich das Gebäude geräumt werden. Dazu war es notwendig für die vielen Flüchtlinge eine neue Bleibe zu finden. Wer die damalige Wohnungsnot noch kennt, der weiß, dass das ein fast unmögliches Unterfangen war. Baier aber hatte aus gut unterrichteten Kreisen gehört, dass die damalige Regierung in Regensburg Mittel für den Neubau von Wohnungen bereitgestellt hatte. Diese neuen Wohnblocks wurden in Hunderdorf errichtet. Als diese fertig waren, bot Franz Xaver Baier seinen Flüchtlingen an, dort eine neue Wohnung beziehen zu können. Diese erklärten sich natürlich hocherfreut bereit, die unwirtliche Wohnstätte in einer verfallenen Burg gegen neue Häuser zu tauschen. Sie packten ihre wenigen Habseligkeiten und mit Kind und Kegel wurde alles auf Lastwagen verstaut, die Baier organisiert hatte, und ab ging’s in eine neue Heimat in Hunderdorf. Als der damalige Landrat Hafner in der Folgezeit die neue Siedlung mit Flüchtlingen aus dem Landkreis belegen wollte, war kein Platz mehr für sie. Eine Räumung beziehungsweise eine Rückkehr der Flüchtlinge nach Falkenfels war jedoch nicht mehr möglich, da der Schlossbesitzer in der Zwischenzeit alle Fenster und Türen herausgerissen hatte. Der momentane Groll beim Landrat Hafner über dieses offensichtliche Schelmenstück wurde später dann in geselliger Runde bei einer oder mehreren Maß Bier wieder hinuntergespült.
Nun konnten die Renovierungsarbeiten an der alten Burganlage beginnen. Aber noch immer war guter Rat teuer, was denn nun aus dem alten Gemäuer werden sollte. Der ursprüngliche Plan, eine orthopädische Klinik darin unterzubringen, scheiterte und das Vorhaben, ein Sanatorium für Tbc-kranke Kinder zu errichten, ließ sich auf Grund des erbitterten Widerstandes von Seiten des Falkenfelser Gemeinderats nicht verwirklichen. So fasste Franz Xaver Baier schließlich den kühnen Entschluss, seine Burg gastronomisch zu nutzen. An ein großartiges Hotel hatte er damals freilich nicht gedacht, vielmehr an eine bescheidene Wirtschaft mit ein paar Fremdenzimmern. Es wurde also fest angepackt und mit der Renovierung der Burg begonnen, die allerdings fast vier Jahre in Anspruch nahm, da deren Finanzierung durch die Gewinne aus der Möbelschreinerei in Straubing erwirtschaftet werden mussten. Seine Frau Lisl, eine geborene Loster und von Beruf Innenarchitektin, war ihm bei der Restaurierung der alten Räume und ihrer Einrichtung eine große Hilfe, denn schließlich war sie ja auch vom Fach. Auch Frau Hilda Scheichl, die vorher in Baiers Möbelfabrik gearbeitet hatte, kam mit nach Falkenfels und half, die nach und nach renovierten Räume nach ihrem Geschmack einzurichten und mit alten Truhen, Schränken, wertvollem Mobiliar und Antiquitäten den Gängen und Gästezimmern eine anheimelnde Note zu geben. Mit fester Hand leitete sie den langsam anlaufenden gastronomischen Betrieb und versuchte, ihn in einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Im Februar 1953 begannen Franz Xaver Baier und Frau Scheichl zunächst mit einem Ausflugslokal ihren gastronomischen Betrieb, arbeiteten dann mit einem privaten Reisebüro in Düsseldorf zusammen und bald tat die Mundpropaganda ihr Übriges und das Burghotel Falkenfels hatte seine Liebhaber und Stammgäste gefunden, die immer wieder gerne nach Falkenfels kamen und oft ihrer Burg ein Leben lang die Treue hielten.
Die zündende Idee war jedoch die Organisation eines alljährlich stattfindenden Jägertreffens, das die Erholungsstätte in der gesamten Region bekannt machte und vor allem ein betuchtes Publikum nach Falkenfels lockte (siehe Ansichtskarte und MM 11/2005, S. 112 - Edda Fendl: Schlosshotel Falkenfels).
Ein Bild Anfang der fünfziger Jahre: Die Gäste des Jägerfestes wurden damals noch in einem Festzelt bewirtet. Erst später wurde für diesen Zweck die Halle errichtet. - Vergrößern durch Anklicken!
Der Motor für den aufstrebenden Fremdenverkehrsbetrieb blieb jedoch Franz Xaver Baier, der mit seiner starken Persönlichkeit die gesamte Atmosphäre des Hauses und seinen Geist prägte, das alte Gemäuer durch zahlreiche Feste und Veranstaltungen wieder mit Leben erfüllte und damit zu einem Glücksfall für den Ort Falkenfels und seine Bewohner wurde, da sich zeitgleich mit dem Aufstieg der Burg zu einem touristischen Zentrum der Fremdenverkehr mit all seinen Möglichkeiten, sei es als Arbeitgeber oder als Einnahmequelle, im Ort etablierte. Und so haben ihn die Falkenfelser ohne Ausnahme bald als einen der ihren fest in ihr Herz geschlossen, ihn als urbayerisches Original und als einen harten Brocken mit rauer Schale, aber mit einem weichen Herz schätzen und lieben gelernt und ihn auch in seiner derben Art und mit seinen deftigen Anredeformen und Sprüchen akzeptiert und gemocht.
Franz Xaver Baier war bekannt als großer Tierfreund. Als ihn eines Tages ein Gast darauf ansprach und sich beschwerte, dass mittlerweile 21 Hunde auf der Burg untergebracht seien, bot ihm dieser lediglich an, wenn ihm das nicht passe, eine andere Bleibe zu suchen. Eines Tages fing sein Jagdfahrzeug, ein alter VW-Käfer, auf der Heimfahrt zu brennen an. Das Einzige, das er aus dem Fahrzeug rettete, war sein Dackel Wastl, den er über alles liebte und der ihn überallhin begleiten durfte.
Vor allem aber war er beliebt als origineller Unterhalter und Gesellschafter, der gerne aus seinem abwechslungs- und ereignisreichen Leben erzählte. Als er eines Abends seine Zuhörer aus Norddeutschland, die schon längere Zeit über seine Anekdoten und Erzählungen gelacht hatten, fragte: „Ja, habt’s dös überhaupt verstand’n?”, kam es wie aus einem Munde entgegen: „Nein!” Seine originelle Sprache und seine ulkige Gestik gab ihnen auch so Anlass zur Heiterkeit. Als leidenschaftlicher Jäger gab er auch oft Kostproben seines Jägerlateins.
Franz Xaver Baier in geselliger Runde, wobei er seinen Gästen gerne aus seinem abwechslungsreichen Leben erzählte. - Vergrößern durch Anklicken!
Nur zu gerne unterhielt er seine Zuhörer mit einem lustigen Jagderlebnis in der Gegend von Geßmannszell , wo er eines späten Abends auf Fuchsjagd war. In seinem Schneehemd, das er zur Tarnung trug, begegnete er einem ihm bestens bekannten Mann, der gerade vom Wirtshaus kam. Dieser glaubte in ihm einen Überirdischen ausgemacht zu haben, fiel auf die Knie und rief: „Alle guten Geister loben Gott den Herrn!” Doch auch seine Beteuerung: „Geh weida, was hast denn? I bin doch der Franz Xaver!” fruchteten nichts. Der zu Tode Erschreckte suchte sein Seelenheil nur noch in der Flucht.
Sein letzter Sommer, den er an lauen Abenden bis tief in die Nacht hinein mit seinen Gästen bei launiger Unterhaltung genoss. - Vergrößern durch Anklicken!
Am 26. Dezember 1987 feierte er zum letzten Mal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und zahlreicher Ortsprominenz in der Festhalle, nämlich seinen 80. Geburtstag. Zugleich nahm er auch Abschied von seiner Burg, die er kurz vorher an den Holländer Gerardus van Renz verkauft hatte. Er selbst zog sich in das Haus seiner ehemaligen Geschäftsführerein, Frau Hilda Scheichl, in Falkenfels zurück, verbrachte dort seinen wohl verdienten Lebensabend und frönte, soweit es seine Gesundheit zuließ, weiterhin seinen großen Leidenschaften, dem Fischen und dem Jagen. Am 8. September 1990 ist er mit 83 Jahren beim mittäglichen Lesen der Zeitung friedlich auf dem Sofa entschlafen.
Burg Falkenfels zur Zeit des Jägertreffens, das von Franz Xaver Baier ins Leben gerufen wurde und das dem Ort zu großer Popularität verhalf.- Vergrößern durch Anklicken!
Bildquellen:
- Marion Lohmeier, Pfaffenberg
- Eva Lindemann, Haselbach
Mündliche Quelle:
- Eva Lindemann, Haselbach
- Schriftliche Quellen:
- Hauptlehrer Josef Geier, Haunkenzell, in einer Laudatio aus Anlass des 80. Geburtstages von Franz Xaver Baier
- M. Watzl: Wie aus einer Ruine ein Schlosshotel wurde (Bericht in der Straubinger Zeitung)
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