Nördlicher Landkreis SR-BOG: 1 300 Kernobstsorten kartiert

2021 12 06 Kernobstsorten kartiert

Pomologe Wolfgang Subal (links) und Mitarbeiterin Susanne Gerber mit dem Projektleiter, Kreisfachberater Hans Niedernhuber (Zweiter von links), sowie einigen interessierten Pomologen bei der Sortennachbestimmung im Kreisobstlehrgarten Neukirchen. Foto: Johann Niedernhuber - Vergrößern durch Anklicken!

Der Pomologe Wolfgang Subal aus Weißenburg war insgesamt zwei Jahre lang im Landkreis unterwegs. Eines seiner Ergebnisse:

Im nördlichen Gebiet haben einige Raritäten von Kernobstsorten überlebt. 

In den letzten beiden Jahren bemerkten in einigen Gemeinden des Bayerischen Waldes so manche Obstbaumbesitzer eine grauhaarige Gestalt, welche ihre Obstbäume inspizierte und sogar einige Früchte erntete. Darauf angesprochen, rechtfertigte sich der Fremde auch noch in hochdeutscher Sprache. Es stellte sich schnell heraus, dass kein Obstdieb am Werk war, sondern der renommierte Pomologe Wolfgang Subal aus Weißenburg, der in fünf Gemeinden insgesamt 1 300 Obstsorten bestimmte, kartierte und digital erfasste.

Nachdem es schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich war, seinen Besuch anzumelden, und deshalb einige Obstbaumbesitzer irritiert waren, beauftragte Projektleiter Kreisfachberater Hans Niedernhuber mehrere allseits bekannte heimische Obstfreunde, die als „Türöffner“ fungierten. Meist war die Freude der Obstproduzenten über die kostenlose Sortenbestimmung groß, zumal der Experte auch viel zu den einzelnen Sorten zu erzählen wusste. Doch des Öfteren scheiterte auch der Profi, da bereits viele Sortennamen in Vergessenheit geraten sind und damit eine Bestimmung nicht mehr möglich ist.

Zahlreiche Raritäten im nördlichen Landkreis

Gerade im obstbaulichen Kerngebiet des nördlichen Landkreises, Ascha, Haselbach, Neukirchen, Perasdorf und Schwarzach, wo die Aktion stattfand, gibt es heute noch zahlreiche Raritäten. Von diesen Bäumen wurden Edelreiser entnommen und jeweils drei Bäume je Sorte nachgezogen. Ab Herbst 2022 werden sie dann als Hochstämme zum Verkauf angeboten werden. Der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege Straubing-Bogen überlegt, diese zu bezuschussen, allerdings unter der Bedingung, dass der Standort erfasst werden darf und gegebenenfalls einige Edelreiser zur Weitervermehrung abgegeben werden.

Ermöglicht wurde diese aufwendige Aktion durch eine großzügige Förderung als Biodiversitätsprojekt, welche das „Netzwerk Streuobst Bayerischer Vorwald“ beantragt hat. Nun hofft man, dass es gelingt, im Zuge eines Folgeprojekts auch noch bei weiteren Gemeinden eine Obstsortenkartierung durchführen zu können.

Nachdem seitens der bayerischen Staatsregierung die Förderung von Streuobstwiesen stark propagiert wird, wäre es nur folgerichtig, neben der Bezuschussung von Neupflanzungen und Obstbaumschnitten auch die Sicherung von Raritäten und unbekannten Sorten zu fördern, so Kreisfachberater Hans Niedernhuber.

Neben der Sortenkartierung konnten im Zuge des Projekts die Bürger bei den jeweiligen Verwaltungen der beteiligten Gemeinden an zwei Terminen Obstproben zur Bestimmung abgeben. Dieses Angebot wurde rege genutzt und über 150 Proben angeliefert. Für Obstfreunde, die sich selbst in der Sortenbestimmung weiterbilden wollten, bot Subal im Herbst dieses Jahres ein ganztägiges Seminar in Haselbach an. Außerdem fanden Exkursionen in Neukirchen und Perasdorf statt, wo die Teilnehmer, durch die herrliche Obstlandschaft wandernd, zahlreiche alte Obstsorten kennenlernen durften. Auch das Bayerische Fernsehen wurde auf die umfangreichen Aktivitäten aufmerksam und berichtete darüber ausführlich zur besten Sendezeit. Zum Abschluss der zweijährigen Aktion konnten Interessierte bei der Gemeindeverwaltung Neukirchen ihre Sorten vor Ort bestimmen lassen, was selbst von Obstfreunden aus dem Labertal angenommen wurde, so Bürgermeister Matthias Wallner, Vorsitzender des Netzwerks Streuobst Bayerischer Vorwald.

Birnbaum ist wohl schon über 200 Jahre alt

In aufwendigen Recherchearbeiten konnte Sortenexperte Subal zudem interessante Aspekte der obstbaulichen Geschichte der Bayerwaldgemeinden wieder ans Tageslicht bringen. Im 19. Jahrhundert war bekanntermaßen Obst aus dem damaligen Landkreis Bogen deutschlandweit begehrt. Es wurde damals mit Leiterwägen, Schiffen und später mit dem Zug zu den Abnehmern im Gäuboden, Sachsen und zu Großstädten wie Hamburg, Berlin und Wien transportiert.

Einen weitgehenden Einblick, welche Sorten damals in der Gemeinde Perasdorf kultiviert wurden, brachte eine von Subal gefundene Auflistung von Obstsorten, welche 1879 im Zuge der Bayerischen Obstausstellung in München präsentiert wurden. Dazu sammelten der damalige Bürgermeister Edtbauer und der Lehrer Limmer Apfel- und Birnensorten der örtlichen Obsterzeuger.

Unter den 38 angelieferten und aufgelisteten Obstsorten befinden sich mehrere Raritäten, welche jeden Pomologen zum Schwärmen bringen, so der Leiter des Arbeitskreises Pomologie Hans Aumer. Ein Beispiel dafür ist die Birne „Wildling von Motte“, die heute noch als uralter Baum in Perasdorf zu finden ist. Da Birnen über 200 Jahre alt werden können, ist es durchaus möglich, dass dieser Birnbaum schon im Jahre 1879 an seinem jetzigen Platz stand. Verblüffend ist auch die Tatsache, dass zahlreiche Sortennamen dieser 142 Jahre alten Liste heute kaum mehr bekannt, geschweige denn zu kaufen sind, etwa „Bunter Prager“, „Rother Cardinal“, „Sternàpi“, „Rother Sommer-Rambour“, „Lothringer Rambour“, „Pleissner Rambour“ und „Frauenapfel“. Bei Letzterem handelt es sich vermutlich um den „Deggendorfer Frauenapfel“, welcher vor einigen Jahren wiedergefunden und vermehrt wurde. 

Beutelsbacher Rambur und Deggendorfer Frauenapfel

Zwei im Altlandkreis Bogen beheimate Apfelsorten sind der „Beutelsbacher Rambur“ sowie der „Deggendorfer Frauenapfel“.

Beutelsbacher Rambur: Nach der Baumschule Baumgartner (Nöham bei Pfarrkirchen) wurde diese Sorte um 1914 von dem Bäcker Franz Xaver Klinger im niederbayerischen Beutelsbach südwestlich von Vilshofen als spontan entstandener Zufallssämling entdeckt. Er brachte 1930 Reiser davon zur genannten Baumschule, wo die Sorte nach ihrem Herkunftsort benannt und bis heute vermehrt und verbreitet wird. Für den Beutelsbacher Rambur wird manchmal fälschlich das Remstal bei Stuttgart als Herkunft angegeben. Verwirrenderweise wurde aus Beutelsbach an der Rems nahe Waiblingen ebenfalls ein „Rambur von Beutelsbach“ beschrieben, der mit der niederbayerischen Sorte aber nichts gemein hat.

Beutelsbacher Ramdur

Der „Beutelsbacher Rambur“ ist im Altlandkreis Bogen, wie vermutlich im gesamten östlichen Niederbayern, eine noch weit verbreitete lokale Apfelsorte. - Vergrößern durch Anklicken! 

Reif werden die Äpfel in der ersten Oktoberhälfte. Sie sind von November bis Anfang des neuen Jahres genießbar. Sowohl als Tafelapfel wie auch als Küchenapfel sind sie gut zu gebrauchen. Gegen Ende der Reifezeit sinkt jedoch wie bei allen Äpfeln die Fruchtqualität. Sie ergeben auch einen sehr guten Apfelsaft, wegen ihrer großen Früchte ist das Aufsammeln leicht.

Die großen, rot gestreiften bis rotbackigen Früchte haben ein saftiges, aromatisches, grobzelliges Fruchtfleisch. Die Schale ist meist etwas klebrig-fettig, vor allem in reiferem Zustand. Das Kernhaus ist groß und etwas offen, die Kernhausfächer besitzen zahlreiche ausblühende Risse. An den Kernen haften oft Reste von Fruchtfleisch, sie sind oft nicht entwickelt und steril, man kann also damit keine jungen Sämlingsbäume ziehen. Die robusten Bäume besitzen einen sortentypischen hängenden Habitus, ähnlich der verbreiteten Frühsorte „Jakob Fischer“.

Deggendorfer Frauenapfel: Die niederbayerische Lokalsorte hat ihren Ursprung vermutlich im Kloster Metten. Zumindest wurde sie von dort ab etwa 1900 verbreitet. Bereits 1902 wurde sie in „Die Obstsorten für Bayern“ des Landes-Obstbauinspektors Reinhard Mertens erwähnt. Heute gibt es nur noch sehr wenige Altbäume. Zusätzlich zu einem bereits bekannten Altbaum bei Perasdorf wurden bei der Kartierung im Jahr 2020 zwei weitere Bäume im Altlandkreis Bogen bei Neukirchen gefunden.

Deggendorfer Frauenapfel

Die robusten Früchte des „Deggendorfer Frauenapfels“ werden selten von Schorf befallen. Fotos: Wolfgang Subal - Vergrößern durch Anklicken! 

Der Frauenapfel ist eine Frühherbstsorte, sie wird etwa Mitte September geerntet und ist sofort essbar. Die Genussreife endet je nach Lagerbedingungen spätestens im November. Die mittelgroßen Äpfel sind meist rundlich und von attraktiver dunkel-rotvioletter Schalenfarbe. Der Geschmack ist mild aromatisch, fruchtig und säurearm, deshalb vermutlich die Bezeichnung „Frauenapfel“. Der Kelch ist tief eingesenkt. Das Kernhaus ist relativ klein.

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