Ascha
Mühlen an der Menach (10): Obermühl
Das Entstehungsjahr der Obermühl ist unbekannt. Man kann aber sicher davon ausgehen, dass die Obermühl jünger ist als die Recksberger Mühle und dass ein Recksberger Müller sie für einen Abkömmling erbaut hat. (Foto: Martin Graf)
Das lässt sich aus der Entwicklung des Ortsnamens und aus den in der Frühzeit familiären Verflechtungen beider Müller ableiten. Anfangs nennt man den Standort „Oberrecksberger Mühle”, dann einfach die „Obere Mühle”. Im Laufe der Jahrhunderte finden sich weitere Schreibweisen: Obermil, Obermill, Obere Mill, Ober Mühl und schließlich Obermühl. Die frühesten Hinweise reichen nur bis zum 30-jährigen Krieg zurück; denn die Kirchenbücher aus der vorausgegangenen Zeit sind bekanntlich vernichtet.
Dass aber die Mühle schon vorher da gewesen sein muss, kann man aus einer Sage schließen, die noch weiter zurückreicht, wenn das geschilderte Ereignis auch direkt im 30-jährigen Krieg spielt. Die Sage nennt einen früheren Besitzer der Obermühl, der als Angesehener und Alteingesessener mit dem Teufel ein Bündnis geschlossen und dafür ein „Schwarzbuch” und einen „Erdspiegel” erhalten hat. Diese Bücher verwendet er im Winter 1633, als die Schweden Straubing erobern und dann auch raubend und plündernd in den Bayerischen Wald vordringen. Zuerst überfallen sie aber noch das Kloster Oberalteich. Der Abt Veit Höser muss mit seinen Klosterbrüdern fliehen um der Ermordung zu entgehen. Er versteckt sich in Elisabethszell, am Frauenstein und in Haibach. Auf dem Weg dorthin werden sie von den Schweden verfolgt wegen ihrer mitgenommen Schätze. Als die Patres das bemerken, biegen sie vom Fahrweg ab und vergraben die Klosterschätze um sie so zu retten.
Der Obermüller entdeckt diesen Schatz mit Hilfe seines „Erdspiegels” und aus seinem Schwarzbuch weiß er, wie man einen solchen Schatz hebt. Geeignet ist nur der Winter und zwar die Tage während der Raunächte, am besten ist die Dreikönigsnacht. Sechs Männer müssen dabei sein und keiner darf dabei einen Laut von sich geben. Der Obermüller dingt sich die notwendigen Männer und sie machen sich an die Arbeit, mit Erfolg zunächst. Sie haben die Schätze schon fast gänzlich an die Oberfläche gefördert, da kommt ein wildfremder Mann dahergelaufen und schreit: „D’ Obermühl brennt!” Dem Obermüller entfährt ein Fluch, damit bricht er das Schweigen und der Schatz verschwindet unauffindbar - genauso wie der fremde Mann.
Eine weitere Geschichte besagt, dass der Obermüller einmal vergisst sein Schwarzbuch wegzusperren. Ein neugieriger Müllerbursch entdeckt es und liest darin. Dadurch zieht er zahlreiche Teufel herbei und als der Obermüller heimkommt, findet er die Stube voller Teufel und die wollen den Müller und seinen Mahlburschen mitnehmen. Der Obermüller versucht das durch einen Handel abzuwenden, er bietet den Teufeln eine Wette an. Er werde das Schwarzbuch schneller rückwärts vom Ende bis zum Anfang lesen, als es den Teufeln möglich sei, die auf den Boden geschütteten Breinkörner (Hirse) Korn um Korn mit den Fingern wieder in den Sack zurückzuklauben, aus dem der Müller sie vorher geschüttet hat. Den Teufeln gefällt dieser Spaß, sie werden schneller sein als der Müller und dann siegen. Weil sie sich dessen so sicher sind, gaudieren sie während der Arbeit, verlieren Zeit dabei, geraten in Verzug und so gewinnt der Müller. Wütend und laut polternd verschwinden darauf die Teufelchen wieder aus der Stube und lassen Müller und Knecht zurück.
Nach diesen Erzählungen nun zu den Realitäten: Die erste Nennung des Ortsnamens Obermühl ist in den Kirchenbüchern von 1652 und 1653 zu finden. In dem einen Jahr wird eine Elisabeth Fukhs als Patin genannt und im zweiten die Geburt einer Eva Fukhs.
Dann aber taucht ab 1666 der Name Lang auf. Matheus Lang wird geboren als Sohn von Adami Lang, Molitor zu Obermühl. Die Familie Lang ist vorher schon auf der Recksberger Mühl nachgewiesen. Mindestens bis 1814 bleiben die Langs nun auf der Obermühl, also um die 150 Jahre lang. Das Geschlecht betreibt das Mühlengeschäft auch an zahlreichen weiteren Mühlen entlang der Menach, nämlich in Frommried, auf der Ziermühl, der Wenamühl, der Höllmühl sowie in den Orten Gaishausen und Apoig am Bogenbach. In Apoig wird bekanntlich auch der Mathias Lang, der „Mühlhiasl” geboren. Zwischendurch, nämlich 1722, lebt auf der Obermühl ein Molitor Georgius Obermayr. Bei ihm handelt es sich aber sicher nur um einen Mühlknecht; denn zu dieser Zeit sind die Ehegatten Johann und Anna Lang Besitzer.
Es geht aus den Einträgen in den Pfarrbüchern nicht immer zuverlässig hervor, ob die dort verzeichneten Taufen, Eheschließungen und Todesfälle den Obermüller oder einen Recksberger Müller betreffen; denn die Ortsbezeichnungen sind oft verwirrend. Da steht zum Beispiel 1737 „Molitore in der Oberne Mill und Röcksperg 1762”, dann „Müller in der Obermil zu Recksberg”. Die beiden Mühlen sind wohl zeitweilig in „einer” Hand.
Dem oben genannten Johann folgt um 1736 der 1714 geborene Johann Georg Lang mit seiner Frau Walburga nach und noch ein weiterer Georg danach. Die 1783 geborene Tochter Margarethe Lang heiratet den Bauern Johann Haimerl aus Rattiszell (der Tag der Eheschließung ist nicht bekannt). Bei der Geburt der ersten Kinder nennt der Pfarrer von Haibach den Vater noch "Bauer aus Rattiszell, dermal sich aufhaltend in Obermühl”. Um 1814 scheint er die Mühle dann als Besitzer übernommen zu haben; denn von da an wird der Vater der vielen noch folgenden Kinder stets als Müller auf der Obermühl bezeichnet. Eine der Töchter heiratet einen Joseph Schmeitzl, Wirth in Haibach. Ein Sohn ehelicht 1851 die Therese Steger von Redlingsfurth (*1829). Ein weiterer Sohn, der Adam Haimerl (*1822), wird ab 8. Mai 1849 Nachfolger als Müller auf der Obermühl, nachdem er die Franziska Steger, Halbbauerstochter aus Redlingsfurth (also seine Schwägerin) geheiratet hat. Elf Kinder gebärt ihm die Frau. Am 27. Mai 1861 stirbt sie im Kindsbett an Gebärmutterfluss, eine Woche darauf folgt ihr der Sohn Petrus nach in den Tod.
Zu dieser Zeit sind die Ehen reich mit Kindern gesegnet. So wird Adam Haimerl insgesamt fünfzehn Mal Vater; denn auch die zweite Frau, die Magdalena Helmhaben aus Aiterhofen bringt noch vier Kinder zur Welt. Keines von ihnen überlebt und auch aus der ersten Ehe sterben neun schon im ersten Lebensjahr. Also nur zwei von den fünfzehn Kindern erreichen das Erwachsenenalter.
Das Erstgeborene, die Tochter Franziska, heiratet am 16. Juli 1866 den Bauern Jakob Bornschlegl aus Untergrub (*1837 ). Sechs Kinder sind von ihnen bekannt. Ob eines davon überlebt hat, ist nicht feststellbar. Sicher aber ist, dass kein Kind die Mühle übernimmt; denn am 15. Juli 1880 taucht der Name Georg Ettl auf (*5. Juli 1855), der in der Heiratsurkunde als angehender Müller in Obermühl bezeichnet wird. Er heiratet an diesem Tag die Maria Lorenz (*16.04.1859) von der benachbarten Recksberger Mühle. Am 11. Mai 1881 wird ihnen das erste Kind geboren, die Tochter Maria. Sie stirbt aber schon drei Wochen darauf. Deshalb benennen sie die am 15.12.1898 geborene Tochter wiederum Maria. Zwischen diesen beiden Geburten kommen weitere zehn Kinder zur Welt, mindestens sieben davon sterben bereits im Geburtsjahr oder im Jahr darauf. Keines der zunächst überlebenden vier Kinder übernimmt die Mühle.
Am 15.11.1888 wird auf der Obermühl ein Wolfgang Schlenger geboren. Der Vater hat den gleichen Namen und wird im Taufregister als Müller bezeichnet. Also hat dieser noch zu Lebzeiten der Ettls auf der Mühle gearbeitet, wahrscheinlich als Mühlknecht.
Zwischen 1896 und 1911 dürfte die Mühle übergegangen sein an einen Jakob Heigl (*1854 - †11.4.1928) und seine Frau Karolina geb. Steger von Roßhaupten (*5.1860 - † 24.3.1943). Sie werden 1882 noch als Söldnerseheleute bezeichnet. Dass sie dann aber die Mühle übernehmen, geht aus dem Eintrag im Sterberegister hervor, wo sie als "Austragsmüller” bzw. als "Austragsmüllerswitwe” bezeichnet werden. Der Sohn der beiden, Johann Baptist (*22.6.1882) heiratet am 19. Februar 1911 die Maria Karl aus Kager (*14.8.1889) und übernimmt an diesem Tag die Mühle von den Eltern. Ein weiterer Sohn, der Jakob Heigl, wird Müller auf der Rissmühl.
Dieser Johann Baptist Heigl stirbt am 20. August 1925 im Alter von nur 43 Jahren. Im Sterberegister steht: Tod durch Ertrinken: Wolkenbruch, Überschwemmung, Rettungsversuch, nach 2 Tagen gefunden. Im Jahr 1925 ereignet sich ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser. Durch ständige Regenfälle im Einzugsgebiet der Menach wird diese zum reißenden Fluss und zwar so plötzlich, dass es dem Müller nicht mehr möglich ist, den Mühlbach in das alte Flussbett umzuleiten, und so wälzen sich die Fluten durch die Mühle und die landwirtschaftlichen Gebäude. Sie reißen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist, auch das Kleinvieh. Die Rinder können sich aus eigener Kraft retten, nachdem der Müller sie von den Ketten gelöst hat, die Schweine aber haben bei der Gewalt der Wassermassen keine Chance. Bei dem Versuch sie zu retten wird der Müller selbst von den Fluten mitgerissen und erst zwei Tage später gefunden. Das Hochwasser richtet enormen Schaden nicht nur auf dem Mühlengrundstück an, es reißt auch den Bahndamm mit und unterbricht so für viele Wochen den Bahnbetrieb zwischen Straubing und Cham. Am Beerdigungstag des Müllers strömen unzählige Menschen herbei um an dem Geschick teilzuhaben. Die Züge bringen die Trauernden und die vielen Neugierigen von Süden her zum Bahnhof Haibach, hier ist Endstation, von Norden her zum Bahnhof Konzell-Süd. Von diesen Orten aus bewegen sich die Völkerscharen auf der Straße zur Mühle.
Der Verunglückte hinterlässt die Witwe und vier Kinder. Der Joseph (*1914) kommt im Krieg 1939/45 um. Die Tochter Maria (*1921) bleibt ledig und stirbt 1996 in Straubing. Der Alois (*17.12.1924) ist gerade mal acht Monate alt, als der Vater verunglückt. Er wird später die Mühle übernehmen. Die Mutter will die Existenz, das Mühlengeschäft, weiterführen und den Kindern einen Ersatzvater bieten. So geht sie eine zweite Ehe ein. Am 19. September 1926 heiratet sie den Bauernsohn Franz Xaver Rainer aus Untergrub. Auch in dieser Ehe werden noch drei Kinder geboren. Zwei sterben jeweils ein Jahr nach der Geburt. Die Tochter Ottilie heiratet 1959 den Ludwig Heigl aus Bayrischbühl und lebt mit ihm und ihren acht Kindern in dem zur Mühle gehörenden Austragshaus. Den "Heigl-Namen” gibt es nun also zweimal auf dem Anwesen, das ist rein zufällig so; denn die Bayerischbühler sind nicht mit den Obermüllers verwandt.
Als der 1924 geborene Alois 30 Jahre alt wird, heiratet er die Rosina Zollner aus Dietersdorf (*20.11.1924) und die beiden betreiben nun das Mühlengeschäft weiter. Der verunglückte Vater hatte zu seiner Zeit bereits eine Schneidsäge zur Getreidemühle dazu gebaut, mit nur einem Sägeblatt ist diese aber recht unproduktiv. Das ändert jetzt der Sohn durch Erweiterung der Anlage auf ein Vollgatter. Dazu betreibt er auch noch das lukrative Geschäft eines Holzhändlers. Auch der Stiefvater hatte bereits eine Erneuerung eingeführt. Mühle und Sägewerk wurden bis dahin nur mit Wasserkraft betrieben. Nun soll diese auch zur Stromerzeugung genutzt werden durch Einbau von Turbinen. Es ist die Absicht des Obermüller Veri die umliegenden Gehöfte mit Strom zu versorgen. Dazu reicht die gewonnene Energie aber nicht aus, sie langt gerade mal für den eigenen Betrieb.
Am 11. September 1961 stirbt Alois Heigl, er wird nur 37 Jahre alt. Die Ehe blieb kinderlos. Die Witwe macht nun alleine weiter bis zum 3. Oktober 1978. Zu diesem Zeitpunkt lebt auf der Obermühl ein Tüftler. Er heißt Otto Schindlbeck und er will mit Hilfe seiner technischen Kenntnisse und seiner umfangreichen Werkzeugsammlung eine mechanische Vorrichtung erfinden, die ohne Energiezufuhr Arbeit verrichten kann (Perpetuum mobile!). Weil das nach dem Energiesatz aber unmöglich ist, scheitert er an diesem Projekt genauso wie viele andere vor ihm auch.
Die Rosa Heigl verkauft 1978 ihr Anwesen an Rudolf Petschi aus Grafenwiesen. Dessen Familie betreibt das Gewerbe und die Landwirtschaft bis 1984, also nur 6 Jahre, dann veräußert sie den Besitz. Die nächsten Eigentümer, Heike und Günther Lehmer hält es nur zwei Jahre auf der Obermühl, dann verkaufen auch sie schon wieder. Am 1. September 1986 erwirbt der Arzt Dr. Jürgen Wurster den Besitz. Er hat zunächst die Absicht den Sägebetrieb weiterzuführen, weil die Anlage noch voll funktionsfähig ist, seine berufliche Verpflichtung lässt ihm aber schließlich dafür keine Zeit. So geht auf der Obermühl die Mühlentradition zu Ende, wie das landauf und landab schon vorher an vielen anderen Orten geschehen ist. Nur der Ortsname erinnert noch daran, dass an dieser Stelle Jahrhunderte lang Tag und Nacht die Mühle klapperte.
Die Pfarrbücher der Pfarrei Haibach, die im Bischöfl. Zentralarchiv in Regensburg lagern, haben Franz und Otto Wartner aus Mitterfels durchforscht. Ihnen danke ich für die Überlassung ihrer Aufzeichnungen.
Die Mitarbeiter des AK Heimatgeschichte Mitterfels e. V. stellen ihre Recherchen in Archiven und bei Gesprächen mit Zeitzeugen gern für weiterführende Arbeiten zur Verfügung, wenn die Quellen, wie es üblich ist, genannt werden. Wir haben aber kein Verständnis, wenn in einem ganzseitigen Artikel in unserer Heimatzeitung (Rosi Stelzl, Bogener Zeitung vom 15.05.2013: "Die Obermühle - Ein idyllisches Stück Heimat") ohne Quellenangabe ganze Passagen aus einem im Mitterfelser Magazin 10/2004 erschienenen Beitrag "Obermühl" (Seite 128 ff) verwendet werden. Hier das "Original":
Quelle: Otto Wartner/Otto Grimm, in: Mitterfelser Magazin 10/2004, Seite 128 ff
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