Kunst, Literatur
St. Martin in Münster. Umfassende Außenrenovierung des historischen Bauwerks
Die ehemalige Pfarrkirche und heutige Neben- und Friedhofskirche St. Martin in der Ortschaft Münster, Gemeinde Steinach, steht derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Eine groß angelegte und kostspielige Außenrenovierung ist in vollem Gang.
Besucher des Kirchenareals hatten schon seit längerer Zeit bemerkt, dass der Zahn der Zeit erheblich an dem historischen und denkmalgeschützten Gebäude genagt hat und dieses einer dringenden Außenrenovierung bedürfe. Teile des Außenputzes sind heruntergefallen, die Dacheindeckung war schadhaft und undicht, Feuchtigkeit ist an den Außenmauern emporgekrochen. Die Gemeinde Steinach als Baulastträger hatte sich deshalb zu einer umfassenden Außenrenovierung einschließlich Dach und Dachstuhl entschlossen. Dabei wurden rings um die Kirche Drainagen erstellt, der Sockelputz fachgerecht abgedichtet und neu verputzt. Den Wandputz hat man bis zu einer Höhe von zwei Metern entfernt und neu verputzt. Die gesamte Außenputzfläche erhält einen historischen Oberputz und wird neu getüncht.
Bei der Dachkonstruktion sind beschädigte Fußpunkte sowie die Schallfenster im Turm zu erneuern. Auch die Turmtreppe muss ertüchtigt werden. Beim Dach erfolgt eine komplette Neueindeckung mit Erneuerung der Dachlatten. Die Kosten der Sanierungsmaßnahmen werden sich auf rund 320 000 Euro belaufen. Für diese Maßnahmen hatte die Gemeinde Zuwendungen aus Mitteln der Denkmalpflege beantragt, aber erfolglos. Wegen der im Dachraum und Turm beheimateten Fledermäuse dürfen die Arbeiten dort nur von Anfang Oktober bis Mitte April durchgeführt werden. Die umfassenden Renovierungsmaßnahmen mit neuen Erkenntnissen zur Bau- und Kunstgeschichte sind Grund genug, einen Blick in die interessante Geschichte dieses historischen Bauwerks und dessen Baulast zu werfen.
Eine Seltenheit: Münster, das Dorf mit zwei Kirchen
Landgemeinden haben in der Regel nur eine Kirche: die Pfarrkirche; das ist stets der Mittelpunkt einer Ortschaft. Anders ist es in Münster. Die Ortschaft Münster, einst eine selbstständige Gemeinde, seit 1978 Ortsteil der Gemeinde Steinach, besitzt gleich zwei Kirchen und stellt damit eine Seltenheit im Straubinger Raum, ja sogar in Niederbayern, dar. Der Grund hierfür ist folgender: In Münster, das früher „Pfaffmünster“ hieß, ist Anfang des 12. Jahrhunderts das Chorherrenstift St. Tiburtius entstanden, möglicherweise auf den Resten eines leider urkundlich nicht nachweisbaren Urklosters. Die zehn vornehmen, meist adeligen und studierten Chorherren errichteten für ihre liturgischen Zwecke die heute noch bestehende romanische Stiftskirche St. Tiburtius und für das Volk die Pfarrkirche St. Martin. Pfarrpatron von Münster ist noch heute der heilige Martin. Auch bei anderen Klöstern (Oberalteich, Windberg, Metten) war es üblich, neben der Klosterkirche eine Pfarr- oder Leutekirche zu errichten, die aber später als entbehrlich betrachtet und deshalb abgebrochen worden sind. Nicht so in Münster, wo sich die Bevölkerung energisch für den Erhalt der Sankt Martinskirche eingesetzt und dies bei den zuständigen Institutionen auch durchgesetzt hat. Doch die Gemeinde musste dafür die Baulast übernehmen.
Im November 1991 wurden im Kircheninneren archäologische Ausgrabungen durch den damaligen Kreisarchäologen Karl Böhm durchgeführt.
Dem Kreisarchäologen war viel daran gelegen, Anhaltspunkte für die Existenz eines Ur- oder Donauklosters in Münster zu finden, denn bisher fehlen dazu entsprechende Urkunden oder archäologische Nachweise. Die Ausgrabungen brachten völlig neue Erkenntnisse zur Baugeschichte. Es kamen Fundamentmauerwerk und Estrich eines Vorgängerbaus zum Vorschein; die gefundenen Scherben waren etwa in das 10./11. Jahrhundert zu datieren. Es fehlte bei den Fundamenten des Vorgängerbaus aber an der für Kirchen üblichen Ost-West-Ausrichtung und auch die Raumaufteilung sprach gegen eine Vorgängerkirche. Im Rahmen der Ausgrabung fand man in der Schuttschicht drei Münzen, Haller Pfennige, geprägt unter Kaiser Karl IV. zwischen 1355 und 1378. So fällt die Bauzeit zumindest eines Teils der Kirche nach Böhm in die Gotik und nicht in die Romanik, was man bisher angenommen hat. Dazu würde auch der Kirchturm passen mit seinem gotischen Treppengiebeldach. Nachweise für die Existenz eines agilolfingischen Urklosters ergaben sich aus den Ausgrabungen aber nicht.
„Wir wollen, dass sie nicht beseitigt wird ...“
Im Jahre 1581 wurde das Chorherrenstift Pfaffmünster im Rahmen der Gegenreformation nach Straubing verlegt, um dort ein prachtvolles religiöses Zentrum aufzubauen. Dieses sollte den noch immer bestehenden lutherischen Bestrebungen in der Gäubodenstadt entgegenwirken. Die Bürgerkirche St. Jakob wurde nun Stiftskirche, der hl. Tiburtius zweiter Stiftspatron, zweiter Pfarrpatron und zweiter Stadtpatron. Papst Gregor XIII. gab zum Erhalt der kirchlichen Einrichtungen in Münster Anweisungen, die sein Nuntius weiter ausarbeitete und wie folgt formulierte:
„Der Pfarrer der Kirche des hl. Martin, die im Friedhof des hl. Tiburtius steht, soll gehalten sein, in seiner Pfarrkirche, von der Wir wollen, dass sie nicht beseitigt wird, an jedem Sonn- und Feiertag und an jedem Freitag nach alter Gewohnheit eine Messe lesen. Zur Aufrechterhaltung der Pfarrei St. Martin sind bei dieser nicht nur alle Güter, Häuser und Äcker, Einkünfte und Zehentrechte zu belassen, sondern auch die Pfarreinkünfte durch Inkorporierung des in der Tiburtiuskirche bestehenden einfachen Benefiziums zu mehren. Auf dem Altar dieses Benefiziums soll montags, dienstags und donnerstags eine hl. Messe gehalten werden“.
Weiter führte der Nuntius aus, dass der Pfarrer von St. Martin anzuweisen sei, zur Erfüllung der seelsorgerischen Aufgaben einen eigenen Kooperator zu halten. Diesem möge man das mit den Benefizien verbundene Benefiziatenhaus mit Garten überlassen und eine ausreichende Besoldung zukommen lassen. Die endgültige Regelung der Pfarrverhältnisse erfolgte aber erst durch Bischof Wolfgang von Regensburg mit Anweisung vom 9. August 1603. Danach sollte die Pfarrei St. Martin, für die eigentlich der Stiftspropst in Straubing zuständig war, „fürderhin und in Ewigkeit mit einem vom Bischof in Regensburg bestätigten qualifizierten Priester versehen werden“. Dieser investierte Pfarrer, der dem Erzdekan in Pondorf zu unterstellen sei, habe „in der alten Collegiat Stüfft Kürchen S. Tiburtii in vor alters herkhomen, römisch Catholisch und apostolischer Weis mit einem Ambt oder Meß und Predig fleißig zu halten und zu verrichten und jeden Quatember auf einen Werchtag wegen der gestüffteten Jahrtäg in S. Martini Pfarrkirchen zu celebrieren“. Patrozinien, Kindstaufen, Christenlehre und Eheschließungen seien ebenfalls in der Pfarrkirche St. Martin zu feiern.
Nach der Stiftsverlegung 1581 wurde also die ehemalige Stiftskirche St. Tiburtius die Pfarrkirche von Münster, die bisherige Pfarrkirche St. Martin sollte nicht beseitigt, sondern mit den genannten weiteren pfarrlichen Funktionen ausgestattet werden.
Die Martinskirche wird als Pfarrnebenkirche zu klein
Die Bevölkerung von Münster ist stetig gewachsen und die schon etwas baufällige Martinskirche ist für die genannten pfarrlichen Funktionen zu klein geworden. In einer Eingabe vom 20. August 1744 berichtet das Kurfürstliche Kollegiatstift SS Jakobus und Tiburtius in Straubing, zu welchem die Pfarrei Pfaffmünster nach der Stiftsverlegung gehörte, an den Bischof von Regensburg, es habe 1741 in der baufälligen alten Martinskirche zu Münster Reparaturen „an dem Dachstuhl, Tabulat und den Fenstern“ vornehmen lassen. Zugleich sei auf Ansuchen der Pfarrgemeinde „wegen des sehr engen Raums des spatii (lat. der Größe, Weite, Anm. d. Verf.) die ohnehin paufällige Giebelmauer abgetragen und umb 10 Schuech in der Länge (Anmerkung: = etwa drei Meter) erweitert, nicht weniger die zwey Seithen Maueren bei 4 Schuech erhöchert worden“. Wenn es noch durch die Hilfe „einiger Guethäter“ gelinge, neue Kirchenstühle und sonstige Einrichtungsgegenstände zu beschaffen, könne die Kirche „nicht unter die schlechtigste“ gerechnet werden. Diese Kirchenerweiterung nach Westen um zehn Schuh war bei der derzeitigen Außenrenovierung nach Abschlagen des Putzes bis zu zwei Metern Höhe deutlich am Ziegelmauerwerk zu erkennen.
An dem durchgezogenen Ziegelmauerwerk ist auch zu ersehen, dass damals gleichzeitig die sog. Seelenkapelle angebaut wurde. Im Dachstuhl ist an einem Stützbalken in barocken Ziffern die Jahreszahl „1742“ eingeschnitzt worden und dokumentiert damit dessen Errichtung nach einer Erhöhung der Außenmauern in diesem Jahr. Die in die Emporensäule eingeschnitzte Jahreszahl „1748“ erinnert an die anschließende Barockisierung; denn es versteht sich von selbst, dass nach diesen gravierenden Baumaßnahmen das Kircheninnere neu gestaltet werden musste.
Das herrliche Deckengemälde mit der Glorie des heiligen Martin dürfte damals von dem Künstler Johann Adam Schöpf geschaffen worden sein. Die Altäre, vor allem die Seitenaltäre, standen ursprünglich woanders und sind nach Münster gekommen. Vor allem der nördliche Seitenaltar aus der Renaissancezeit stammt im Hinblick auf die in der Predella angebrachten Wappen (Preu zum Findlstein, Schrenk-Notzing und Kürmreuther) offenbar aus der Preu-Kapelle in Straubing St. Jakob.
1789 sollte die Kirche abgebrochen werden
Im Jahre 1789 stellte das Straubinger Stiftskapitel beim Bischöflichen Ordinariat den Antrag, den Abriss der Martinskirche zu gestatten, da das alte Pfarrgotteshaus nur noch zu jährlich vier Quatember-Messen genutzt werde und viel zu eng für die Gemeinde sei. Man hat sich dabei auf das Tridentinische Konzil und den landesherrlichen Erlass von 1770 bezüglich „unnötiger Kirchen und Gotteshäuser“ berufen. Gleichzeitig hat man die Verlegung der Messen mitsamt dem St. Martins-Altar in die Tiburtiuskirche vorgeschlagen. Die Erlaubnis für den Abbruch ist vom Ordinariat am 24. September 1789 erfolgt. Gegen dieses Ansinnen wehrte sich die Bevölkerung von Münster. Der Erhalt dieses ehrwürdigen, erst wenige Jahre zuvor wohl auch mit Spendengeldern an- und umgebauten, historischen Bauwerks war den Leuten eine Herzensangelegenheit. Man verzichtete schließlich auf einen Abbruch, jedoch musste die politische Gemeinde künftig die Baulast übernehmen – und das bis zum heutigen Tag.
Die ehemalige Pfarrkirche St. Martin in Münster ist ein kunsthistorisches Kleinod. Es dient heute als Neben- und Friedhofskirche verschiedenen Zwecken, nicht nur als ansehnliches und würdevolles Leichenhaus, sondern auch als Ausweichmöglichkeit für die Gläubigen bei Renovierungsarbeiten in der benachbarten Tiburtius-Pfarrkirche oder am Palmsonntag als Sammelort für den Palmumzug. Die Gemeinde kann sich rühmen, mit der St. Martinskirche ein besonderes kulturgeschichtliches Baudenkmal, das zusammen mit der ehemaligen romanischen Stiftskirche St. Tiburtius und dem spätgotischen Pfarrhof ein einmaliges geistliches und kulturelles Ensemble bildet, für die Bevölkerung und für die Nachwelt erhalten zu haben.
Quelle: Hans Agsteiner, in: Bogener Zeitung vom 8. März 2016 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)
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