1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 54 B Tagebuch aus dem Zweiten Weltkrieg 1939-1945 - Teil 2
Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
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Vom Militärgouverneur zum Bürgermeister von Mitterfels bestimmt: Albert Dietl sen., Nicht-Mitglied bei der NSDAP. - Vergrößern durch Anklicken!
Tagebuch aus dem Zweiten Weltkrieg 1939-1945 - Teil 2: Nach dem Einmarsch der Amerikaner am 25. April 1945
[... ] Ich stand am nächsten Tag, 26. April, schon um sechs Uhr auf und ging vor die Haustüre. Eben flogen einige deutsche Jäger über Mitterfels, die sofort heftig beschossen wurden.
Was fast 1000 Fünfzentnerbomben der Amerikaner nicht vermocht hatten, erledigten Pioniere der Wehrmacht mit wenigen Kilogramm Dynamit, bevor die US-Amerikaner am 26. April 1945 in Bogen einmarschierten. Der Mittelteil der Eisenbrücke versank in den Fluten. Foto: Privatarchiv H. Erwert (Vergrößern durch Klick ins Bild!)
Um 7 Uhr sollte das Totenamt für den gefallenen Max Binnermann sein; aber es musste verschoben werden, da sich niemand bis zur Kirche wagte. Um diese Zeit verließen die einquartierten Soldaten das Pellkoferhaus, um ¾ 8 Uhr räumten sie auch das Lehrerhaus. Wir waren begierig zu sehen, wie es daheim wohl aussah. Es war wenig beschädigt; die Möbel waren intakt; nur unter unseren Eiern, den Äpfeln und den eingeweckten Früchten hatten die Einquartierten tüchtig aufgeräumt. Wir waren gerade bei der Säuberung, als der Vater Stolz herbeieilte und sagte, nun müssten sie selber ausziehen. Seine Tochter Fanny hatte schon alles bereit und zog eben ein Wägelchen mit Hausrat über den Dorfplatz. Die wertvolleren Sachen von Stolz lagerten wir in unserem Holzschuppen ein; dann fingen wir selber wieder zu packen an, versteckten allerhand und legten die Koffer auf das Wägelchen. Unser gestriges Abendessen stand noch auf dem Tisch; denn die Amerikaner rührten keine zubereiteten Speisen und keine offenen Flaschen an. Wir hatten keinen Appetit.
Nun wurde eine Ausgangssperre verhängt. Niemand durfte die Häuser verlassen; nur zwischen 8 und 9 Uhr morgens und von 4 bis 6 Uhr nachmittags durften wir auf die Straße. Es war für die Frauen kaum Zeit, zum Krämer, zum Metzger oder an den Brunnen zu gehen, um das Notwendigste zu besorgen, soweit man es überhaupt bekam. Vor den Läden bildeten sich in der kurzen Stunde lange Schlangen. Die übrige Zeit waren wir Gefangene, dazu oft noch in fremden Häusern.
Die Männer bekamen bald den Befehl, nachmittags zwischen 4 und 6 Uhr die Panzersperren bei der Höllmühle zu beseitigen. Ich war froh; so kam ich wenigstens ins Freie. Mit Pickeln und Schaufeln machten wir uns an die Arbeit, brauchten lang dazu, da wir viel zu schauen hatten. Kaum war die Sperre beseitigt, strömte es die Steinburger Straße hinunter, zahllose Geschütze, Lastwagen, Transporter; ich zählte gegen 400 Panzer. Viele Fahrzeuge wurden von Schwarzen gesteuert, die uns liebenswürdig anlachten. Moosmüller arbeitete neben mir. Er erzählte, dass die Amerikaner bei ihm ein Sammellager für Gefangene und Verhaftete eingerichtet hätten. Als erster wurde der stellvertretende Ortsgruppenleiter Hausladen eingeliefert; amerikanische Militärpolizei hätte Hausladen ein Zeichen in das Haar am Hinterkopf geschnitten, sie hätten ihn wohl für einen Mann des Sicherheitsdienstes gehalten.
Eine amerikanische Panzerabteilung im Vorderen Bayerischen Wald. (Repro: AK Heimatgeschichte Mitterfels, Fotograf unbekannt) - Vergrößern durch Anklicken!
Panzer, Tankwagen und Militärfahrzeuge auf den Dorfstraßen
Auf dem Weg nach Hause sah ich dann, dass die lange Dorfstraße bis zum Amtsgericht voll war mit leichten und schweren Panzern, Tankwagen und Sanitätsautos. Militärpolizisten mit gelben Streifen um die Helme standen zwischen den Fahrzeugen. Alle Häuser wurden eben wieder mit Soldaten belegt, bis hinaus nach Scheibelsgrub. Auf den Straßen wimmelte es von Frauen und Kindern, die Unterkunft für die Nacht suchten; neben den Einheimischen waren das etwa 500 Flüchtlinge.
Um sieben Uhr abends kam auch zu uns ein Amerikaner und erklärte uns: "Wir hier schlafen, morgen 12 Uhr wieder fort. Jetzt raus!" Wir verteilten uns: Stolz zog zu Jakob, meine Frau zur alten Käserin, ich zu Wintermeier, die Flüchtlinge, die ich beherbergte, zogen in das Massenquartier ins Schulhaus, die Familie Stadler zu Verwandten. Was sollten wir sonst tun!? Widerstand wäre lächerlich gewesen. Wir tauschten unsere Erfahrungen aus. Überall zeigten die Soldaten eine große Vorliebe für Eingemachtes und Eier; aber sie nahmen auch Schreibmaschinen, Fahrräder, Wecker, Rasierapparate, Füllfederhalter mit. Wenn die Frauen diesen abhanden gekommenen Gegenständen nachtrauerten, trösteten wir Männer sie, dass so etwas in jedem Kriege üblich sei, dass auch die deutschen Soldaten manches mitgehen ließen. Wir mussten uns bald zum Schlafen zurückziehen. Das Licht wurde gesperrt. Eine lange, finstere Nacht begann. Die Haustüren mussten wieder offenbleiben, was vielen Frauen, deren Männer im Krieg waren, große Angst einjagte. Spät am Abend kamen zwei Soldaten und kontrollierten die Wohnungen. Sie verlangten von mir Schnaps, wiesen aber die angebrochene Weinbrandflasche zurück; einer meinte "Mord"! Ich trank vor ihren Augen aus der Flasche; es half nichts. Sie verlangten eine geschlossene Flasche mit Etikett. Bei Stadler klopfte ein Soldat abends um 10 Uhr an die Haustür und fragte nach einer Frau mit blonden Haaren. Man sagte ihm: Fort. Er fragte: Uttendorf? Antwort: ja. Den Soldaten war der Umgang mit deutschen Zivilisten streng verboten, trotzdem suchten sie Anschluss, besonders natürlich an Frauen. Doch ließen sich, wenigstens anfangs, nur fremde Frauen herbei. Lockmittel waren Schokolade, Kaffee, Zigaretten, auch Schmuck. Etwas später, im Juni und Juli, sah man auch einheimische Mädchen mit Amerikanern gehen.
Den ganzen 27. April warteten wir sehnsüchtig, bis wir wieder in unsere Wohnungen zurückkehren konnten. Doch überall in der Nachbarschaft lagen noch die Einquartierungen, bei Hornauer, Süß und Schmid, in der Gendarmerie.
Erst am 28. April waren wir alle wieder daheim. Wir gingen ans Abspülen und Aufräumen. Alle Tassen und Teller waren benützt, auf den beiden Herden war fleißig gekocht worden, namentlich Eier. In dieser Nacht werden uns etwa 100 Stück weggekommen sein. Butter lag auf dem Fußboden; in meinem Wohnzimmer fand ich noch zwei aufgeschlagene Feldbetten, woraus ich schließen konnte, dass das nicht die letzte Einquartierung war.
Die Tage der „wilden Gerichte“ und der Flucht deutscher Soldaten
Von Gefechtstätigkeiten merkten wir wenig. Cham und Straubing waren amerikanisch. SS-Einheiten hatten die Donaubrücken in Bogen und Straubing nochmals gesprengt. Nur einzelne Nester kämpften noch unsinnig weiter.
Wir waren ohne Zeitung, und da es keinen Strom gab, auch ohne Radionachrichten. Es gab daher die wildesten Gerüchte: Straubing ist fast ganz zusammengeschossen; in München tobt ein Aufstand; die deutsche Armee hat kapituliert; Hitler ist gefangen, und Göring hat sich selber erschossen.
Die gesprengte Donaubrücke in Straubing (Foto: Stadtarchiv Straubing) - Vergrößern durch Anklicken!
Die Amerikaner hatten bei Todesstrafe verboten, deutsche Soldaten aufzunehmen, zu verpflegen oder ihnen Unterkunft zu geben. Es hielten sich aber in den Wäldern noch viele versteckt. Schon am 20. April war ich auf deutsche Soldaten gestoßen. Heimat war ihre Losung, Heimat im fernen Osten, Westen oder im Norden. Sie waren froh, das nackte Leben aus dem Kampf gerettet zu haben; und sie scheuten die offene Straße, um nicht den Amerikanern in die Hände zu fallen, ein Los, das sie früher oder später doch ereilte. Zu zweien oder dreien traten sie wie Rehe aus dem Wald, über Felder oder Wiesen huschten sie, zwischen Strohhaufen, um dann wieder im gegenüberliegenden Wald zu verschwinden. Meist führte ihr Weg über die Stegmühle, Kreuzkirchen, die Wenamühle, Neumühle, Höllmühle nach Buchberg. Bei den Bauern der umliegenden Gehöfte nächtigten sie, oft 30 und 40 auf einem Hof, zufrieden mit einem Stück Brot und etwas Suppe. Sechs Wochen dauerte dieser Strom schon an, nun begann er allmählich zu verebben. Jene, die aus Gefangenenlagern kamen, besaßen einen Ausweis, von den Amerikanern ausgestellt, und zogen geradewegs heim. Aber die meisten hatten nichts. Manche Bauern und besonders Bäuerinnen, deren Männer noch nicht daheim waren, wurden aber auch ängstlich, fürchteten um ihr Leben und ihren Hof. Bei Frau Betz in Herrnberg erbat sich ein SS-Mann Wasser zum Waschen, war aber aus dem Stadel nicht mehr herausgekommen. Sie rief amerikanische Soldaten zu Hilfe. Gleich fuhren 52 von diesen mit leichten Panzerwagen auf den Hof, aber das Nest war leer. Bei Piendl im Kapflhof fanden die Amerikaner SS-Uniformen, worauf sie das ganze Anwesen durchstöberten, zuvor aber die Bewohner aus dem Haus trieben. Zwei SS-Soldaten ohne Abzeichen kamen zu Maria Engl in Eisenhart und verlangten Unterkunft. Ein in der Nähe arbeitender Mann sagte ihnen, dass es verboten sei, SS-Leute aufzunehmen. Die zwei drohten, das Anwesen anzuzünden, gingen aber dann eilig weiter.
Am 30. April hörten wir Schüsse weit im Süden. Es hieß, SS-Gruppen beschossen vom Bogenberg aus Ittling jenseits der Donau. Alle Ämter waren geschlossen seit dem Tag, da die Amerikaner die Gegend besetzt hielten. Nur beim Bürgermeister ging es in den wenigen Stunden erlaubter Ausgangszeit wie in einem Taubenschlag zu. Bei ihm wurden Marken ausgegeben, Nahrungsmittel verteilt; entlassene Soldaten meldeten sich an.
Erst am 11. Mai durfte sich die Zivilbevölkerung von 6 Uhr morgens bis 8 Uhr abends im Freien aufhalten. Nun konnten wenigstens die Bauern und Handwerker ungestört arbeiten. Wir durften uns aber nur drei Kilometer, später sechs Kilometer im Umkreis des Ortes bewegen. Militärstreifen überwachten dieses Gebot. Am 12.Juni wurde der Sperrkreis auf 20 Kilometer erweitert.
Am 4. Mai mussten die Häuser Plank und Zimmermann wieder geräumt werden. Auch die Gastwirtschaften sollten neue Einquartierung erhalten. Die dort wohnenden Evakuierten warteten das erst gar nicht ab, sondern zogen mit Sack und Pack, ihre Kinder an der Hand, in die auf dem Bahnhof stehenden Eisenbahnwagen. Wir verbargen wieder einige Sachen und fingen zu packen an; doch die Amerikaner blieben nicht, sondern zogen nach einigen Stunden wieder ab.
Am 5. Mai brach ich um ½ 7 Uhr früh nach Bogen auf, obwohl man sich damals nur drei Kilometer weit bewegen durfte. Ich hatte meinen Wehrpass bei mir und wollte in Bogen allerhand einkaufen, kam auch gut hin. Um 9 Uhr wollte ich wieder heim. Gleich darauf hielt mich aber ein Ami-Auto an. Einer der Insassen deutete lebhaft auf seine Armbanduhr, um anzuzeigen, dass die Ausgangszeit bereits überschritten sei. Ich musste wieder umkehren und bis 4 Uhr nachmittags beim Hiendl Naz in der Wirtschaft bleiben. Dann konnte ich nach Hause gehen. Das elektrische Licht brannte nun wenigstens wieder. Brot gab es noch nicht; wir kauften auf unsere Marken Mehl und baten die Bauern, für uns zu backen. Immer wieder versuchten Frauen, bei Sand über die Donau zu setzen, um nach Straubing zu kommen. Nur wenigen gelang es aber, einen Kahn zu bekommen. Den meisten wurden die Räder mit Benzin übergossen und angezündet, vor allem wenn sie keine Ausweise hatten.
Am 6. Mai meldete ich mich, den Anordnungen gemäß, auf der Gemeindekanzlei als ehemaliges Parteimitglied, als SA- und Volkssturmmann.
9.Mai. Bei Stiegler, Plank und in der Gendarmerie gab es wieder Einquartierung. Dafür wurden heute die in der Umgebung hausenden Belgier und Franzosen mit Lastwagen abtransportiert, alle natürlich in bester Stimmung.
10.Mai. Die amerikanischen Soldaten haben aus den Häusern alle Fahrräder genommen und radeln damit wie verrückt auf dem Dorfplatz herum. 314 Ungarndeutsche, die bisher in Scheibelsgrub und bei Moosmüller lagen, packten heute ihre Sachen in Kisten, Koffer, Säcke und große Schachteln, stellten alles vor dem Gasthaus Abriel ab. Immer noch kamen Fuhrwerke von Bauern und Wirten und brachten Hausrat und Gerümpel, nun auch von den Rumäniendeutschen. Dann wurde alles, Menschen und Gepäck, auf Lastwagen verladen, und ab ging es nach Cham. Dort saßen sie noch am 14. Juni und wären wohl gern wieder bei uns heraußen gewesen.
Amerikanisches „Lagerleben“ im Dorf
11.Mai. Vor unserm Haus, zwischen der Kirche und dem Pfarrhaus, stand die Feldküche der "Amis", ein großer Lastwagen, mit einer Plane überzogen, darauf mehrere Öfen mit Ölfeuerung. In zwei runden Tonnen kreisten die Spülapparate in dem heißen Wasser. Das Essen wurde morgens, mittags und abends ausgegeben, sehr reichlich, wie wir sahen. Was an Speisen übrigblieb, wurde von den Soldaten in ausgehobene Gruben geschüttet. Eine Menge von Kindern lauerte stets herum und wartete auf Keks, Zigarettenstummel und leere Dosen. Es war widerlich anzusehen, aber ein erschütterndes Zeichen unserer Not.
Die Ausgehzeit war nun auf sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends ausgedehnt; man brauchte auch nicht mehr zu verdunkeln. Viele Soldaten schliefen bei dem warmen, schönen Wetter im Freien, unter der Kastanie, im Sommerhäuschen des Pfarrhofs, in Autogaragen oder lagen auf der Straße in Bettgestellen aus dem ehemaligen Arbeitslager in Furth. Bis spät in die Nacht hinein hörten wir Musik und die amerikanischen Unterhaltungssendungen aus den Lautsprechern, die lauten Gespräche und das Lachen der Soldaten. Das Wasser im Dorfbrunnen wurde allmählich weniger.
Am 13. Mai bestahlen Kinder amerikanische Soldaten, und die Erwachsenen sahen zu. Der Ortskommandant ließ Herrn Pfarrer Brettner holen und drohte allen Einwohnern scharfe Strafen an: Verkürzung der Ausgangszeit, Strafeinquartierung mit Militärpolizei, Wachdienst durch Streifen von deutschen Zivilisten, sogar Plünderung der Häuser. Erbitterung und Niedergeschlagenheit herrschten im Dorf.
14. Mai. Die Feldküche und die Soldaten rückten wieder ab. Auf dem Dorfplatz standen aber auch drei Lastautos mit deutschen Soldaten und Zivilisten, die alle den Weg in die Gefangenschaft machten.
Es wurde ruhig im Dorf; von Zeit zu Zeit brachten Autos deutsche Gefangene in das Amtsgerichtsgefängnis. Der 15-jährige Junge aus München, der sich auf dem Teufelsfelsen mit einem Revolver erschoss, wurde beerdigt. Er hatte mit seiner Mutter bei Gürster gelebt. Auf den Landstraßen war jetzt ein ewiges Hin und Her: Männer und Frauen gingen an die ihnen befohlenen Arbeitsplätze, jeden Tag viele Kilometer. Die Bahn verkehrte noch nicht, deutsche Autos und Lastwagen gab es fast keine. Ich ging vor dem Dorf eine kurze Wegstrecke mit einem Maurer aus Steyr bei Linz. Seit der Einnahme von Magdeburg war er unterwegs; jeden Tag 30 bis 40 Kilometer. Er wurde oft von Streifen angehalten und war nun doch bis Kreuzkirchen gekommen, die gute Hälfte seines Heimwegs.
Am 17. Mai wurden auf Befehl des amerikanischen Ortskommandanten die 24 ermordeten KZ-Häftlinge feierlich beerdigt. Männer von Scheibelsgrub exhumierten die Leichen und betteten sie in Doppelsärge. Die Bretter dazu hatten die Bauern unserer Gemeinde gespendet. Beim Feldkreuz auf der Steinriesel sammelten sich die Trauergäste.
Einen Teil der Särge fuhr der Bauer Anton Hafner vom Straßhof, die anderen brachte Johann Bachl von Miething über Kreuzkirchen. Dem Wagen folgten die Trauergäste trotz des durchdringenden Leichengeruches. Im westlichen Teil des Mitterfelser Friedhofes war ein großes Massengrab ausgehoben. Meist wurden zwei Särge in der Grube aufeinandergestellt. Geistlicher Rat Brettner und nach ihm Bürgermeister Schmatz geißelten die verabscheuungswürdige Tat der SS-Leute. Ein polnischer Offizier sprach dann am Grab den Dank für die ehrenvolle Bestattung aus; auch er wusste keine Namen der Ermordeten. Die Erde wurde auf Anordnung der Amerikaner mit Moos bedeckt und dann auf dem Grab ein Denkmal errichtet.
Am 17. Mai zogen die ein einquartierten Amerikaner ab, nach Cham und Roding, wie es hieß. Sie ließen noch allerhand Geschirr mitgehen, Damenwäsche, die sie den ihnen zu Diensten stehenden Weibern schenkten. Die Verluste trafen vor allem diejenigen schwer, die selber alles verloren hatten. Die Knappheit an Waren gab sich nach dem Abzug der vielen Volksdeutschen ein wenig. Nach diesem ersten Transport stieg bei vielen Evakuierten die Hoffnung, nun auch bald wieder in die Heimat zu kommen. Es lagen viele in schlechten Massenquartieren, und auch die Einheimischen wären gern wieder allein gewesen.
Gerüchteküche aus Informationsmangel
Am 19. und 20. Mai gingen schwere Gewitter nieder. Wir waren immer noch ohne Zeitung, erfuhren auch über den Rundfunk nur wenig von der Welt. Wieder liefen die unsinnigsten Gerüchte um: Hitler sei an seinen Verwundungen gestorben, oder spurlos verschwunden, mit einem U-Bootnach Japan entkommen. Die Amerikaner stritten sich mit den Russen, hieß es. und hätten deswegen um Linz und Wien große Truppenmassen zusammengezogen. Jedenfalls fuhren die Treckfahrzeuge der Deutschen aus dem Osten Tag für Tag durch die Gegend. Auch beim großen Flurumgang nach Buchberg am 21. Mai wurde mehr geflüstert und politisiert als gebetet. Die Tschechen sollen einen Tag der Rache veranstaltet und alle Deutschen, die in ihre Hand gerieten, getötet haben. Aber die Saaten standen herrlich, und die Wiesen waren nach den kalten Tagen in voller Pracht. Am 22. Mai erschienen plötzlich deutsche Flugzeuge in der Luft. Doch waren es amerikanische Flieger, die auf deutsche Maschinen umgeschult wurden. Wir hörten, dass Frau Lauk nach einer eindringlichen Belehrung aus dem Mitterfelser Gefängnis entlassen worden sei. An diesem Tag las ich die erste Zeitung, die "Frankfurter Presse", eine Ausgabe der 12. amerikanischen Heeresgruppe für die deutsche Zivilbevölkerung. Da erfuhr ich denn, was wirklich vorgefallen war. Der Krieg war aus, schon seit 14 Tagen; Keitel und Jodel hatten bedingungslos kapituliert.
Generaloberst Alfred Jodl (am Tisch 2. von rechts), zuvor von Karl Dönitz dazu autorisiert, hatte die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945 in Reims unterzeichnet. (wikipedia commons/Franklin D. Roosevelt Library) - Vergrößern durch Anklicken!
Als erstes freies Blatt – ohne NS-Propaganda – konnten die Aachener Nachrichten mit dem Titel „Der Krieg ist aus!“ die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 vermelden. Außer den Aachener Nachrichten verkündeten von Deutschlands Zeitungen an diesem Tag nur noch die Flensburger Nachrichten die Kapitulation. (wikipedia commons/ACBahn) - Vergrößern durch Anklicken!
600 g Fleisch für 1 Monat – Butter gab’s nur theoretisch. „Man lebte von Gemüse, Kartoffeln und Sachen, die man von guten Seelen erhielt.“
Die Notlage schien sich ein wenig zu bessern, doch nur für die Bauern. Diese brachten im Juni und Juli bei günstigem Wetter die Ernte gut herein. Sie hatten zu ihrer Arbeit allerdings kein Bier, sondern mussten Milch trinken. Es blieb also für die übrige Bevölkerung kaum Milch übrig, und es gab deswegen auch keine Butter.
Am 12. Juni wurden die Bauern zwar aufgerufen, nun wieder an die Molkereien abzuliefern; Josef Kräh fuhr wieder nach Steinach, lieferte Milch ab und brachte Butter mit, aber viel zu wenig. Für die 7. Periode der Lebensmittelzuteilung (24. Juni bis 22. Juli) gab es nicht einmal die kleine Butterzuteilung. Auch hier gab es wenig. Bis jetzt hatten die Amerikaner Eier für die Lazarette beschlagnahmt. Am 18. Juni wurde das verboten; so gab es wenigstens ein paar Eier. Fett und Schmalz aber war nirgends zu bekommen; auf Schwarzhandel standen die strengsten Strafen.
Vergleich der Lebensmittel-Zuteilung vom 27. Mai bis 19. August 1945 (6. Bis 8. Periode) (Zusammenstellung: Alois Bernkopf/Franz Tosch) - Vergrößern durch Anklicken!
Die Geschäfte hatten nur einige Stunden am Tag geöffnet. Es gab ja kaum Waren; es gab auch zu wenig Geld unter den Leuten. Am 29. Mai wurden auf der Post zum letzten Mal die dringendsten Renten an Militär- und Unfallrentner ausbezahlt. Damals konnten auch Steuern einbezahlt werden und Einlagen für den Postspardienst. Abhebungen waren aber nur beim Postamt Straubing möglich. Seitdem gab es keine Gehälter, und für uns Beamte war Einkaufen eine Unmöglichkeit; an Wirtshausbesuch war überhaupt nicht zu denken. Seit 1. Juni war die Sparkasse wieder offen, aber man konnte nur höchstens 100 Mark abheben. Inzwischen waren viele entlassene Soldaten heimgekehrt. Sie mussten sich, um Lebensmittelkarten zu bekommen, beim Arbeitsamt Straubing oder der Nebenstelle Bogen melden und registrieren lassen.
Am 11. Juni waren die Quartiermacher der Amerikaner wieder da. Es hieß, durchziehende Truppen, etwa 500, sollen für einige Tage in Mitterfels eingelegt werden. Der Bürgermeister bestätigte das Gerücht, meinte aber, er könne die Truppen leicht im Amtsgericht, in den drei Schulsälen, in der Gendarmerie und den Tanzsälen unterbringen. Vom 15. Juni an wurden die Gerüchte immer lauter, dass die Evakuierten nun bald in ihre Heimat zurückkämen. Gleich erkundigten sich viele schon nach Fahrgelegenheiten. Am 20. Juni brachte tatsächlich ein Lastwagen einige Familien und ihre Habe nach Straubing. Von dort ging es mit dem Güterzug weiter nach Regensburg. Alle Fremden packte nun eine wilde Sehnsucht, wieder heimzukommen; sie wurden ernüchtert, als sie hörten, dass jener erste Trupp am 2. Juli immer noch in einem Regensburger Sammellager hauste.
„Displaced persons“ und 500 Flüchtlinge in Mitterfels erwartet
Die polnischen Verschleppten, "Displaced Persons", waren noch im Land; sie führten sich schlecht auf, bedrohten unter dem Schutz der Amerikaner deutsche Zivilisten, nahmen Frauen und Kindern auf der Straße Fahrräder weg.
Es kam Nachricht, dass drei Millionen Sudetendeutsche ausgewiesen würden. 3000 von ihnen waren für den Landkreis Bogen vorgesehen. Der Markt Bogen konnte aber wegen der starken amerikanischen Besatzung nicht wieder belegt werden; so mussten die Flüchtlinge in die Landgemeinden gebracht werden. Für Mitterfels, hieß es, seien 500 vorgesehen. Es hieß weiter, die Russen stellten Ansprüche auf deutsche Reichsgebiete, ja sogar auf Bayern und Österreich.
Am 23. Juni wurden die Beamten der Gendarmerie und der Polizei wieder in Dienst gestellt, vorläufig und unter der Aufsicht der amerikanischen Militärpolizei und Militärverwaltung in Bogen. Alle Personen über 16 Jahre wurden jetzt registriert und erhielten Ausweise.
Am 28. Juni und an den folgenden Tagen wurden die ehemaligen Ortsgruppenleiter und ihre Stellvertreter aus der ganzen Umgebung von den Amerikanern verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis und am 30. Juni nach Straubing gebracht.
Am 2. Juli ging es wie ein Lauffeuer durchs Dorf: 180 Ami kommen. Bürgermeister Schmatz ging mit dem Quartiermacher durchs Dorf. Das Amtsgericht, das Gefängnis. Abriel, das Schulhaus, das Finanzamt und einige Privathäuser, darunter die zwei von Zimmermann, wurden in Beschlag genommen. Abends um ½7 Uhr wurde das geändert: das Amtsgericht blieb frei, dafür mussten Schmid Alois und Schmid Max, Lohbauer und Berngehrer freimachen. Es waren Amerikaner, die bis jetzt in Gotha in Thürigen stationiert waren. Thüringen besetzten aber jetzt die Russen.
Am 3. Juli kamen sie und hatten deutsche Soldaten als Bedienungsmannschaft bei sich. Doch bald wurden diese wieder entlassen und dafür die herumstreunenden Polen eingestellt. Bei Knott lagen neun Mann, bei Abriel neun Mann. im Schulhaus kampierten acht Mann. Bei Knott war ein Motor aufgestellt, der Strom erzeugte und auch die Batterien von Apparaten und von Radiogeräten auffüllte. Das war den ganzen Tag ein Rattern bis spät in die Nacht, und ein Berg von Benzinkanistern blieb zurück. Die neuen Amerikaner hatten im ersten Lehrsaal der Schule ihre Küche eingerichtet; die restlichen Speisen wurden an die Mitterfelser Kinder verteilt, die sich gierig an die Soldaten drängten, um von ihnen Orangen und Schokolade zu erhalten. Die Amerikaner filmten das gern.
Die Gerichtsverhandlungen der Militärregierung gegen Verstöße der Zivilbevölkerung und das ausgesprochene Strafmaß wurde öffentlich bekanntgemacht. (Archiv Helmut Erwert) - Vergrößern durch Anklicken!
Doch am 20. Juli hieß es, die Amerikaner seien wieder bestohlen worden; seitdem durfte kein Zivilist mehr die belegten Häuser betreten, auch die Speisung der Kinder hörte auf; die guten Sachen wurden jetzt in Blechtonnen geschüttet und vernichtet.
Hausdurchsuchungen und Entlassung „politisch Vorbelasteter“
Vom 21. Juli ab wurden auch im ganzen Bezirk Haussuchungen nach versteckten Waffen durchgeführt. Frühmorgens erschien eine Abteilung Polizeisoldaten und durchsuchte die Wohnungen beim Wintermeier Schmied, beim Benefiziat, bei Frl. Deuter und beim Baumgartner. Während dieser Zeit durften die Leute nicht die Wohnungen verlassen, oder sie mussten sich im Freien aufhalten. Etwa eine Stunde lang durchwühlten die Amerikaner alle Behälter, nahmen mitunter auch Schmuckgegenstände und Uhren mit. Die Durchsuchung war ergebnislos. An diesem Tag sah ich bei Moosmüller einen Personenwagen mit einem roten Stern mit Sichel und Hammer; zwei Personen saßen darin. Es hieß, in Straubing sei eine russische Kommission. Die Straße nach Cham war an diesem Tag, da in Potsdam die "Großen Drei" beisammensaßen, für den Verkehr gesperrt. Das war wieder ein Anlass zu wilden Gerüchten: dass die Tschechen ihren Staat bis zur Donau und Naab erweitern wollten, und dass die russische Kommission Fabriken besichtige, die zu ihren Gunsten demontiert werden sollten.
Nun waren alle Beamten in Mitterfels wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP entlassen worden, zuerst die Parteimitglieder von 1933, dann alle Ortsgruppenleiter, die Angehörigen der SS und des Sicherheitsdienstes, der Gestapo und alle SA-Führer vom Scharführer aufwärts. Bei uns waren es der Bürgermeister, die Lehrer, die paar Beamten der Ämter und die von der Polizei. An größeren Orten wurden die Entlassungen über den Rundfunk bekanntgegeben; in unserer kleinen Gemeinde wurde der Pfarrer verständigt, der dann die Betroffenen benachrichtigen musste. Pfarrer Brettner versuchte, die Entlassungen, vor allem der Lehrer, auf ein sinnvolles Maß zu beschränken. Auch der Benefiziat, Dr. Josef Rußwurm, setzte sich für Vernunft und Gerechtigkeit ein, sammelte Unterschriften für eine Eingabe an die Militärregierung in Bogen. Schließlich wurden die beiden Lehrkräfte, Hauptlehrer Heiß und die Lehrerin Philomena Schindlbeck, wenigstens vorläufig belassen.
Am 14. Juli sperrte die Post zu. Es gab keine Bahnverbindung mehr, es gab auch keine Personen, keine Güter mehr zu befördern; die Telefone waren gesperrt; Briefe und Pakete durften nicht angenommen werden. Am 10. Juli hatte die Militärregierung eine Kurierpost eingerichtet, die dienstliche Postkarten und Briefe der Behörden und Gemeinden beförderte, Privatpost war davon ausgeschlossen.
Für kommende Geschlechter schreibe ich auf, was wir für die 8. Periode der Lebensmittelkarten (vom 23. Juli bis 19. August 1945) insgesamt an Lebensmitteln erhielten: Fleisch 600 g, Fett 500 g, Brot 3700 g, Quark 125 g, Käse 125 g, Kaffee-Ersatz 50 g, Grieß und Teigwaren 200 g, Magermilch 3 ½ l, 10 Pfund Kartoffeln. Es gab noch sehr wenig Zucker und Salz, und man lebte von Gemüse, Kartoffeln und den Sachen, die man gelegentlich von guten Seelen erhielt.
Am 22. Juli wurden wieder einmal Listen angeschlagen: die Namen der aus dem Landratsamt entlassenen Beamten; das waren so ziemlich alle. Daneben wurden auch die Namen der Personen veröffentlicht, die sich gegen die Militärregierung vergangen hatten. Als Straftaten waren angeführt: Diebstahl, Schwarzschlachtungen, Verstöße gegen das Ausgangsverbot, aber auch "Missachtung der Militärregierung". Da wurde die Mitterfelserin Doris Bertram, die einmal Magd bei Feldmarschall Kleist im "Braunen Haus" gewesen war, zu 200 Reichsmark Geldstrafe oder 20 Tagen Haft verurteilt, weil sie die Ami "auf die Kirchweih geladen" hatte. Eine andere Frau stand vor dem Militärgericht unter der Anklage, drei Gewehre vergraben zu haben.
Vom 27. Juli ab mussten sich alle Frauen von 16 bis 45 Jahren und alle Männer von 14 bis 67 Jahren, soweit sie noch nicht registriert waren, beim Arbeitsamt Bogen melden.
Am 2. August gerieten viele Flüchtlinge und Evakuierte in große Bewegung. Alle Nichtdeutschen mussten beim Arbeitsamt Bogen ihre Wiedergutmachungsansprüche melden. Eine ganze Prozession von Männern, Frauen und Kindern setzte sich an diesem Tag nach Bogen in Bewegung. Die Leute wurden dort befragt, wo sie sich in Zukunft aufhalten wollten, welche Berufe sie wünschten, ob sie freiwillig oder gezwungen nach Deutschland gekommen seien.
Entnazifizierungs-Fragebogen (Archiv Helmut Erwert) - Vergrößern durch Anklicken!
Die US-Amerikaner betrieben in ihrer Besatzungszone zunächst selbst eine engagierte, aber auch sehr bürokratische Entnazifizierung. Von jedem Erwachsenen ließen die Amerikaner die von ihnen mit 131 verschiedenen Fragen erstellten Bögen ausfüllen. Bis Weihnachten 1945 gingen knapp 13 Mio. Fragebögen ein, bis Mitte 1946 waren erst 1,6 Mio. bearbeitet.
Ein Beispiel: Der ehemalige Parteigenosse und Komiker Weiß Ferdl wurde im Oktober 1946 in München entnazifiziert. Er wurde in die Gruppe der Mitläufer eingereiht und hatte einen Sühnebetrag von RM 2.000 zu leisten. Zu seiner Entlastung konnte er nachweisen, dass er schon 1935 in Konflikt mit den nationalsozialistischen Behörden geraten und verwarnt worden war, auch dass ihn der Propagandaminister Goebbels persönlich aufforderte, seine „dummen Witze“ über die Partei zu unterlassen. Er habe nie mit "Heil Hitler" gegrüßt.
http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm? image_ id=1012&language=german
Am 4. August wurde bekannt, dass sich eine deutsche Firma angeboten habe, bis 1. Dezember des Jahres die Donaubrücke bei Bogen wieder herzustellen. Dann würden, Gott sei Dank, auch wieder Züge verkehren. In jenen Tagen musste jeder Bewohner ein Formblatt in dreifacher Ausfertigung ausfüllen, mit vielen Fragen. Eines der Exemplare erhielt der Registrierte dann, vom Militärgouverneur unterzeichnet, als Ausweis wieder zurück.
Am 8. August plünderten Banden von Polen draußen in den Einöden und Weilern, drangen in der Dämmerung in die Häuser ein und nahmen mit, was ihnen wertvoll schien. Sie gaben an, sich für die Plünderungen durch die Deutschen zu rächen. In Mitterfels selbst ereigneten sich keine solchen Ausschreitungen. Aber am 14. Oktober brannte das alte Bognerhaus neben der Schule ab, worauf sich rätselhafterweise über der Brandruine bald das Sternenbanner blähte.
Am 28. August richteten die Amerikaner zwei Lehrsäle in der Schule als Speiseraum ein. Sie ließen sich beim Mahl von deutschen Mädchen bedienen, die auch abräumen, abspülen und putzen mussten. Einzelne dieser Mädchen wurden geschlechtskrank, wie ein amerikanischer Arzt aus Regensburg bald feststellte.
Die Aussicht auf den kommenden Winter bedrückte die Mitterfelser. Eine Radiomeldung besagte nämlich, dass alles Gold und Silber beschlagnahmt sei und dass jeder Haushalt nur einen Ster Holz zum Heizen erhalten werde. Auf Kohlenlieferung sollte niemand rechnen. Hoffentlich wird der Winter gnädig werden!
Albert Dietl sen. als Nicht-Parteimitglied zum Bürgermeister bestimmt
30. August. Die Amerikaner drängten darauf, für Mitterfels einen Bürgermeister zu finden, der nicht Parteimitglied war. Schmatz war ein solches gewesen. Schmatz schlug den Landwirt und Kaufmann Albert Dietl, den Wagnermeister Klement Lang und die Landwirte Johann Simmel von Reinbach und Xaver Zollner von Spornhüttling vor. Zuerst lehnte jeder ab, dann wurden sie zum Militärgouverneur in Bogen vorgeladen, und der bestimmte Albert Dietl zum Bürgermeister.
Vom Militärgouverneur zum Bürgermeister von Mitterfels bestimmt: Albert Dietl sen., Nicht-Mitglied bei der NSDAP. (Foto: Archiv Helmut Dietl)
Die neuen Bürgermeister wurden 1945 von der Militärregierung eingesetzt, Sie mussten diese Eidesformel unterzeichnen. (Archiv AK Heimatgeschichte Mitterfels) - Vergrößern durch Anklicken!
Captain Alfred G. Albert, der erste Direktor der Militärregierung für den Kreis Bogen (Archiv Helmut Erwert) - Vergrößern durch Anklicken!
Bei den Amerikanern herrschte ein Leben wie in einem Ameisenhaufen. Es hieß, alle Truppen sollten nun endgültig wegkommen, manchen zum Leid, den meisten Mitterfelsern zur großen Freude. Wir wollten ja auch wieder die Schulsäle für den Unterricht haben.
Schon am 26. August hatten wir die Kinder für die neue erste Klasse eingeschrieben, 23 Buben und 22 Mädchen; 22 von den Kindern waren evangelisch. Aber es lagen noch immer Soldaten im Schulhaus, und sie verließen es nicht, obwohl sie immer wieder ersucht wurden und schließlich von ihrem Gouverneur sogar den Räumungsbefehl erhielten. Es wurde erwogen, die Schule in die Gaststube bei Baumgartner oder in das Bahnhofshotel zu verlegen. Neben der Wiederherstellung der Schulräume war das größte Problem, wer denn nun unterrichten durfte. Die Hamburger Lehrkräfte hatten Mitterfels noch im August 1945 verlassen; aber nun bewarben sich überall im Landkreis Banater Lehrer und Lehrerinnen aus Schlesien, die angeblich nicht in der Partei gewesen waren. Viele von ihnen waren fremdländisch, kannten unsere Sitten und unsere Bräuche nicht, wurden von unseren Kindern nicht verstanden; sie hatten auch sehr oft eine ungenügende und recht zweifelhafte Ausbildung; hatten manchmal überhaupt nicht unterrichtet.
Die bisherigen Lehrkräfte, Karl Heiß und Philomena Schindlbeck, als "politisch Belastete", konnten jedenfalls nicht eingestellt werden. Es war ihnen ein geringer Trost, dass es im ganzen Land so war, dass es z. B. im Schulbezirk Straubing-Land nur zwei einheimische Lehrer mehr gab. Für Mitterfels wurden dann provisorisch Franz Wartner, seine Frau, eine junge Lehrerin, die Frau des Hauptlehrers Heiß und noch eine Banater Lehrerin eingestellt, doch nur für einige Wochen; dann gab es neue Entlassungen.
Hauptlehrer Heiß, der Mitterfelser Chronist, wurde nicht mehr verwendet. Er fuhr am 24. September, dem Tag, an welchem in Mitterfels die unteren Schulklassen den Betrieb wieder aufnahmen, nach Regensburg und kaufte die notwendigsten Dinge: 200 Hefte, 300 Bleistifte, 150 Federhalter, 200 Federn, 45 Griffel und 5 Pakete Kreide, auch noch etwas Papier. Am 23. Oktober 1945 erlag er einem Herzschlag. Die Sorge um eine ungewisse, dunkle Zukunft ertrug er nicht mehr.
Den Heimkehrern, insbesondere der 1953 wiedererstandenen Krieger- und Soldatenkameradschaft, war es ein Anliegen, die Erinnerung an die Gefallenen und Vermissten wachzuhalten. Gedenktafeln mit den Bildern von Kriegsteilnehmern und Kriegsopfern wurden vervielfältigt und fanden in vielen Häusern Aufnahme. Sie alle sind aber unvollständig und lückenhaft.
Die erste Gedenktafel erfasste nur 24 der 55 Gefallenen und Vermissten. (aus: Chronik Markt Mitterfels) - Vergrößern durch Anklicken!
Als aber 1957 das neue Ehrenmal eingeweiht wurde, da hatte man wohl keinen mehr vergessen. Zwei granitene Tafeln tragen die Namen der Opfer beider Weltkriege. Für den Eingang hatte der Schmiedemeister Lankes den Leitspruch in Eisen geformt: "In Treue fest". Zum alljährlichen Gedenken treffen sich hier die Krieger und die Bürger. Zum Ableben eines Kameraden wird die schwarze Fahne aufgezogen.
Die zweite Gedenktafel - Vergrößern durch Anklicken!
Ehrentafel der Gefallenen von 1939/1945:
Achatz Jakob - Angerer Karl - Baumeister Josef - Baumgartner Josef - Beege Günther -Binnermann Max - Bott Norbert, Dr. - Engl Georg - Engl Hans – Engl Otto - Flohr losef - Funke Siegfried - Gabler Fritz - Gattung Karl - Graf Georg - Groß Walter - Gürster Willi - Hainz Georg - Heiß Karl- Hentschel Herbert - Jakob Ludwig - Kartmann Josef - Käser Anton - Käser Josef -Käser Ludwig - Kiefl Josef - Knefely Johann - Kronfeldner Xaver -Lassiwe Walter - Maurer Ferdinand - Maurer Franz - Maurer Nikolaus - Mühlehner Josef -Paulus Alois - Prommersberger Johann - Rothbauer Franz - Sauer Heinz - Schlamp Wendelin - Schleehuber losef - Schleich Franz - Schmid Walter - Schollerer Ottmar -Schubert Richard - Schuster Franz - Stolz Hans - Thums Franz - Tremmel Josef - Wartner Ludwig - Weidl Hans - Weigel Kar! - Wintermeier Alfons - Wintermeier Rupert
... und der Vermissten 1939/1945: Albert Hans - Baumeister Ludwig - Burghardt Anton - Dressler Hans-Jürgen - Fischer Adolf, Dr. - Fuchs Josef - Gebauer Kurt -Graf Josef - Grotz Johann - Hofbauer Ferdinand - Hohle Karl - Holmer Xaver - Kohl Adolf - Kräh Jakob - Lehmann Heinz - Lehmann Richard - Maurer Ludwig - Mauthner Ludwig -Oischinger Ottmar - Petzendorfer Johann - Riepl Xaver - Schätz Gerhard - Steffan Alfred - Stiegler Eduard - Toesko Karl - Tremmel Josef - Wartner Josef
Zusammenstellung aller Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges (Mitterfelser Gemeindebote vom 10.11.1973) - Vergrößern durch Anklicken!
Quellen:
- Karl Heiß, Tagebuch des Zweiten Weltkrieges, aus: Chronik Schule Mitterfels
- Helmut Erwert, Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie; Bilder in: MM 16/2010, Seite 157 ff
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