Der erste "Ami" in Mitterfels - Vom US-Bomberabsturz am 16. Februar 1945 in Unterholzen
Gedenkstein auf dem früheren Melzer-Grundstück in Unterholzen/Haselbach für die 7 US-amerikanischen Piloten, die am 16. Februar 1945 mit ihrem Bomber abstürzten und starben.
Der Gedenkstein wurde am 13. Juli 2013 gesegnet. (Foto: ft)
Sigurd Gall, Der erste "Ami" in Mitterfels
(Quelle: MM 06/2000, Seite 40)
In diesem Bericht wird nicht der Einmarsch der Amerikaner Ende April 1945 abgehandelt, sondern es werden Erinnerungen zurückgerufen, die mit dem Absturz eines amerikanischen Bombers im Februar 1945 in Zusammenhang stehen.
Was ich selbst erlebte:
Der 16. Februar 1945 war ein herrlicher Vorfrühlingstag. Von einem blauen Himmel strahlte die Sonne unverhältnismäßig warm. In jeder Bodenunebenheit sammelte sich das Schmelzwasser. Nur wo die Sonnenstrahlen nicht hinlangten, hielt sich noch Schnee.
Für uns Viertklassler hatte die Schule gerade erst begonnen, wir hatten Nachmittagsunterricht. Hauptlehrer Heiß hatte an die Tafel einige Rechnungen geschrieben, die wir mit mehr oder minder großem Eifer bearbeiteten, während er sich ein wenig von dem anstrengenden Vormittagsunterricht - da musste er die „Großen” unterrichten - erholte; er ging durch die Reihen und warf ab und zu einen Blick auf die Kirchenuhr. Plötzlich erzitterten und klirrten die Fensterscheiben unserer Mitterfelser Schule, ein dumpfes Grollen drang an unser Ohr. Hauptlehrer Heiß blickte aus dem Fenster und meinte: „Das kommt aus Richtung Regensburg.” Wir durften unsere Schulsachen zusammenpacken, der Unterricht war für heute zu Ende. Der Lehrer ermahnte uns noch, möglichst schnell heimzugehen und nicht „herumzustandln”. Uns Kindern aus dem Raum Uttendorf schärfte er extra ein, nicht auf der Straße zu gehen, sondern den Weg über den „Gangsteig” zu nehmen. Dieser alte Schul- und Kirchenweg begann nach dem Attenberger-Haus (Hien-Sölde), führte zum „Bäckerkreuz” (heute Waldringweg 29) und am Nordrand des Waldes entlang zur Höllmühl. Von da folgte der Gangsteig einem kleinen Rinnsal in Richtung Haidbühl und Uttendorf zu den Steigacker-Feldern.
Wir liefen, was Lunge und Beine hergaben, immer auch den Blick nach oben gerichtet, denn wir wussten, dass die Tiefflieger auf alles schossen, was sich bewegte. Wegen der Schneeschmelze war der Gangsteig ab der Höllmühl aber nicht begehbar. Die Lehner Pauline von Haidbühl und der Kuchler Bepp (Josef) von Hagnberg trennten sich von uns und stapften durch den Wald am Sollinger Berg heimwärts. Wir überquerten die Straße zum „alten Weg”, der von der Reiben zur Bahnbrücke und dann nach Osten in Richtung Uttendorf verlief (auch heute noch). Als wir am „Pfannenstiel” aus dem Wald kamen, war auch hier der Weg nicht begehbar. Der Anwanter zwischen dem oberen und dem unteren Pfannenstiel-Feld bildete eine etwa 1 m hohe Terrassenstufe (heute eingeebnet); wegen der Nordhanglage war der Schnee hier noch nicht geschmolzen sondern fast zu einem Eisblock gefroren. Wir hatten etwa 100 m auf diesem Schneefeld zurückgelegt, da ließ uns das Dröhnen einer Vielzahl von Bombermotoren fast das Blut in den Adern stocken. Wir legten uns auf den Schnee; wir Buben begannen die Flugzeuge zu zählen, während das Brandl-Mädchen ein Gebet nach dem anderen zum Himmel schickte. Immer neue Bomber-Staffeln flogen aus westlicher Richtung dem Dachsberger Höhenzug zu.
Auf einmal bemerkten wir bei einem Bomber eine Rauchfahne. Die nachfolgenden Maschinen verschwanden in der immer kräftiger und dunkler werdenden Qualmwolke. Es folgte ein dumpfes Krachen. Der brennende Bomber war explodiert und trudelte spiralförmig dem Erdboden entgegen. Ein Explosionsknall ließ die Luft erzittern, und die aufsteigende Rauchsäule markierte die Absturzstelle (hinter dem SchmelzerHaus in Dachsberg). Da keine Tiefflieger zu sehen waren, liefen wir jetzt heimwärts, den Blick immer nach Dachsberg gerichtet, denn herniederschwebende Fallschirme erregten einerseits unsere Neugier, andererseits flößten sie uns aber auch Angst ein. Mein Klassenkamerad, der Santl Hans, lief einige Schritte vor mir. Da streifte eines der vielen glitzernden und funkelnden Aluminiumtrümmer des zerborstenen Flugzeugs seinen Schulpack, riss den aus dem Schulranzen hängenden Tafellappen ab und hinterließ auf dem Leder eine „Narbe”. Sofort hakten wir am Schlüsselbein mit den Daumen unter die Riemen und zogen den Schulranzen über den Kopf; so liefen wir den Hohlweg nach Uttendorf hinauf.
Am Ende der Hohlgasse trafen wir auf den Nachbarn Franz Schlamminger († 1947). Als Volkssturmmann hatte er sein Gewehr geschultert und schritt den Anger hinab und hinüber nach Maisenthal. Dort war einer der Fallschirme niedergegangen. Der Schirm hatte sich im Geäst eines Baumes verfangen, der Springer hatte sich dabei kleinere Verletzungen zugezogen. Im Hause Zollner (in Maisenthal) wusch sich der „Feind“ das Blut aus dem Gesicht. Man setzte ihm eine Schüssel mit Milch vor, die er dankbar annahm und austrank. Gegenüber Franz Schlamminger hob er sogleich die Hände zum Zeichen, dass er sich ergeben hat. Er deutete auf seine in einer Seitentasche befindliche Pistole. Franz Schlamminger vertraute dem Mann und gab ihm seinerseits zu verstehen, er solle sie stecken lassen. Herr Schlamminger übergab den Gefangenen an Gendarm Fuchs von Mitterfels. Beim Gang durch das Dorf zum Gefängnis sahen viele Mitterfelser erstmals einen „Ami”.
Was sich beim Absturz noch ereignete:
Den ganzen Nachmittag stieg über dem Dachsberg Rauch empor und ständig hörte man das Explodieren der Bordmunition. Der Bomber war offensichtlich bei dem Angriff auf die Messerschmitt-Werke (Flugzeugbau!) in Regensburg angeschossen worden. Die Pilotenkanzel mit den Tragflächen und den vier Motoren steckte hinter dem Melzer-Haus im Boden, Rumpf und Leitwerk lagen abgetrennt in der „Bärngrej”. Ein zweiter Fallschirm war auf dem Stadeldach von Haus Hans (Hans Schmid) gelandet. Der Soldat hängte einige Dachziegel aus, sprang auf den Heustock nieder, entledigte sich hier seines Fallschirms und suchte sein Heil in der Flucht. Man erzählte damals, dass sich noch ein dritter Amerikaner mit dem Fallschirm retten konnte. Näheres ist mir dazu nicht bekannt.
Drei Besatzungsmitglieder waren in der Kanzel völlig verbrannt. Vier tote Flieger fand man in der Nähe der Absturzstelle. Sie waren zu Tode gestürzt, weil sich entweder ihr Fallschirm nicht öffnete oder weil beim Ausstieg aus der brennenden Maschine das Feuer die Haltegurte der Schirme versengt hatte. Der Bomber hatte offensichtlich seine Bombenlast nicht völlig über dem Ziel in Regensburg abwerfen können, denn eine herabfallende Bombe war in der Nähe der Absturzstelle explodiert, während einige Blindgänger nur tiefe Krater im aufgeweichten Boden hinterließen. Diese Blindgänger wurden ausgegraben und von Spezialisten entschärft. In der Woche vom 5. - 8. März 1945 wurde das Flugzeugwrack nach Straubing geschleppt.
Vier tote Amerikaner wurden am 17. Februar 1945 auf dem Friedhof in Haselbach beerdigt, drei weitere, die man in den darauffolgenden Tagen erst fand, wurden am 22. Februar beigesetzt. Alle sieben wurden ein Jahr später exhumiert und in die USA überführt. Bei diesem Anlass - niemand weiß es mehr genau - dürfte sich folgende Begebenheit zugetragen haben: Jener erste Ami in Mitterfels, der bei Maisenthal sich mit dem Fallschirm retten konnte, stattete der Familie Zollner in Maisenthal einen Besuch ab und bedankte sich für die warmherzige Behandlung bei seiner Gefangennahme im damaligen Feindesland.
Eintrag ins Sterberegister 1890 - 1973, Seite 7, der Gemeinde Haselbach.
Die toten Amerikaner wurden nicht mit einer laufenden Nummer eingetragen, sondern sind in der Spalte „Anmerkungen” aufgelistet.
Anmerkungen:
1. Alle Daten hat Frau Maria Brembeck, die Mutter unseres großen heimatkundlichen Sammlers Josef Brembeck, in einem Kalender festgehalten.
2. Einige kleinere Bruchstücke des Bombers befinden sich noch im Besitz von Josef Brembeck.
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