Mitterfels
Volkstrauertag. Den Weg des Friedens gehen
Am Kriegerdenkmal in Mitterfels erinnerte Bürgermeister Andreas Liebl an die Verpflichtung, täglich den Weg des Friedens zu gehen. Foto: Elisabeth Röhn – Vergrößern durch Anklicken!
Feier des Volkstrauertags in den Gemeinden der VG Mitterfels
Mitterfels: Traditionell gedenkt die Marktgemeinde mit der Krieger- und Soldatengemeinschaft am Volkstrauertag der gefallenen und vermissten Soldaten der beiden Weltkriege.
Zunächst mit einem feierlichen Gottesdienst und der Schubertmesse in der Heilig-Geist-Kirche, wo Konrad Feldmeier sen. und Hans Attenberger die lange Liste der Kriegsopfer aus Mitterfels verlasen und von Ben Schlicker ein Solo des „Guten Kameraden“ geblasen wurde. „Jesus ermutigt uns zum Frieden“, betonte Pfarrer Pater Daschner. „Wir können etwas tun und gegen das Böse eintreten.“
Seit 2005 nimmt Oberst a.D. Henner Wehn im Gottesdienst Stellung zum Volkstrauertag. [Rede in voller Länge siehe unten!] Beide Weltkriege seien grauenvolle Höhepunkte der jüngeren deutschen Geschichte gewesen, der staatlich angeordnete Gedenktag solle die Menschen über alle Parteien, Religionen und Grenzen hinweg in Gedanken an die Kriegstoten und alle Opfer von Gewalt zusammenführen. An der Botschaft des Volkstrauertages habe sich nichts geändert. Man sei sich einig gewesen „Nie wieder Krieg in Europa!“ Bis zum 24. Februar sei man sicher gewesen, so etwas nie mehr erleben zu müssen, bis zum Krieg in der Ukraine, und niemand wisse, wie und wann der Krieg zu Ende geht. Der Krieg in der Ukraine um Freiheit und Demokratie habe die unumstößliche Sicherheit von „nie wieder Krieg“ zerbrochen, habe unsagbares Leid auf beiden Seiten geschaffen und erfülle uns mit Angst und Ohnmacht, betonte Pater Dominik bei der Gedenkfeier am Kriegerdenkmal.
Sein Gebet galt den Opfern der Kriege „Lass uns die Hoffnung auf Frieden nicht verlieren.“ Auch Bürgermeister Andreas Liebl erinnerte an die ungeheuerlichen Folgen der Weltkriege, kaum eine Familie sei verschont worden. Inzwischen habe man sich an ein Leben in Freiheit, Demokratie und Frieden gewöhnt. Nun sei der Krieg nach Europa zurückgekehrt mit Bildern von Menschen, die vor Bomben fliehen, die sich von ihrer Familie trennen oder für immer aus der Heimat fliehen müssen. Doch gerade in diesen Zeiten müsse man alles tun, um die Gesellschaft zusammenzuhalten und Spaltung zu vermeiden.
„An einem Tag wie heute erinnern wir uns an die Verpflichtung, gemeinsam daran zu arbeiten, dass dem Bösen in der Welt stets Gutes entgegensteht. Der Volkstrauertag muss für uns Aufforderung sein, tagtäglich den Weg des Friedens zu gehen.“
Gedanken zum Volkstrauertag von Henner Wehn:
Seit 2005, also seit 18 Jahren, habe ich die Ehre, am Volkstrauertag hier eine kleine Ansprache zu halten.
Warum gibt es diesen Tag 78 Jahre nach Kriegsende in Deutschland überhaupt noch?
Konfuzius, ein chinesischer Philosoph, der ca. 550 vor Christus lebte, hat vor also ca. 2500 Jahren den Satz formuliert: „So wie ein Volk seine Toten verehrt, so offenbart sich seine Seele vor Dir!“
Der Volkstrauertag ist staatlich angeordnet und soll die Deutschen über alle Parteien, Religionen und andere gesellschaftliche Grenzen in Gedanken an die Kriegstoten und alle Opfer von Gewalt zusammenführen. Er soll über die natürlich immer mehr nachlassende persönliche Trauer hinausgehen. Auch Großbritannien, Frankreich, die USA und viele andere Länder begehen so einen nationalen Gedenktag. Trotzdem dient er auch noch weiterhin der individuellen Trauer der Angehörigen, die damals eine wichtige Bezugsperson ihres Lebens verloren haben, und auch heute noch - nach über siebzig Jahren seit Kriegsende - ihre persönliche Trauer über den Verlust eines Familienangehörigen spüren. Denn der erste und der zweite Weltkrieg waren grauenvolle Höhepunkte der jüngeren deutschen Geschichte. So wie es der chinesische Philosoph Konfuzius formuliert hat.
Diese Erinnerung gehört zu unserer individuellen und nationalen Identität. Unser Gemeinde Mitterfels gibt dafür ein gutes Beispiel. Am Volkstrauertag gedenken wir auch heute wieder namentlich der Kriegstoten. Eine fast gleich gebliebene Zahl von treuen Angehörigen der Gemeinde begleitet uns über viele Jahre bei diesem Gedenken.
In anderen Orten, und vor allem in Städten, nehmen von Jahr zu Jahr immer weniger Menschen, vor allem aus den jüngeren Jahrgängen, am Volkstrauertag teil.
Bei einer Befragung von Schülerinnen- und Schülern eines Gymnasiums 2012 stellte ich fest, dass der Gedanke des Volkstrauertages ihnen eher fremd, wenn nicht sogar unbekannt war. Sie hatten jedenfalls noch nie daran teilgenommen. Seit 2012 hat sich daran nichts geändert.
Eine Botschaft dieses Tages war uns aber trotzdem von Jahr zu Jahr immer klarer geworden: „Nie wieder Krieg in Europa!“
Darin waren wir uns alle einig. Wir gedachten jährlich der toten Kameraden aus dem Zweiten Weltkrieg, waren uns aber bis zum 24. Februar dieses Jahres 2022 sicher, so etwas nie mehr persönlich zu erleben!
Und dann hat Russland am 24. Februar die Ukraine überfallen. Geschockt verfolgen wir jetzt den brutalen und grausamen Krieg in der Ukraine. Keiner weiß, wie und wann dieser Krieg zu Ende gehen soll. Und uns wird immer mehr bewusst, weil es durch alle Medien täglich verbreitet wird, dass wir in diesen europäischen Krieg längst eingebunden sind.
Durch Waffenlieferungen, die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschen Übungsplätzen, Energie-Engpässe in ganz Europa und Flüchtlingen mit traumatisierten ukrainischen Kindern, die in für sie fremden Schulen und in einer fremden Sprache zurechtkommen müssen.
Sogar einen bisher unvorstellbaren Nuklearkrieg in Europa schließen die fachkundigen Beobachter nicht mehr aus. Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 17. Oktober in einer Überschrift: „Ob Studenten, Väter, Alte oder Kranke - in Russland ist fast niemand mehr sicher vor der Einberufung an die Front. Eine Gesellschaft in Angst.“
Bei der Beschäftigung mit dem Krieg in der Ukraine ist mir eine kleine Geschichte über Gewalt und Angst in die Hände gefallen. Sie stammt aus einem kleinen Büchlein mit dem Titel: Was liest eigentlich Gott? Sie soll der Kern meiner heutigen Ansprache sein, und ich bitte um Nachsicht, wenn sie etwas zu lang geraten ist:
Eine Schriftstellerin schreibt:
Gott hatte sich mit Gandhi, dem indischen Freiheitskämpfer, Anne Frank, dem verfolgten jüdischen Mädchen in Amsterdam, und Kleopatra, der ägyptischen Herrscherin zusammengesetzt um über Gewalt zu sprechen. Er beteiligt sich aber nicht an dem erregten Gespräch, sondern liest in seinem Buch. Ich darf mit in der kleinen Tafelrunde sitzen.
Aber ich bin sprachlos und finde keine Worte zwischen den Anmerkungen der anderen..
Alles, was mir einfällt, ist, Gott einen hilflosen und gleichzeitig fragenden Blick zuzuwerfen. Er runzelt die Stirn, erwidert meinen Blick über den Rand seiner Lesebrille hinweg und legt schließlich seufzend sein Buch beiseite. „Ich weiß schon, was du fragen willst“, sagt er mit seiner tiefen, warmen Stimme. „Du fragst dich, warum ich so etwas zulasse. Warum ich nichts unternehme gegen all die Gewalt und das Leid auf Erden.“
„Nein!“ flüstere ich. „Genau genommen frage ich mich, warum Menschen so etwas tun.
Warum wir als denkende und fühlende Wesen überhaupt in der Lage sind, anderen bewusst Gewalt anzutun. Kein Tier würde so handeln – es sein denn, um zu überleben.“
„Es ist die Angst“, sagt Anne Frank leise. „Die Angst lässt Menschen schreckliche Dinge tun und sorgt dafür, dass sie sie geschehen lassen. Auch Tiere greifen an, wenn sie Angst haben. Menschen hingegen werden zu Bestien. Sie töten, sie quälen, sie verraten oder schweigen. Alles aus Angst!“
Ich nicke leicht. Ja, die Angst hinter dem Handeln von Opfern ist mir nicht fremd.
Doch was ist mit den Tätern? Handeln die auch aus Angst? Quälen, schlagen, misshandeln und vergewaltigen sie aus Angst?
Ich spreche Kleopatra an, die sich ein Glas Whisky eingeschenkt hat: „Was sagst du denn dazu? Warum sind Menschen so grausam? Werden wir überhaupt jemals ergründen, warum Menschen zu Tätern werden? Warum der Mensch oftmals gerade jenen Leid zufügt, die er doch eigentlich liebt? Denn die häufigsten Gewalttaten spielen sich in den eigenen vier Wänden ab. Innerhalb der Familie, die doch eigentlich ein Ort von Sicherheit, des Vertrauens und der Geborgenheit sein sollte.
Kleopatra gibt eine ausweichend Antwort, in der sie die Hauptschuld auf die Männer schiebt.
Ich richte meinen fragenden Blick wieder auf Gott, der schweigend zugehört hat. Jetzt ergreift er doch das Wort: „Schau mich nicht so an, als wäre ich schuld! Ich verstehe auch nicht, weshalb ihr Menschen euch so quält. Doch es steht mir nicht zu, über Euch zu richten. Wen sollte ich denn strafen oder verurteilen? Den Mann, der seine Frau prügelt? Oder sollte ich bei seiner Mutter anfangen, die zugelassen hat, dass sie selbst und ihr Kind von ihrem Mann geschlagen wird? Soll ich den Vater bestrafen, der die Mutter umgebracht und seinen Sohn damit für den Rest seines Lebens gezeichnet hat? Und damit hört es nicht auf. Ich könnte Generation um Generation zurückgehen und es nähme kein Ende!“
In mir wächst die Frage auf, wie man überhaupt helfen kann, wenn sogar die Frauen schweigen, ihre Söhne in den Krieg schicken, ob nun aus Angst oder aus Liebe.
Da ergreift Gandih das Wort: „Ihr müsstet den Menschen zeigen, dass ein Leben voller Leid und Gewalt nicht normal ist! Doch was tut ihr? Worüber berichten eure Medien?
Die Nachrichten sind voller Gräueltaten, die Filme und Serien in euren Fernsehern und Kinos wetteifern förmlich darum, wer die meisten Leichen, die blutigsten Szenen oder den abscheulichsten Psychohorror zeigt. Gewalt ist somit zur Normalität geworden. Ohne Mord und Totschlag empfindet ihr alles als langweilig und kitschig. Doch wehe, die Gewalt begegnet euch im echten Leben, dann seid ihr entsetzt. Wenn es in der Zeitung steht, wird eure Sensationslust befriedigt – trifft es eure Nachbarin, seid ihr sprachlos!“
Mir schießt durch den Kopf, dass Gandhi womöglich Recht hat. Egal was ich unternehme, es wird sich nichts ändern!
Da springt Anne Frank auf und ruft: „Doch wir können was gegen die Gewalt tun! Egal wie klein und unbedeutend es erscheinen mag - wir tun es einfach! Wir schreiben, wir malen, wir singen, wir helfen, wir reden, wir widersetzen uns dort, wo es Sinn macht. Jeder auf seine Weise, auf seine Art, in seinem Maße!“
Ich schaue zu Gott.
Er lächelt gütig und zustimmend, schiebt die auf die Nasenspitze gerutschte Lesebrille wieder ein Stück hoch und hebt wortlos sein Buch, welches er gerade liest.
Es ist ein Liebesroman!
Zum Schluss möchte ich sie heute mit einem kurzen Gebet in den Volkstrauertag entlassen. Sie kennen es sicher. Es wird das „Gelassenheitsgebet“ genannt und stammt von 1942. Es hilft uns, mit mehr Hoffnung die dunklen Wolken am Horizont zu ertragen.
Denn wenn man jeden Glauben an eine bessere Zukunft fahren lässt, kann die Welt zur Hölle werden.
Ich zitiere:
„Gott gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann -
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Haselbach: Friedensordnung verteidigen
Bürgermeister Simon Haas bei seiner Ansprache Foto: KuSK Haselbach – Vergrößern durch Anklicken!
Volkstrauertag im Zeichen des Ukraine-Krieges
Im Zeichen des Ukraine-Kriegs haben Gemeinde, Pfarrgemeinde und Ortsvereine in Haselbach am Samstag der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Im Rahmen des Volkstrauertages legten Bürgermeister Simon Haas, Heinrich Stahl als Vertreter der KuSK und der Chef der Patenkompanie, Major Benjamin Käfer, Kränze am Kriegerdenkmal nieder.Pfarrer Pater Dominik Daschner eröffnete nach der Vorabendmesse, die von der Blaskapelle „De Echt’n Hoslbecka“ musikalisch umrahmt wurde, die Gedenkfeier. Der Entschluss „Nie wieder Krieg“, der das Fundament der europäischen Nachkriegsordnung gebildet habe, sei seit dem 24. Februar gescheitert, so Pater Dominik. Nach den gemeinsamen Fürbitten segnete er die niedergelegten Kränze.Bürgermeister Simon Haas erklärte, der russische Überfall auf die Ukraine habe „den Unterton des Volkstrauertags von einer abstrakten Mahnung in eine sehr konkrete Sorge verwandelt“: Die europäische Friedensordnung stehe auf dem Spiel und müsse verteidigt werden.Die Lehre aus den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts sei, keine Toleranz gegenüber Mächten zu zeigen, die auf das Recht des Stärkeren setzen: „Wir brauchen als Gesellschaft die Einigkeit, dass einem solchen Recht des Stärkeren nur die Stärke des Rechts, die Stärke des Zusammenhalts der rechtsstaatlichen Demokratien, entgegenzusetzen ist“, so Haas.
Pressemitteilung KuSK/sha vom 16. November 2022
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