Der scheidende Volksmusikberater Franz Schötz blickt zurück

2019 03 15 Volksmusik w

„Bei Volksmusik spüre ich etwas.“ – Volksmusikpfleger Franz Schötz bei einer Gesprächsrunde 2019 des AK Heimatgeschichte Mitterfels in der Hien-Sölde (Archivbild des AK HG) – Vergrößern durch Anklicken

„Volksmusik ist ganz gewiss kein Seniorenzirkel“ 

Einen „Pionier der Volksmusikpflege“ nennt ihn der Landesverein für Heimatpflege. Nach 36 Jahren ...

... als Volksmusikberater und Volksmusikpfleger geht Franz Schötz aus Haselbach (Kreis Straubing-Bogen) nun in den Ruhestand. „Ich habe meinen Beruf nicht als Arbeit empfunden, es war mehr eine praktizierte Leidenschaft“, sagt der 65-Jährige. Für diese Leidenschaft ist er sogar mit einem Tonband im Rucksack durch ganz Bayern gewandert, erzählt Schötz im Gespräch.

Herr Schötz, ist Volksmusik heute noch relevant?

Franz Schötz: Natürlich. In den Medien wird oftmals ein verzerrtes Bild von der Volksmusik gezeichnet: Als volkstümliche Schlager-Unterhaltung und Heimatidylle. Aber jeder, der zu einem Wochenendlehrgang kommt, wird sehen, dass Volksmusik etwas ganz anderes ist. Die Volksmusik hat eine unbandige Kraft und kann das Leben bereichern. Man kann mit relativ wenigen Kunstgriffen die Leute gut unterhalten und auch erbauen. Das ist eine wunderbare Freizeitgestaltung.

Auf welchen Erfolg in Ihrer Laufbahn sind Sie stolz?

Schötz: Ich habe zwei CDs veröffentlicht, die ich mit der Kapelle Sattler in Wiesenfelden und mit der Kapelle Pfeffer in Böbrach aufgenommen habe. Damit habe ich einen Musikantenklang dokumentieren können, der bis dahin schon fast vergessen war. Nämlich den Oberbayerischen Tanzelmusikklang, der sich auch über ganz Niederbayern und die Oberpfalz gelegt hat. Ich glaube, damit habe ich das Bild der Volksmusik, das auch in Niederbayern und in der Oberpfalz vom oberbayerischen Tanzlmusi-Klang dominiert war, ein bisschen ergänzen können. Volksmusik hat eine Media-Morphose durchlaufen – abgeleitet vom Begriff der Metamorphose aus der Biologie. Durch die Orientierung an der Bühne, an Mikrofon und Kamera hat sich der Klang verändert, er ist artifizieller geworden. Mit den Aufnahmen habe ich das, was Musikanten früher erleben ließen, wieder ein wenig herbeiholen können: Die Deftigkeit, der Reichtum in der Phrasierung und Verzierung von Melodien und dieser unglaubliche Witz, der aus den Musikern gesprüht hat, wenn sie zum Tanz gespielt und mit dem Publikum geflirtet haben.

Volksmusik ist für Sie auch mehr als nur Unterhaltung. Da geht es auch um regionale Kultur- und Musikgeschichte, oder?

Schötz: Auf jeden Fall. Ich habe in den 80er-Jahren viele Feldforschungsexkursionen mitmachen dürfen. Dabei sind wir wochenweise Hunderte von Kilometern mit dem Rucksack am Buckel und dem Tonband hinten drin durch ganz Bayern gewandert und haben Menschen gesucht, die uns von ihren Traditionen erzählen oder sogar etwas vorspielen. Wir sind gewandert, weil wir uns mit unserer Langsamkeit auf die Leute einlassen wollten. Diese musikalische Schatzsuche hat mich geprägt.

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Franz Schötz betrieb musikethnologische Feldforschung. Die Lieder, die er dabei entdeckte, brachte er beim offenen Singen unter die Leute. Das Bild zeigt ihn bei einem Herbstseminar in Windberg im Oktober 2021. Foto: Norbert Neuhofer – Vergrößern durch Anklicken!

Worauf blicken Sie nach 36 Jahren als Volksmusikberater und Volksmusikpfleger zurück?

Schötz: In Erinnerung bleiben mir ungezählte wunderbare Erlebnisse mit Sängern, Musikanten und Tänzern. In Erinnerung bleibt, dass das Interesse an der Volksmusik nicht nachgelassen hat und auch die jungen Leute dabei bleiben und immer wieder neue nachkommen. Volksmusik ist ganz gewiss kein Seniorenzirkel. Sondern spricht alle Altersgruppen an.

Befürchten Sie, dass die Corona-Pandemie ein Einschnitt für die Volksmusik ist und der Nachwuchs abgeschnitten wird, wenn zwei Jahre lang keine Veranstaltungen und Proben stattfinden konnten?

Schötz: Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Es stimmt aber nicht, dass gar nichts war. Ich habe Ende Oktober, Anfang November das Zeitfenster für schon lange vorbereitete Lehrgangsveranstaltungen nutzen können. Da sind auch die jungen Leute gekommen, das ist toll und stimmt mich zuversichtlich.

Was macht die Volksmusik in Ostbayern aus?

Schötz: Das ist schwer zu beantworten, weil das kann man eigentlich nur über den Klang vermitteln. Volksmusik ist nicht nur eine Folge von Tönen, sondern sie lebt auch davon, dass sich zwischen den Notenzeilen unglaublich viel abspielt. Wenn Volksmusik aufgeschrieben worden ist, dann als Gedächtnisstütze, aber nicht als Vorschrift. Das ist eine ganz andere Herangehensweise, als zum Beispiel in der Klassik.

Und dieses Zwischen-den-Zeilen haben Sie versucht, weiterzugeben? Schötz: Man kann daraus auch eine wissenschaftliche Arbeit machen, aber wirkt nicht in die Breite. Du musst das den Leuten über den Klang vermitteln. Andere Kollegen sagen, man hört, wenn Musiker durch die ,Schule‘ Franz Schötz gegangen sind.

Interview: Andreas Kerscher (BOG Zeitung vom 29. Januar 2022 – online-gestellt mit Gen. der Redaktion)


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