Bogener Graf oder Ritter?

Schloss Welchenberg Wening n

Das Grab des Wolf­gang von Ram­mel­stein von Loch und Wel­chen­berg in der Wall­fahrts­kir­che Bo­gen

Wenn der Besucher die Wallfahrtskirche Bogenberg betritt, so begrüßt ihn an der Westwand der Portalvorhalle eine Ritterfigur in spätgotischer Rüstung mit Fahne und Schwert.  . . .

Schloss Welchenberg Wening nDas Grab des Wolf­gang von Ram­mel­stein von Loch und Wel­chen­berg in der Wall­fahrts­kir­che Bo­gen

Das einstige Schloss Welchenberg zu Beginn des 18. Jahrhunderts, nach einem Kupferstich von Michael Wening.

 

Wenn der Besucher die Wallfahrtskirche Bogenberg betritt, so begrüßt ihn an der Westwand der Portalvorhalle eine Ritterfigur in spätgotischer Rüstung mit Fahne und Schwert. Eine gegenüber angebrachte Inschrifttafel weist auf die Begründung der Bogenberger Wallfahrt durch Graf Aswin von Bogen im Jahr 1104 hin. Diese Inschrift lässt vermuten, dass es sich bei dem erwähnten Ritter um Graf Aswin von Bogen handelt und er wird manchmal bei Führungen als dieser ausgegeben. Doch das ist ein Irrtum. Es handelt sich bei der auf dem Grabdenkmal aus Kalkstein dargestellten Figur nicht um einen Bogener Grafen, sondern um den 1489 verstorbenen Ritter Wolfgang von Rammelstein von Loch und Welchenberg. Das beweist die das Grabdenkmal umlaufende Minuskelumschrift mit folgendem Wortlaut (nach dem Kunsthistoriker Bernhard Röttger): „Hie . leyt . der . Edel . Wollfgang . von . Ramlstain . der . gestorben . Ist . An . sambtztag . Vor . mitter . Vasten . Dem . gott . genad . Anno . dmi . M . cccc . Lxxxiiii Jar.“ Nach Röttger handelt es sich wohl um eine Straubinger Arbeit, die stilistisch vom Werk des Meister Erhard abhängig ist, ohne dessen künstlerische Kraft zu erreichen. Laut dem Heimatforscher Hans Neueder stammt das Grabdenkmal aus der Sankt-Alexiuskirche, die neben der Wallfahrtskirche stand und 1803 durch einen Brand zerstört wurde. Danach kam das Denkmal in die Wallfahrtskirche. Röttger führt zu dem Grabdenkmal weiter aus: Der Verstorbene steht aufrecht, in Zeitrüstung, in seiner Rechten das Banner, die Linke am Schwertgriff (die Schwertscheide ist jüngeren Datums, in der Abbildung bei Röttger aus dem Jahr 1929 ist sie nicht vorhanden, Anmerkung des Verfassers). Die Figur ist nahezu vollrund gearbeitet, der Stein bis zu 23 Zentimeter Tiefe eingeschnitten. Rahmung durch naturalistisches Astwerk, das im Kielbogen schließt. In den oberen Ecken Ehewappen Rammelstein-Ebersbeck (?) mit sprengwerkartig gebildeten Helmdecken. Rechts im Grunde das ältere Villenbach-Wappen mit Überschrift: van fillawach. Zu Füßen des Ritters Minuskelinschrift: Hofer – von freywerch, darunter auf der Umrandung die Wappen dieser Geschlechter. Röttges Wappenbeschreibung bedarf jedoch nach einer näheren genealogischen Untersuchung durch den Verfasser einer Korrektur. Das Ehewappen „Rammelstein-Ebersbeck“ in den beiden oberen Ecken ist nur bezüglich „Rammelstein“ zutreffend. Das von Röttger mit einem Fragezeichen versehene „Ebersbeck“, das er wohl aus der hälftigen Eberdarstellung im Wappen ableitet, bezieht sich jedoch auf die Ehefrau Agnes des Verstorbenen, eine Tochter des Ulrich von Chamerau. Es handelt sich somit um ein Symbol aus dem Wappen der Chamerauer, das wie folgt beschrieben wird: „In Silber unter einem waagrecht liegenden blauen Schwert schwebend ein golden bewehrter roter Eberrumpf“. Der Herold kündigte beim Turnier die Chamerauer im Hinblick auf ihr Wappen mit folgendem Spruch an: „Jetz kommen die von Cammerau mit der roten Wilden Sau.“ Die weiteren Wappen „Villenbach, Hofer und Freyberg“ wurden von Röttger korrekt erkannt.

Annat: lateinische Bezeichnung für Ahnen

Eine weitere Minuskelinschrift im Grund links von der Relieffigur hat folgenden Wortlaut: „das . sint . die . vyer annat . wolf . ganngs . von . raml . Stain“ . Darunter Wappen mit Überschrift: „von Raml . Stin“. Zu dieser Inschrift ist Folgendes zu bemerken: Rätselhaft ist der gebrauchte Begriff „vyer annat“. Vyer wird man wohl als „vier“ deuten können. Aber welchen Sinn hat das Wort „annat“? Als „Annaten (Jahresertrag, Jahrgelder) wurde nach den einschlägigen Lexika im 13. bis 15. Jahrhundert die Abgabe des ganzen, später des halben ersten Jahresertrags eines neu besetzten Kirchenamtes (einer Pfründe) an den Papst, später an die römische Kurie, bezeichnet. Dieser Begriff ergibt jedoch auf einem Grabdenkmal keinen Sinn. Das Wort „annat“ hat jedoch eine weitere Bedeutung, die aber in den Lexika kaum vertreten ist. Nach Johann A. Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, ist „Anat“ eine alte Bezeichnung für „Ahnen“. Die Minuskel gibt demnach einen Hinweis auf die vier Ahnen des Wolfgang von Rammelstein, nämlich Rammelstein, Villenbach, Hofer und Freiberg, die mit ihren Wappen auf dem Grabdenkmal vertreten sind. Die Beschreibung der Geschlechterwappen erfolgt nachstehend im Rahmen der genealogischen Darstellung. Das Chamerauer Wappen seiner Ehefrau zählt naturgemäß nicht zu seinen vier Ahnen-Wappen. Gegenüber der Ortschaft Eichhofen in der Gemeinde Nittendorf, Landkreis Regensburg, etwa 40 Meter über dem Wasserspiegel der Schwarzen Laber, befindet sich die Ruine der Höhlenburg Loch, ein einzigartiger Burgtyp, denn in Bayern gibt es nur zwei Höhlenburgen. Romantisch gelegenen im Labertal prägt ihr Bergfried das Landschaftsbild in dieser Gegend. Der Name Loch wurde früher auch „Lueg“ oder „Lug“ geschrieben und bedeutet Höhle. Das turnierfähige Geschlecht der Rammelsteiner, deren Wappen ein springender Widder war, erscheint erstmals um das Jahr 1160 in einer Urkunde des Klosters Prüfening. Der Turnierreim des Herolds zu den Rammelsteinern lautete: „Es kamen auch mit guetem Fueg, die Ramelstainer von dem Lueg.“ Der Name „Rammelstein“ hat sich bis heute als ein Ortsname erhalten und benennt einen Gutshof in der Gemeinde Nittendorf. Rammelstein ist jedoch ein Burgenname. Er setzt sich zusammen aus dem Grundwort „Stein“ (Felsen, Burg) und dem Bestimmungswort „Ramel“. Bei Schmeller findet sich unter „ramel“ die Bedeutung „rußiger, schmutziger Mensch“. Der Name „Rammelstein“ könnte darum als „Burg des rußigen Mannes“ gedeutet werden. Diese Namensbildung lässt auf eine Beziehung der Rammelsteiner zur Eisenverhüttung schließen. Dass die Rammelsteiner in einer Beziehung zur Eisengewinnung standen, zeigt sich vor allem daran, dass sie im 14. Jahrhundert an der Schwarzen Laber einen Eisenhammer errichtet haben. Die Rammelsteiner sind als Ministerialen der Burggrafen von Regensburg und später der Wittelsbacher nachweisbar. Der Vater des verstorbenen Ritters Wolfgang von Rammelstein war Dietrich von Rammelstein. Er verheiratete sich mit Benigna von Villebach, Tochter des Dietrich von Villebach (ein Adelsgeschlecht aus der Gegend von Dillingen) und einer Rittersfrau von Freyberg (ein altes, edelfreies schwäbisches Adelsgeschlecht mit vielen Zweigen). Man kennt Dietrich als Mitbegründer des aufständischen Ritterbunds der „Böckler“, die ihre Interessen gegen Herzog Albrecht IV. durchzusetzen versuchten. Dessen Vater gleichen Namens war nach Prey mit einer Hoferin von Lobenstein verheiratet. Die Wappen auf dem Grabmal zeigen die Abstammung des verstorbenen Ritters Wolfgang von Rammelstein: links unten das Wappen der Rammelsteiner (Widder), rechts die Vorfahren mütterlicherseits, nämlich das Wappen der Villebach (Ochsenkopf), Hofer (in Silber drei dreizinnige rote Sparren) und Freyberg (von Silber und Blau geteilt, in Blau drei goldene Kugeln).

 

Ritter Wolfgang RammelsteinRitter Wolfgang Rammelstein von Loch und Welchenberg nach seinem Grabdenkmal in der Portalvorhalle der Wallfahrtskirche Bogenberg.

Herkunft und Leben des Ritters Wolfgang

Wolfgang Rammelsteiner wird erstmals 1479 urkundlich genannt, als er seinen Hof zu Undorf bei Loch verkauft. Seine Ehefrau Agnes, eine Tochter Ulrichs von Chamerau, war in erster Ehe mit Georg von Sattelbogen verheiratet. Das Chamerauer Wappen rechts oben auf dem Grabdenkmal weist auf ihre Herkunft hin. Wolfgang Rammelsteiner ist durch diese Heirat in den Besitz der Hofmark Welchenberg bei Bogen gekommen, die seinem Schwiegervater gehört hat. Er besaß das Schloss und die Horfmark bis zu seinem Tod im Jahr 1489. Die Burg und die Hofmark Loch sowie den dazugehörigen Eisenhammer besaß er mit seinem Bruder Veit Rammelsteiner. 1480 verkaufte Wolfgang seinen Zinsanteil am Hammer zum Loch an den Hammermeister Rodauscher und 1484 verkaufte er seinem Bruder Veit seinen halben Anteil an der Taverne zu Loch. Wolfgang beteiligte sich an den Turnieren in Heidelberg (1481) und Regensburg (1487) und gehörte als Ritter der Straubinger Landschaft an, einem Vorläufer des heutigen Landtags. Man zählt ihn auch zum Kreis der hochadeligen Ritter aus dem Straubinger Land, die gegen die Steuerausschreibung Herzog Albrechts IV. 1488 protestierten. Am 14. Juli 1489 konstituierte sich in Cham ein neuer Ritterbund zur Verteidigung der adeligen Freiheiten, der „Löwlerbund“. Wolfgang Rammelsteiner stand dem Personenkreis der Löwler nahe, hat jedoch die Gründung des Bundes nicht mehr erlebt. Seine Frau Agnes ließ ihren verstorbenen Mann in die Gedenkliste der Priesterbruderschaft von Straubing aufnehmen.
Heute verschwunden: Schloss Welchenberg

Ein Altman de Welichinberch wird unter den nobilis der Urkunde von 1125 genannt. 1331 wird Welchenberg in der Reihe der Landsassengüter erwähnt. Verschiedene Adelsgeschlechter besaßen in der Folgezeit Schloss und Hofmark Welchenberg, darunter auch die Chamerauer, durch welche sie an den Ritter Wolfgang Rammelstein von Loch kam. Die Miniaturansicht der Burg Welchenberg auf der Landtafel des Philipp Apian zeigt mehrere stattliche Gebäude inmitten einer turmbewehrten Ringmauer. Nach dem Kupferstich des Michael Wening stammte der Wohnbau im Wesentlichen aus der Renaissancezeit, etwa um 1600. Heute finden sich an der Stelle des einstigen Schlosses nur mehr ganz geringfügige Mauerreste. Gegen Westen sieht man noch den Halsgraben der Burg des Wolfgang Rammelstein von Loch und Welchenberg. Hans Agsteiner Quellennachweis Bernhard Röttger, Die Kunstdenkmäler von Bayern, Bd. XX Bezirksamt Bogen), Dieter Schwaiger, Die Rammelsteiner von Loch – Ein altbayerisches Adelsgeschlecht im Regensburger Umland, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für die Oberpfalz und Regensburg, 1994, 31 ff.

Quelle: Hans Agsteiner/BOG Zeitung vom 8. November 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)

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