. . . und drum herum
Bürger wieder für ihre Heimatorte begeistern
Altbürgermeister Karl Sieghartsleitner aus Oberösterreich berichtete den Bürgermeistern von heute vom Aufstieg seiner Gemeinde. (Fotos: lal)
100 Bürgermeister und Regionalmanager beim ILE-Netzwerktreffen im Kulturforum
Oberalteich. Mit einem enthusiastischen und emotionalen Vortrag hat Karl Sieghartsleitner, ehemals Bürgermeister der Gemeinde Steinbach an der Steyr in Oberösterreich, am Dienstag im Kulturforum in Oberalteich bei den Kommunen dafür geworben, sich an den Fähigkeiten und Bedürfnissen ihrer Bürger zu orientieren. Beim Netzwerktreffen der Integrierten Ländlichen Entwicklung hörten ihm unter anderem 60 Bürgermeister aus beinahe allen der 20 niederbayerischen ILE-Regionen aufmerksam zu. Genau hingehört haben sie auch bei einem Vortrag zur Nutzung sozialer Medien. Diese ist Philipp Ehrenberger, dem Kreativdirektor von Bildschnitt TV, zufolge für die Gemeinden heutzutage ein „Muss“.
Philipp Ehrenberger, Bildschnitt TV
Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich
Nachdem das Treffen mit einer Vorführung des „Niederbayern“-Liedes des gebürtigen Alburgers Hannes Ringlstetter eröffnet worden war, umriss Roland Spiller, Leiter des Amts für Ländliche Entwicklung, die Aufgaben der Integrierten Ländlichen Entwicklungen, von denen es im Landkreis Straubing-Bogen mit den ILEs Nord 23, Gäuboden und Laber drei gibt. Die ILEs könnten, so Spiller, Aufgaben lösen, die jede Gemeinde für sich alleine nur schwer lösen kann. Als Beispiel nannte er den massiven Rückgang der Zahl kleinerer Lebensmittelgeschäfte in den vergangenen Jahren. Bogens Bürgermeister und Hausherr Franz Schedlbauer fügte in seinem Grußwort auch die Versorgung durch die Banken an, die ihr Angebot in den Ortschaften immer weiter zurückfahren. Den Reigen an Vorträgen eröffnete Gerhard Peham von der Beratungsfirma „Die Schatzsucher“. Der Unternehmensberater legte dar, wie eine Kommune deren Einwohner als Mitstreiter gewinnen könne. Drei Dinge seien wichtig: Den Beteiligten müsse die Sinnhaftigkeit ihres Tuns vermittelt werden, um sich mit den Zielen identifizieren zu können, die Zusammenarbeit müsse auf allen Ebenen gefördert werden, um ein Wir-Gefühl zu erzeugen, und der Einzelne muss seine Potenziale entfalten können. Damit leitete Peham über zum zweiten Gast aus Oberösterreich, Karl Sieghartsleitner, den er als „internationales Vorbild für Regionalentwicklung“ bezeichnete. Der Altbürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Steinbach an der Steyr war ins Amt gewählt worden, als seine Kommune vermeintlich dem Untergang geweiht war. Heute ist Steinbach eine international bekannte Modellgemeinde für Nachhaltigkeit, 1994 ausgezeichnet mit dem Europäischen Dorferneuerungspreis und regelmäßig besucht von interessierten Kommunalpolitikern aus Bayern.
Die auf einer Pinnwand gesammelten Ideen wurden am Nachmittag diskutiert.
„Keine Totenstille im Gemeinderat“
Zum Erfolgsweg der Gemeinde gehörte anfangs eine Analyse von Leerständen, unter denen sich auch das alte Wirtshaus befand. In diesem entstand ein Lebensmittelmarkt, der überwiegend Erzeugnisse aus der Region verkauft. Andere Leerstände wurden laut Sieghartsleitner als Gründungsort für junge Betriebe genutzt. Die Talente, die in den jungen Menschen in der Gemeinde stecken, gelte es nur zu erkennen und zu fördern. 28 Betriebe seien letztlich gegründet worden. Wert legte der Altbürgermeister auch darauf, Orte zu schaffen, an denen sich die Einwohner gut treffen und austauschen können. Auch an die Anbahnung von Partnerschaften wurde mit „Busserlplätzen“ gedacht. In den Gemeinderäten sprach sich Sieghartsleitner für eine offene und menschliche, aber auch streitfreudige Atmosphäre aus. „Sonst herrscht dort Totenstille, und danach in der Gemeinde.“ Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich stellte als Bürgermeister von Freyung die Entwicklung seiner Stadt vor und bezeichnete die Rolle einer Kommune vor allem als Impulsgeber, Initiator und Motivator. „Vorleben statt vorgeben“, müsse die Maxime lauten. Dabei reiche es nicht, auf einen kontinuierlichen Schuldenabbau zu verweisen – die Bewohner müssten auch wieder für ihren Heimatort begeistert werden. Philipp Ehrenberger von der Werbeagentur Bildschnitt TV zeigte in seinem Vortrag den Gemeinden und ILEs Möglichkeiten auf, wie sie die sozialen Netzwerke für sich nutzen können. Grundsätzlich zeigte er sich überzeugt davon, dass diese Aktivitäten auf Facebook und Co. neben einem Internetauftritt heute „ein Muss“ sind. Die einzelnen Aktivitäten sollen allerdings gut geplant und im Umfang dem vorhandenen Personal angepasst sein.
Alte Wohnsiedlungen werden zum Problem
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Sieghartsleitner, Heinrich und Ehrenberger auch Maximilian Geierhos, Leiter der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung, und Aschas Bürgermeister Wolfgang Zirngibl, den Spiller bei der Begrüßung scherzhaft „das grüne Schaf der CSU“ genannt hatte, teil. Auf die Frage hin, welche Unterstützung er sich für die ILE Nord 23 erwarte, sprach der Bürgermeister unter anderem drohende Leerstände in den Wohnsiedlungen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaut wurden, an. Geierhos pflichtete ihm bei und sah darin ein „größeres Problem als die Ortskerne selbst“. Eine Bürgermeisterin aus dem Kreis Regen fragte danach, ob es sinnvoll sei, Gemeinderatssitzungen auch über soziale Medien zu verbreiten, um die Jugend besser zu erreichen. Philipp Ehrenberger bejahte dies und schlug darüber hinaus vor, auch das Stimmverhalten der Gemeinderäte öffentlich zu machen. Maximilian Geierhos hingegen stellte infrage, ob wirklich jede Gemeinde einen Facebook-Auftritt haben müsse und stellte dafür auch keine Förderung in Aussicht. Den Informationen und Fragen schloss sich ein Erfahrungsaustausch an, bei dem die auf dem Treffen gesammelten Ideen, etwa zur kommunalen Versorgung der Zukunft, diskutiert wurden.
Quelle: lal/BOG Zeitung vom 9. November 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
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