Mitterfels
„Mustafa ist mein Systemadministrator“
Schritt für Schritt lotst Peter Loster seine Schüler durch die Installation des Betriebssystems. An den Rechnern unterstützt ihn dabei Mustafa. (Fotos: lal)
Mit dem „Tölzer Modell“ lernen Asylbewerber Deutsch – und manche noch vieles mehr
Oberalteich. Mit einer Sammlung kostenloser Lernprogramme im Internet können Asylbewerber, die noch keinen Anspruch auf einen Sprachkurs haben, sich selbst Deutsch beibringen – jetzt auch im Landkreis. Das Lernen nach dem „Tölzer Modell“ wird derzeit an der Geschäftsstelle der Volkshochschule in Oberalteich erprobt. Später soll es auf die Stadt Straubing und den restlichen Landkreis ausgeweitet werden. Das Besondere daran: Asylbewerber lernen nicht erst dann etwas, wenn es um die Grammatik des Deutschen oder die Grundlagen der Mathematik geht. Beim Lernen mit Kursleiter Peter Loster beginnt der Unterricht schon beim Installieren der Rechner.
Der Computer-Fachmann Peter Loster steht vorne an der Tafel und schimpft über das Betriebssystem „Windows“: Fehleranfällig sei es, zudem sei ein Fenster-Betriebssystem wegen der Grafiken viel zu langsam. „Ich weiß nicht, warum sie das überhaupt noch verkaufen“, ereifert er sich. Stattdessen sollen die gut 20 Asylbewerber, die heute zum dritten Mal in den Räumen der Vhs in Oberalteich beisammensitzen, auf den vor ihnen stehenden Rechnern das frei verfügbare Betriebssystem Linux nutzen und den Fenstermodus deaktivieren. „To change this, we have to give commands in the command line“, sagt Loster, und schiebt nahtlos die Übersetzung ins Deutsche hinterher. Vokabeln wurden noch keine gebüffelt: Der Deutschkurs hat trotzdem schon begonnen.
„Enter“, befiehlt Mustafa
Wissen wie dieses gibt es gratis dazu, wenn der vor Engagement geradezu sprühende Peter Loster loslegt. Aber nicht nur Loster vorne an der Tafel hat mittlerweile Betriebstemperatur erreicht, sondern auch Mustafa hat gut zu tun. Mustafa ist 25 Jahre alt, stammt aus dem Senegal und springt während Losters Ausführungen zwischen den Rechnern im Kursraum hin und her. Seine Aufgabe ist es, zu überprüfen, ob alle die Arbeitsschritte richtig ausführen.
Der 21-jährige Ibrahim (vorne) ist ehrgeizig: „Ich möchte alles an Wissen aufnehmen“. Für Peter Preller vom Freiwilligenzentrum (rechts) ist es eine Pflicht, Asylbewerbern ein guter Gastgeber zu sein – und ihnen Bildung zu ermöglichen.
Er nimmt seine Aufgabe ernst. Jetzt ist Mustafa bei dem Rechner angelangt, vor dem der Senegalese Ibrahim und die junge Eritreerin Regbe sitzen. Er lehnt sich über Ibrahims Schulter und wirft einen kritischen Blick auf die Eingaben auf dem Bildschirm. „Enter“ befiehlt er knapp. Ibrahim drückt folgsam die Eingabetaste und macht sich sorgfältig Notizen in ein kleines Büchlein. „Ich will so viel lernen, wie es nur geht“, sagt er. Loster hat sich mittlerweile zu ihnen gesellt. „Mustafa ist mein Systemadministrator“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Als er vor Kurzem vom „Tölzer Modell“ hörte, zögerte Peter Loster nicht lange und stellte sich als ehrenamtliche Lehrkraft zur Verfügung. Die Lernplattform hinter dem Modell hat eine ehemalige Studienfreundin Losters, die aus Bad Tölz stammende Waltraud Haase, programmiert. Sie vereint kostenlose Lernangebote im Internet wie etwa jenes der Deutschen Welle oder das des Goethe-Instituts. Asylbewerber finden damit eine gute Grundlage vor, um Deutsch zu lernen, bevor sie einen offiziellen Anspruch auf einen Deutschkurs haben. Auch die anerkannten Sprachprüfungen können über die Plattform abgelegt werden.
Pflicht als „gute Gastgeber“
Den Verantwortlichen geht es bei dem Angebot nicht darum, einer Entscheidung über die Anträge der Asylbewerber vorzugreifen. Und auch nicht um „Integration“, sagt Peter Preller, stellvertretender Leiter vom Freiwilligenzentrum (FWZ) Straubing, in dem alle Fäden zu dem Projekt zusammenlaufen. Vielmehr gehe es schlichtweg darum, grundsätzliche Sprachkenntnisse zu vermitteln, welche die Asylbewerber für ihren Aufenthalt brauchen, wie lange dieser auch dauern mag: für Arztbesuche etwa, oder Behördengänge. „Außerdem sollten wir uns auch als gute Gastgeber erweisen“, wünscht sich Preller. Viele würden das schon tun, vor allem die vielen Ehrenamtlichen wie Peter Loster. Auch Finanzämter, Schulen und die Sparkasse hätten einen Beitrag geleistet und dem FWZ ältere Rechner für das Projekt überlassen. Die Räume hat die Vhs Straubing-Bogen im Bildungszentrum Oberalteich zur Verfügung gestellt. Deutschkurse, etwa für Spätaussiedler, haben hier eine lange Tradition, sagt Vhs-Geschäftsführer Sepp Koller, der sich viel von der Plattform erhofft. Und auch die Kreisrätin Anita Karl sieht vielfältige Einsatzmöglichkeiten – etwa bei schulpflichtigen Flüchtlingskindern, die damit auch außerhalb des Unterrichts Deutsch lernen können.
Rechner zum Lernen nutzen
„ ... und fertig ist das Abc“: Bis die Lernplattform installiert ist, behilft sich Ibrahim mit einem Kurs auf Youtube.
Sobald die Plattform auf den Rechnern in Oberalteich läuft, soll mit ihnen nicht mehr hier, sondern direkt in den Unterkünften gelernt werden. Doch Kontrolle muss sein: Damit die Rechner nicht nur zum Surfen im Internet benutzt werden, geben sie die tatsächliche Lernzeit weiter. Dann sollen neben Mustafa auch die anderen Kursteilnehmer zu Multiplikatoren geworden sein und andere Flüchtlinge bei der Benutzung der Plattform unterstützen. Auch Ibrahim ist dann ein „Systemadministrator“. – lal –
Das FWZ sucht weiterhin
intakte Desktop-Rechner mit Flachbildschirmen und Laptops (fünf Jahre oder etwas älter) und SATA-Festplatten. Auch „Losters“, also Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, werden weiterhin gesucht. Ansprechpartner ist das Freiwilligenzentrum Straubing, Telefon 09421/989-635 oder E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Quelle: lal, in: Bogener Zeitung vom 15. April 2015 (zeitversetzte Übernahme des Beitrags aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
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