Museen
Der Wert der alten Dinge in der heutigen Welt
Im Depot fand sich auch dieser Koffer, ein mit Strom arbeitender „Heilapparat“ aus den zwanziger Jahren, der laut Hersteller-Versprechen gegen so gut wie jede Krankheit helfen sollte. Über die Verwendung mancher seiner Teile lässt sich heute nur mutmaßen.
Barbara Michal bereitet bereits die Sonderausstellung der kommenden Museumssaison im Kreismuseum am Bogenberg vor
Bogenberg. Im „Winterschlaf“ ruht das Kreismuseum auf dem Bogenberg. Das Tor ist zu, der Parkplatz verwaist. Hinter den Kulissen freilich wird längst schon wieder konzentriert gearbeitet: Museumsleiterin Barbara Michal plant die nächste Sonderausstellung. „Vom Reiz der alten Dinge heute“ lautet der Arbeitstitel. In einer Zeit, in der das Leben immer stärker im digitalen Raum stattfindet, gibt es eine Gegenströmung. Es werden plötzlich wieder Plattenspieler gekauft, Retro-Look ist „in“, Flohmarktwaren und handgefertigte Erzeugnisse sind begehrt. Unter anderem diesen Aspekt soll die neue Sonderschau beleuchten.
Es wird ferner um Sammelleidenschaft gehen. Um die von Privatleuten – ein paar der 30 000 Kugelschreiber von Landrat Josef Laumer werden vielleicht auch Eingang in die Sonderschau finden – und um die von Museen. Barbara Michal will die Chance nutzen, den Menschen zu zeigen, was jüngst vom Museum gekauft oder ihm vermacht wurde. – „Wie kommen Sachen ins Museum?“ kann eine spannende Frage sein.
Ebenso die, was ein Museumsobjekt zu einem Museumsobjekt macht. „Was ist für eine Epoche typisch?“ So formuliert Michal die Grundfrage. Wie sie schon im vergangenen Jahr beim Einrichten des neuen Depots deutlich gemacht hat, braucht ein Museum zudem nicht zwanzig Mal den gleichen Gegenstand. Sind Objekte einander zwar ähnlich, aber dennoch verschieden, können sie hingegen eine Entwicklungsgeschichte erzählen.
Museumsleiterin Barbara Michal zeigt einen Krug aus der Fabrik in Bärndorf, der einst zu Reparaturzwecken ein „Korsett“ verpasst bekommen hat: Sein Henkel war gebrochen.
Allheilmittel Strom
Beim Umzug des Depots wurde das Material gesichtet, es wurde aufgeräumt – und es kamen schon fast vergessene Objekte wieder ans Licht. So sitzt Michal nun etwa staunend vor einem elektrischen „Heilapparat“ von 1928. In einem Koffer ruht ein ganzes Arsenal von Glasröhrchen, Kolben und Pinseln, deren Verwendung bestenfalls zu erahnen ist, ein Werbeblatt erwähnt die Leiden, die damit angeblich kuriert wurden: von Herzkrankheiten über Gicht bis hin zu Grippe und Magen-Darm-Problemen so gut wie alles. „Da spiegelt sich der Technikglaube der zwanziger Jahre“, sagt Michal, die sich bei dem, was von dem Apparat offenbar erhofft wurde, fast schon an die mittelalterlichen Mirakelbücher erinnert fühlt, die Wunderheilungen bezeugten.
Manches, was früher verbreitet war, gibt es heute gar nicht mehr – als Beispiel nennt Michal den Wäschestampfer –, anderes in veränderter Form. So plant die Museumsleiterin etwa, die Ausstattung des Schwarzacher Landkinos aus den fünfziger Jahren auszustellen – und gleichzeitig aufzuzeigen, wie ein heutiger Kinobetreiber arbeitet. Auch aus dem Brillenfundus des Museums will sie Stücke präsentieren und passend dazu einen Optiker befragen, was eine Brille heutzutage bedeutet.
Ein Gürtel fürs Geld
Ferner soll das Thema Geldkatze angesprochen werden – als Haupttitel der Ausstellung schwebt der Museumsleiterin derzeit „Geldkatze, Gängelband, Heilapparat“ vor. In einer Geldkatze führte man früher seine Barschaft mit sich. Heute habe man stattdessen zwei Dinge mit verschiedener Funktion, merkt Michal an: zum einen den Geldbeutel, zum anderen den Gürtel. Wobei es heute aber auch wieder spezielle Gürtel gibt, in denen man etwa auf Reisen sein Geld vor Dieben sicher unterbringen kann . . .
Heute werden die Dinge nicht nur „ständig immer kleiner und alles immer digitaler“, wie Barbara Michal die aktuelle Entwicklung beschreibt, sie sind zudem deutlich kurzlebiger als früher. Früher habe man selbst Stoffwindeln „so lange weiterverwendet, bis sie auseinandergefallen sind“. Und dann wurden sie klein geschnitten und diese Reste als Putzlumpen verwendet.
„Die Reparaturkunst war weit verbreitet“, erzählt Barbara Michal weiter. Ein kreatives Beispiel dafür gehört ebenfalls zum Museumsbestand: Die Museumsleiterin fährt mit den Fingern über eine Bruchstelle im Henkel des großen, braunen Kruges, der „aus der Fabrik in Bärndorf stammte“. Um ihn weiter benutzen zu können, „wurde ihm ein Korsett verpasst“. Metallstreben halten die gebrochenen Keramikteile dort, wo sie hingehören.
Auch Landrat ist Sammler
Die Museumsbesucher sollen ferner angeregt werden, über drei Fragen nachzudenken: Was wird später wohl einmal als typischer Vertreter der heutigen Zeit angesehen? An welchen Gegenstand im eigenen Leben sind ganz besondere Erinnerungen geknüpft? Und was sammelt man? – Zu diesem Thema kann auch der Landrat mit seiner Leidenschaft für Kugelschreiber beitragen. Bei einem Treffen mit dem Museumsteam jüngst schwärmte er zum Beispiel von jahrzehntealten Stiften, die einmal Werbezwecke erfüllten – darauf Namen längst verschwundener Firmen und noch die alten, vierstelligen Postleitzahlen.
So kann selbst etwas „auf den ersten Blick Unscheinbares eine Geschichte erzählen“, betont Barbara Michal. Schaue man genauer hin, zeige sich oft die Relevanz. Es sei eben nicht alles nur „einfach alter Grusch“. Und interessanterweise entwickelten plötzlich gerade Kinder der Computergeneration ein Faible für Schallplatten, Flohmarktware und „Vintage“-Stil.
Vielleicht deswegen war das „historische Fotoatelier“ sehr beliebt bei den Besuchern, das während der letzten Sonderausstellungen im Museum aufgebaut war. Die Besucher konnten sich dort historisch gewandet gegenseitig ablichten. Die Kleidung, die dafür zur Verfügung stand, wird jetzt zurückgeschickt, „die war vom Theaterfundus ausgeliehen“. Allerdings überlegt Michal, ob das Atelier nicht doch in irgendeiner Form fortgeführt und ins Museum integriert werden könnte.
Gnadenbild als großer Stich
Zweimal der gleiche Stich – auf einem wurde das Jesuskind jedoch übermalt. (Fotos: map)
Später einmal in der Dauerausstellung über die Wallfahrt auf dem Bogenberg einen Platz finden werden wohl zwei mehr als einen Meter hohe Kupferstiche, die als Neuzugänge ebenfalls zunächst in der Sonderausstellung zu sehen sein sollen. Beide zeigen das Gnadenbild der Wallfahrtskirche. „Bisher waren Stiche nur für kleine Andachtsbilder bekannt.“
Beide Stiche sind eigentlich identisch, mit sichtbarem Jesuskind im Bauch der schwangeren Maria, eine Art der Darstellung, die aus dem Mittelalter stammt. Um 1780 sei daran heftige Kritik aufgekommen, berichtet Michal, die Präsentation „wurde als lächerlich und nicht in eine Kirche passend kritisiert“. Das Gnadenbild wurde in der Folge verhüllt, „und zwar zweihundert Jahre lang, bis 2004“. – Und auch einer der beiden Stiche, die das Museum nun besitzt, wurde einst übermalt.
Sonderschau ab 21. Mai
Wieso diese großen Stiche, zusammengefügt aus drei Blättern, überhaupt existieren? „Vielleicht hat man sie fürs Frauentragen verwendet“, ist eine Vermutung Michals. Bei diesem Adventsbrauch wird ein Bildnis der schwangeren Maria von Haus zu Haus getragen, dem die Familien jeweils einen Tag Herberge geben.
Während das Museum zu Ostern wieder öffnet, beginnt die neue Sonderausstellung erst am 21. Mai. Bis dahin hat Barbara Michal noch viel Arbeit vor sich. „Im Moment gibt es ja erst eine Ideensammlung.“ Wenn diese in ein Konzept überführt sei, „müssen die passenden Objekte herausgesucht werden“. Gefolgt von der Frage, wie sie in den vorhandenen Raum passen . . .
Quelle: Andrea Prechtl/BOG Zeitung vom 13. Februar 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)
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