Geschichte von Mitterfels
Mühlen an der Menach (08): Wasserkraftnutzung in Kleinmenach und an den Nebenflüssen (in Groß- und Kleinwieden und Aign) - Die Mühle beim Aignbauern
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Die Mühle beim Aignbauern
Der Aignbauer (links) beteiligt sich jedes Jahr am Pfingstritt in Kötzting ...
... und mit einem Viererzug beim Oktoberfest in München.
Auf dem Hof des Josef Schedlbauer in Aign, beim Aignbauern also, steht bis 1986 ein Getreidekasten, kein gewöhnlicher, einstöckiger, sondern einer mit zwei Schüttböden übereinander. Der Unterbau dieses Speichers wird hier nicht, wie es sonst meist üblich ist, als Wagen- und Geräteschuppen genutzt, er unterscheidet sich von vergleichbaren Bauten dadurch, dass er ursprünglich schon gemauert und als Mühle konzipiert ist. Die Vorbesitzer haben darin tatsächlich eine Getreidemühle einbauen lassen. Das Baujahr ist nicht genau bekannt, im Katasterauszug aus der Zeit von 1808 bis 1848 ist sie aber bereits verzeichnet. Eine Familie Obermeier ist jahrhundertelang Eigentümer des Anwesens und von ihr erwirbt im Jahr 1900 Wolfgang Schedlbauer, der Großvater des heutigen Besitzers, das Anwesen. Für ihn ist der Mühlenbetrieb zunächst fremd, er muss sich mit dem Werk erst vertraut machen und das geht nicht immer ganz glatt. Aber Helfer sind schnell zur Hand, wenn Schedlbauer nicht mehr weiter weiß oder auch eine Reparatur notwendig wird. Die Mühlknechte von der nahen Pirkmühle verdienen sich gerne an den Sonntagen ein Zubrot. Manchmal kommen auch Wandergesellen vorbei, die bereit sind Tipps zu geben und Tricks zu verraten. Und für Reparaturen ist ein Profi nicht weit: der Mühlenrichter Mühlbauer aus Auggenbach. Jährlich wird das Nachschärfen der Mühlsteine notwendig, dafür ist ein Mann aus Prackenbach spezialisiert.
Dem größten Verschleiß sind die Kampen am Mühlrad ausgesetzt. Recht häufig bricht so ein Holzzahn und muss erneuert werden. Bei der Fertigung kommt es auf große Genauigkeit an. Dieses Zurichten mit dem Beil gelingt nicht immer mit der nötigen Präzision, eine Nacharbeit ist meist nötig. Problemlos gelingt diese Millimeterarbeit schließlich dem Preiß-Wagner von Punzendorf, als der sich eine Bandsäge anschafft.
Das Mühlrad mit einem Durchmesser von fünf Meter wird vom Wasser des Aigner Grabens oberschlachtig angetrieben. Dieses steht das ganze Jahr gleichmäßig zur Verfügung, weil es in einem Weiher aufgestaut wird. Jedoch machen Bisamratten den Staudamm immer wieder mit ihren Gängen undicht. Als das Abdichten mittels Pfosten und Lehm kein Ende mehr nehmen will, verkleidet Schedlbauer die ganze Damminnenseite mit einem Betonmantel.
Mit dem Mahlgut, Mehl und Kleie, versorgt Schedlbauer die Großfamilie, die Dienstboten und auch die Häuslleut im Austragshaus, das sind insgesamt um die 15 Personen. Dazu kommt noch die Versorgung des Viehs. Die Mehlqualität ist recht zufriedenstellend, die Mühle ist leistungsfähig, von den Kleinmühlen der Umgebung ist sie die größte. Gegen Lohn malt Schedlbauer nicht, er stellt die Mühle aber manchmal Nachbarsleuten zur Verfügung, die ihr Getreide selber durchlaufen lassen.
Die Wasserkraft des Aigner Grabens wird nicht nur für den Mahlbetrieb genutzt, sondern auch zum Antrieb von Maschinen über eine Transmission und zur Erzeugung von Lichtstrom für Hof und Austragshaus. Der technische Vorgang gleicht dem der benachbarten Werke.
Der heutige Austragslandwirt Josef Schedlbauer ist der letzte Müller auf Aign. Vater Wolfgang lernte ihn einst an. Er muss seine Kenntnisse aber nicht mehr an den heutigen Besitzer des 170 Tagwerk großen Anwesens, den Sohn Josef, weitergeben, denn die Mühle wird bereits 1955 stillgelegt und das Gebäude nur mehr als Getreidespeicher genutzt.
1986 muss es für einen Stallneubau Platz machen. Da bietet es Schedlbauer dem Georg Höltl aus Tittling an, der schon vorher mehrmals sein Interesse an diesem sehenswerten Gebäude bekundete. Höltl lässt es in sein Museumsdorf Bayerischer Wald am Rothauer See (Dreiburgensee) bei Tittling übertragen und dort zusammen mit der kompletten Mühleneinrichtung aufstellen. So ist dieses wertvolle Volksgut nicht verloren. Besucher finden es als Objekt Nr. 57.
Als „Getreidemühle mit Kasten auf dem ganzen Obermeierischen Hof in Aign” ist dieses Gebäude im Katasterauszug von 1848 verzeichnet. Heute steht es im Museumsdorf Bayerischer Wald, wo es 1986 mit großer Sorgfalt originalgetreu wieder aufgebaut wurde. Auch die gesamte Inneneinrichtung ist noch vorhanden. In Aign wurde noch ausschließlich mit Mahlsteinen gearbeitet.
Der Aignbauer ist weit über seine Heimatgemeinde hinaus bekannt als passionierter Fuhrwerker. Vier prachtvolle Kaltblutpferde stehen in seinem Stall. Sie finden das Jahr über Verwendung beim schonenden Rücken der Baumstämme in seinen Waldungen. Damit sind sie aber natürlich nicht ausgelastet. Die Haltung dieser Pferde ist also eigentlich mehr ein Hobby, mit dem er nicht nur sich selbst erfreut, sondern unzählige Menschen an dieser Freude teilhaben lässt, wenn er im Zweier- oder Viererzug bei Umzügen mitfährt: beim Volksfest in Straubing und Regensburg, beim Oktoberfest in München, bei der Welser Messe in Österreich und sogar bei einem Brauereifest in Belgien. Dass er sich alljährlich am Pfingstritt in Kötzting beteiligt, ist für ihn schon seit nahezu 50 Jahren eine Selbstverständlichkeit.
Quelle: Otto Wartner/Karl Schneider, in: Mitterfelser Magazin 6/2000, Seite 123 ff
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