Bayerische Geschichte
Der neue Regierungspräsident (NdB) Rainer Haselbeck über Gestaltungsspielräume und Potenziale
Rainer Haselbeck hat am 1. Dezember die Nachfolge von Heinz Grunwald als Regierungspräsident von Niederbayern angetreten. (Foto: Claudia Hagn)
„Niederbayern spielt in der Champions League“
Seit Donnerstag, 1. Dezember 2016, ist Rainer Haselbeck als neuer Regierungspräsident von Niederbayern in Amt und Würden. Haselbeck, in Vilsbiburg geboren und seit seinem ersten Lebensjahr in Landshut wohnhaft, war nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zunächst als Richter und Staatsanwalt tätig. Im Mai 2005 wurde er Pressesprecher der Bayerischen Staatskanzlei, im Oktober 2007 Büroleiter des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Zuletzt leitete der 46-jährige dreifache Familienvater die Abteilung Wohnungswesen und Städtebauförderung in der Obersten Baubehörde im Innenministerium.
Herr Haselbeck, Sie waren viele Jahre an Edmund Stoibers Seite. Gibt es etwas, das Sie vom ehemaligen Ministerpräsidenten für das neue Amt lernen konnten?
Rainer Haselbeck: Ob ich wirklich etwas gelernt habe, wird sich zeigen. Ich hoffe es. Erleben durfte ich ein außerordentliches Interesse an neuen Entwicklungen, einen unglaublichen Wissensdurst, eine enorme Motivationskraft und Lust an der Diskussion. Gleichzeitig aber auch ausgeprägte Entschlusskraft und die Entschlossenheit, Entscheidungen nach außen zu vertreten.
Und das wollen Sie im neuen Amt auch so praktizieren?
Rainer Haselbeck: Es wäre vermessen, wenn ich sagen würde, ich wollte das genauso praktizieren. Aber ich habe erlebt, dass man damit sehr positiv gestalten kann. Und vielleicht konnte ich ein bisschen was davon mitnehmen.
Stoiber hatte den Ruf des Aktenfressers, der sich sehr detailliert in Themen eingearbeitet hat – haben Sie auch etwas von dieser Fähigkeit für sich mitgenommen?
Rainer Haselbeck: Auch hier habe ich jedenfalls miterlebt, wie wichtig es ist, Sachkenntnis zu haben. Das wird in jedem Beruf erwartet und selbstverständlich auch von Politikern und Beamten. Sachkenntnis setzt die Auseinandersetzung mit den Sachverhalten voraus. Die wiederum finden sich verdichtet in den – oft zu Unrecht verachteten – Akten. Autorität speist sich immer aus Kompetenz.
Bekannt war Edmund Stoiber auch dafür, dass er seinen Mitarbeitern Erhebliches abverlangt hat. Worauf dürfen sich Ihre Mitarbeiter einstellen?
Rainer Haselbeck: Darauf, dass ich davon überzeugt bin, dass es sich am besten arbeiten lässt, wenn man ein gutes Arbeitsklima vorfindet und motiviert ist. Nach meinem ersten Eindruck komme ich hier auf ein sehr gut bereitetes Feld und freue mich darauf, Mitglied in diesem Team zu sein. Ich fühle mich – auch nach meinen ersten Kontakten mit Mitarbeitern, Kommunalpolitikern und Repräsentanten wichtiger Institutionen – sehr gut angenommen in diesem neuen Amt. Die Startbedingungen könnten nicht besser sein.
Verfolgen Sie als Regierungspräsident spezielle eigene Ziele?
Rainer Haselbeck: Ich habe mich gleich am ersten Tag mit meinen Bereichsleitern zusammengesetzt, um mich auf den aktuellsten Stand der Themen, Probleme und Herausforderungen zu bringen. Das ist mein erstes Ziel. Auf der Basis dieser Erkenntnisse gehe ich davon aus, dass auch die ein oder andere Idee für die Zukunft entstehen wird. Aber ich komme nicht von außen, präsentiere eine Agenda und sage: So wird’s gemacht!
Hat ein niederbayerischer Regierungspräsident überhaupt die großen Entscheidungsspielräume? Oder muss er in erster Linie die Direktiven der Staatsregierung umsetzen?
Rainer Haselbeck: Der Regierungspräsident vertritt die Politik der Staatsregierung in und für Niederbayern. Gleichzeitig ist er Anwalt niederbayerischer Interessen in München, gegebenenfalls auch in Berlin und, wenn es sein muss, auch in Brüssel. Insofern hat man hier eine Doppelrolle auszufüllen. Wobei Verwaltungshandeln immer auch von einem gewissen Gestaltungsspielraum lebt.
Den Sie auch gedenken wahrzunehmen?
Rainer Haselbeck: Gestaltungsspielräume zu nutzen betrachte ich als Teil meiner Aufgabe.
Im Landshuter Stadtrat gibt es Fraktionen, die große Hoffnungen in Sie setzen, was zukünftige Gestaltungsspielräume bei der Nettoneuverschuldung betrifft. Sind diese Hoffnungen in eine Aufsichtsbehörde gerechtfertigt?
Rainer Haselbeck: Wie Sie sagen: Die Regierung ist in Haushaltsfragen Aufsichtsbehörde. Und der Maßstab für die Aufsicht ist das Recht. Im Rahmen der rechtlichen Vorgaben werden aber alle Landkreise, Städte und Gemeinden und natürlich auch die Stadt Landshut einen sehr gewogenen Regierungspräsidenten erleben.
Sie sagten eben, dass Sie Ihr Amt als „Anwalt der Niederbayern“ ausüben wollen. Welche niederbayerischen Interessen stehen dabei im Vordergrund?
Rainer Haselbeck: Niederbayern bezeichnet sich ja zu Recht als Aufsteigerregion. Und, um beim Sport zu bleiben: Es gibt Aufsteiger, die es irgendwann auch in die Champions League schaffen. Niederbayern ist ein solcher Aufsteiger. Was die Wirtschaftskraft, die Situation am Arbeitsmarkt und die Lebensqualität betrifft, spielt unser Regierungsbezirk in der Champions League. Daher sehe ich es als meine wichtigste Aufgabe, gemeinsam mit den Niederbayern diese Position zu erhalten und wenn möglich noch auszubauen. Wir stehen vor einer außerordentlichen Herausforderung durch die Digitalisierung, die das Leben und die Wirtschaft komplett verändert. Das ist eine größere und schnellere Umwälzung, als es die industrielle Revolution war. Niederbayern hat die Chance, auch im digitalen Zeitalter an der Spitze mitzuspielen. Das ist allerdings kein Selbstläufer.
Was muss passieren?
Rainer Haselbeck: Zunächst glaube ich, dass wir in einer guten Startposition stehen. Ich halte die Initiative des Breitbandausbaus für außerordentlich wichtig. Es ist eine sehr kluge Entscheidung, ein digitales Gründerzentrum zu initialisieren, um die Potenziale, die es an den niederbayerischen Hochschulen gibt, bestmöglich zu nutzen und die Theorie in die Praxis zu bringen.
Neben der Herausforderung der Digitalisierung sind Zuwanderung und Integration ein zentrales Zukunftsthema ...
Rainer Haselbeck: ... durch das sich zum Beispiel auch beim Thema Wohnen neue Herausforderungen stellen. Bezahlbarer Wohnraum ist unerlässlich für ein stabiles soziales Klima, damit werden wir uns in Niederbayern intensiv beschäftigen müssen. Und die Frage der Integration ist eine Schicksalsfrage für die Zukunft, der es sich besonders zu widmen gilt.
Welche Maßnahmen halten Sie in diesem Zusammenhang für besonders angezeigt?
Rainer Haselbeck: Die Verwaltung hat zunächst einmal die Aufgabe, für reibungslose Abläufe zu sorgen. Etwa dafür, dass die Unterbringungssituation der Flüchtlinge für diese selbst angemessen ist – und zugleich auch für die einheimischen Nachbarn akzeptabel. Dann geht es um Sprache, um Arbeit, vor allem aber auch um Integration in unsere Lebenskultur. Das müssen wir nach allen Kräften fördern – und von denen, die bei uns bleiben, auch fordern.
Quelle: Interview: Bernhard Stuhlfelner und Uli Karg, in BOG Zeitung vom 3. Dezember 2016 (zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
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