Mitterfels
Bruder-Konrad-Werkstätte Mitterfels. Hand in Hand arbeiten
Silke Prößl (Mitte) sortiert mit Werkstattsleiterin Erika Stelzl (links) die Kleidung. Foto: Helena Wittmann – Vergrößern durch Anklicken!
Grünen-Kreisvorsitzende Silke Prößl besuchte die Bruder-Konrad-Werkstätte
„Andere sind wahrscheinlich jetzt auf dem Volksfest, ich bin bei 34 Grad hier“, sagt Grünen-Kreisvorsitzende Silke Prößl.
Mit „hier“ ist die Wäscherei der Bruder-Konrad-Werkstätte in Mitterfels gemeint. Die Politikerin hat am Dienstag den ganzen Tag dort verbracht, um aus erster Hand die Arbeit der Werkstätte mitzuerleben und mit den Mitarbeitern vor Ort ins Gespräch zu kommen. Zustande kam das beim Aktionstag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Mai.
Mit den Worten „Dann kommt einfach vorbei“ lud Werkstattvorsitzende und stellvertretende Bezirkssprecherin der Werkstatträte Niederbayern, Erika Stelzl, die damals anwesenden Politiker ein. Insgesamt sechs Politiker haben sich angemeldet, einen Tag in der Werkstätte zu verbringen. Den Auftakt machte Prößl. Damit „sich mit uns unterhalten und nicht nur über uns“ geredet wird, das sei ihr Wunsch, sagt Stelzl.
Wie wichtig die Arbeit der Werkstätten für Behinderte ist, weiß sie selbst nur gut genug. Nach einer Kopfoperation war sie plötzlich halbseitig gelähmt. Ihre rechte Hand ist dauerhaft zu einer Faust geballt und beim Gehen erkennt man ein Hinken. Sprechen musste sie wieder neu lernen. Die Werkstätte Mitterfels habe sie damals mit offenen Armen empfangen, wo die freie Wirtschaft die gelernte Hotelfachfrau abgewiesen habe. „Ich wollte wieder arbeiten, nachdem ich drei Jahre zu Hause gesessen hatte. Ich habe mich im Hotel am Empfang oder sogar beim Landratsamt zum Pressen der Schilder beworben. Aber keiner nahm mich“, schildert Stelzl ihre damalige Situation.
In der Werkstätte habe sie wieder flüssig sprechen gelernt – bestärkt durch die unvoreingenommene Haltung aller Mitarbeitenden. Vorwürfe, dass es sich um eine „Sonderwelt“ handle, könne sie nicht nachvollziehen. „Wir sind besondere Menschen, aber keine Sonderwelt.“
Gefaltet wird mit Hilfe einer Maschine
Wie einzigartig die Mitarbeiter sind, wird am Beispiel von Barbara Meier deutlich, die eine starke Sehbehinderung hat. Sie ist es, die der Grünen-Kreisvorsitzenden Prößl in der Wäscherei den Faltapparat, sprich ein Gerät, das selbstständig Oberteile faltet, erklärt. Selbstsicher greift Meier hinter sich und nimmt das gewaschene T-Shirt von der Kleiderstange, platziert es auf Anhieb mittig im Gerät und streicht noch alle Falten heraus. Mit einem Fußtritt faltet die Maschine dann das Oberteil. Im letzten Schritt dreht Meier sich um und platziert das T-Shirt auf einem Stapel bereits gefalteter Kleidung. Fast so, als könnte sie alles um sich herum einschränkungsfrei sehen. Sie ist gerne in der Wäscherei und habe sich „riesig gefreut“, dass ihre Chefin ihr die Arbeit am Faltapparat zutraue. „Es ist wie Zaubern“, sagt Prößl, die danach auch die Maschine bedient und lacht.
Vom Waschen bis zur Montage
Neben der Wäscherei war Prößl am Vormittag auch in der Montage. Dort werden zum Beispiel Kleinteile für BMW in Tüten verpackt und mit einem Barcode zugeklebt. Bei den Mitarbeitern überzeugte Prößl auf ganzer Linie. „Sie war voll dabei“, sagt Mitarbeiter Manfred Edenhofer. Ihre bodenständige Art habe wiederum Mitarbeiter Christian Wolf überzeugt. Wichtig sei auch, dass die Menschen wahrnehmen, dass Behinderung nicht immer nur Menschen im Rollstuhl oder mit Downsyndrom heißt, sagt Wolf. Vielen sehe man diese von außen eben nicht an.
Die Werkstätten sind für Menschen mit Behinderung wichtig. Verhelfen zu Selbstständigkeit und fördern Selbstbestimmung. Gleichzeitig profitieren die Menschen von den sozialen Kontakten. In den Werkstätten wird Arbeit geleistet, die es auch wertzuschätzen gelte, betont Stelzl. Doch in der Politik sei davon eher wenig zu spüren.
Ein Diskussionspunkt seien die Ausgleichszahlungen. Beschäftigt eine Firma nicht die gesetzliche Anzahl an Schwerbehinderten, muss sie eine Ausgleichszahlung leisten. Engagieren sie aber Unternehmen wie die Bruder-Konrad-Werkstätten, können sie diese als Arbeiter anrechnen lassen. Sollte die Regelung gestrichen werden, befürchtet Produktionsleiter Gerhard Macht auch ausbleibende Aufträge für die Werkstätte in Mitterfels. Schon jetzt müsse die Werkstatt den Spagat zwischen wettbewerbsfähigen Angeboten und den sozialen Aspekten der Arbeitnehmer in Einklang bringen. Sprich, zum einen den Unternehmen preislich attraktive Verträge anzubieten. Zum anderen gebe es aber keinerlei Nachsicht aus der freien Wirtschaft bezüglich ihrer Mitarbeiter.
Es ist eine besondere Arbeitsatmosphäre, die in der Werkstätte herrscht. „Es gab keinen, der mich ausgelacht hat oder genervt war“, sagt Prößl abschließend. Sie habe auch gelernt, geduldiger zu sein, vor allem mit sich selbst. Sie habe zwar als Kreisrätin nicht das höchste politische Amt, aber sie könne sich „von unten an das Bein eines Höherrangigen beißen“ – das ist die Bitte von Stelzl.
Die weiteren Besuche
Am 22. August besucht MdB Alois Rainer die Werkstätte Mitterfels und am 26. August ist Dr. Ursula Sollacher, eine weitere Kreisvorsitzende der Grünen, dort zu Gast. Der Mitterfelser Bürgermeister Andreas Liebl ist am 10. Oktober vor Ort. Stellvertretender Landrat Bernhard Krempl ist am 8. Oktober in der Straubinger Werkstatt Sankt Josef. Außerdem wird es noch einen weiteren Besuch vom Straubinger SPD-Vorsitzenden Jürgen Karbstein geben.
Keine Berührungsängste
In der Wäscherei gibt es viele Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen, erklärt Werkstattvorsitzende Stelzl von der Bruder-Konrad-Werkstätte Mitterfels. Beispielsweise trainieren viele dadurch ihre Feinmotorik. Hand in Hand arbeiteten in der Wäscherei auch die Menschen mit Behinderung und Schüler.
So auch die beiden Abiturientinnen Sonja und Jaslin. Sie sind für drei Wochen dort. Die Arbeit sei angenehm. Von Berührungsängsten ist bei beiden keine Spur zu sehen. Gleiches galt auch bei der Kreisvorsitzenden.
Gewaschen wird dort für viele verschiedene Unternehmen, beispielsweise für das Krankenhaus Bogen, mehrere Altenheime im Landkreis sowie für das Wohnheim der Barmherzigen Brüder in Straubing. Dabei wird stets auf sorgfältige Handhabung der Wäschen geachtet und präzise gefaltet. So wird auch Prößl eingelernt in die Falttechniken der Wäscherei. Die ihr wiederum so gut gefallen haben, dass sie sie später auch bei sich zu Hause umsetzen möchte.
Helena Wittmann/BOG Zeitung vom 14. August 2024 (Gen. der Lokalredaktion)
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