Brauchtum
Bauernhochzeit
Eine Hochzeitsgesellschaft vor dem Wirtshaus Reiner in Grün. (Archiv: Hans Hofmann)
Bauernhochzeiten folgen einem ganz besonderen Ablauf
Bauernhochzeiten folgen einem ganz besonderen Ablauf. Damit die Tradition nicht ausstirbt und das Wissen darüber auch an die jüngere Generation weitergegeben wird, hat Hans Hofmann aus Bogen den Ablauf einer solchen Hochzeit zusammengefasst.
Es gab früher in einem Bauerndorf nicht viele Gelegenheiten, große Feste zu feiern und zusammenzukommen. Es war vielleicht Kirta oder gar eine Fahnenweihe oder eben eine große „Leich“, wo auf dem anschließenden Leichentrunk sich Gelegenheit ergab, sich zu treffen und sich auszusprechen. Anders war es, wenn ein Bauernbursche für seinen Hof eine tüchtige Bäuerin suchte und heiraten wollte. Für das Dorf war es eine große Herausforderung, alle waren daran beteiligt. Da musste man zunächst einmal auf das Standesamt, um sich „aushängen“ zu lassen, wegen etwaiger Hindernisse. Wichtig war natürlich auch der Pfarrer. Das Brautpaar wurde vom Pfarrer zum Brautexamen eingeladen. Das Paar sollte nicht unvorbereitet in einen ganz neuen Lebensabschnitt schlittern, sondern erfahren, was unter einer christlichen Ehe zu verstehen ist, woher und wie die Kinder kommen und wie sie zu erziehen sind. Auch der Ablauf der Trauung war Thema. Schließlich musste die Dorfschneiderin für ein entsprechendes Brautkleid sorgen. War die Braut noch eine Jungfrau, so durfte sie ein weißes Kleid samt Schleier tragen. War sie keine mehr oder war schon ein uneheliches Kind da, dann war das Brautkleid schwarz oder farbig. So ziemte es sich jedenfalls, auch wenn man da heute großzügiger ist. Die angehenden Brautleute trafen sich dann auf dem Hof, um sich dort umzusehen. Eine wichtige Rolle spielte das Heiratsgut. Es fehlte noch eine entsprechende Musik und man musste sich einigen, wer zur Hochzeit geladen wird. Das war Aufgabe des Hochzeitladers, der vom Brautpaar eine entsprechend lange Gästeliste erhielt, mit der er sich in der ganzen Umgebung mit seinem mit langen Bändern geschmückten „Hagelstecker“ auf den Weg machte. Der Hochzeitslader trat in die Bauernstube, sagte sein Verslein und damit nichts vergessen wurde, schrieb er mit der Kreide an die Stubentüre den Termin der Hochzeit, den Ort und das Wirtshaus und den Namen des Brautpaares. Nicht fehlen durfte der Preis des Hochzeitsmahls, denn die Gäste mussten dafür bezahlen und wurden nicht freigehalten. Wenn auch die Eheringe angeschafft waren, konnte das Fest bald beginnen.
Grundsätzlich waren die Hochzeiten jeweils am Vormittag; denn wenn das Paar zur Kommunion gehen wollte, musste es nüchtern sein. Da manche Gäste schon von weither zu Fuß gekommen waren und Hunger hatten, stärkte man sich im Gasthaus mit einer kräftigen „Gaglhenne“, einer kräftigen Hühnersuppe, die bis zum Hochzeitsessen herhalten musste. Mit Musik ging es dann zur Kirche, wo schon Pfarrer und Ministranten auf die Gäste warteten. Das Brautpaar durfte unter Orgelmusik einziehen und auf einer gepolsterten Kniebank, nahe am Altar, seinen Platz einnehmen und das Eheversprechen machen. Die Ringe wurden ausgetauscht und damit der Bund auch für das ganze Leben hielt, wickelte der Pfarrer um die beiden Hände seine Stola. Am Ende des Gottesdienstes beschloss die Orgelmusik die ganze Zeremonie und das Volk drängte sich zum Kirchenausgang. Aber so leicht war es nicht, das Freie zu erreichen, denn die Ministranten versperrten mit dem Zingulum des Pfarrers den Weg der Gäste. Nur wer die Ministranten mit einem Obolus bedachte, wurde durchgelassen. Draußen auf dem Platz der Kirche war ein lebhaftes Treiben, denn der Schullehrer wollte auch die Kinder an der Hochzeit teilnehmen lassen und verlegte die Pause so, dass die Kinder beim Auszug des Brautpaares anwesend sein konnten. Der Bräutigam hatte seine Joppentasche schon gefüllt mit Fünferl und Zehnerl, die er unter die Kinder warf, die sich um das Geld stritten. So mancher hatte dabei eine Mark oder mehr zusammengebracht. Nun musste das Brautpaar noch in den Friedhof gehen, an das Grab der verstorbenen Angehörigen, erst dann ging es unter Musik dem Wirtshaus zu, wo unterdessen schon reger Betrieb in der Küche war, denn es war Zeit zum Mittagessen. Die Musikanten spielten das junge Paar in den Festsaal hinein, wo es einen Ehrenplatz einnahm, die ganzen Gäste folgten. Der Pfarrer war selbstverständlich auch eingeladen und daher musste vor dem Essen auch ein Tischgebet gesprochen werden. Der Festschmaus begann gewöhnlich mit einer saueren Lunge, dann Rindfleisch mit Blaukraut und ein saftiger Schweinebraten folgte. Es gab also reichlich zu essen, so viel, dass die Gäste es gar nicht schafften, aber da gab es eine Abhilfe. Manche Gäste nahmen sich nämlich an ihre Seite einen „Nachegeher“, der versuchte, den Rest zu essen. War dann immer noch etwas übrig, dann gab es auch noch ein „Bschoadtüchl“, in das man den Rest wickelte und im Anschluss nach Hause trug zu denen, die daheim bleiben mussten, um auch sie teilnehmen zu lassen an dem üppigen Essen. Während des Mahles spielte die Musik kräftig auf.
Die Unterhaltung wurde jäh unterbrochen, denn unter großem Gejammer stürmte aus der Küche die „verbrannte Köchin“, den Arm dick eingewickelt mit Verband. In der freien Hand hatte sie einen großen Kochlöffel, mit dem sie um Geld bat zur Linderung ihrer Schmerzen. Im Festsaal gingen viele Düfte rum, die verbessert werden mussten und deshalb kam eine Frau mit „schmeckertem Wasser“ (= gleich Parfüm), das den Damen auf die Haare gesprüht wurde. Auch das erbrachte ein Taschengeld. Wer schon als Hochzeitsgast geladen ist – welche Ehre – darf natürlich nicht ohne Geschenk kommen. Dieses war sorgfältig in einem Briefumschlag verpackt. Ein größerer oder mehrere kleine Scheine durften es schon sein. Paar für Paar wurde vom Hochzeitslader aufgerufen, ein Vorgang, der sich über längere Zeit hinzog. Jeder Gast wurde mit einem „Schnadahüpfl“ empfangen, ehe er mit einem Glas Wein auf das Wohl des Brautpaares anstieß. War der Gast des Singens kundig, antwortete er auch mit einem Vers. Die Geschenkkuverts wurden in eine große Suppenschüssel gelegt. Das Danken zog sich bis in den Nachmittag hin. Unterdessen hat der Fotograf vor dem Wirtshaus schon sein Fotogestell aufgebaut. Schließlich wollte auch er was verdienen und die Gäste wollten eine Aufnahme der gesamten Hochzeitsgesellschaft, die dann in der Stube auf der Kommode einen Platz fand. Das Gewurle vor dem Wirtshaus nutzten nun die Burschen, um unbemerkt vom Bräutigam die Braut zu stehlen. Die lustige Gesellschaft verschwand entweder in Wirtshaus eines Nachbarortes oder in einem Haus, wo man bei Sekt lustige Stunden mit der Braut verbrachte. Nun hatte der Bräutigam die Mühe, seine Anvertraute zu suchen und mit Wein oder Sekt auszulösen. Inzwischen war es Abend geworden. Einige Burschen nutzten den Moment und suchten das Gehöft der Eheleute auf, schlichen sich bis zum Schlafzimmer vor und montierten das Bett so, dass es beim Einsteigen zusammenkrachte. Im Wirtshaus aber war noch lange keine Ruhe, bei Walzer und bayerischem Zwiefachen wurde bis in die Nacht hinein getanzt. Für die Brautleute war damals die Hochzeit noch nicht aus. Am nächsten Tag nahm man sich der Schüssel mit den Geldgeschenken an, zählte die Scheine, trug alles sorgfältig in eine Liste ein; denn es konnte ja sein, dass man sich in Bälde bei einer anderen Dorfhochzeit für das Geschenk revanchieren musste. Das Geld war mehr oder weniger nur geliehen. Während heute schon lange vor der Hochzeit eine Flugreise nach Mallorca oder eine Kreuzfahrt in die Karibik für die Flitterwochen gebucht wurde, war an so etwas damals noch nicht zu denken, denn dazu fehlte das Geld und es gab auch noch keine Flugzeuge.
Quelle: Hans Hofmann/BOG Zeitung vom 25. November 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer Sperrfrist)
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