1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 60 Das Daller-Holzapfel'sche Kuratbenefizium (1910-1955/1968)
Gedenktafel an der Friedhofkapelle für den Begründer der „Cooperaturstiftung" (gez. Franz Wartner) - Lage des ehemaligen Benefiziatenhauses in der Burgstraße (Bayernatlas, 1960) - Vergrößern durch Anklicken!
Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
Zu den vorhergehenden Kapitelbeiträgen können Sie sich im Menue rechts in der Grafik „1000 Jahre Geschichte um Mitterfels“ durchklicken.
Das Daller-Holzapfel'sche Kuratbenefizium (1910-1955/1968)
Unter diesem Namen erscheint es in der Pfarrbeschreibung von 1911. Die beiden Stifter sind hier genannt: Benefiziat Michael Daller und die Geschwister Holzapfel.
Michael Daller stammte aus Reisbach (dort 1781 geboren), war Benefiziat in Falkenfels, lebte seine letzten Jahre in Mitterfels und starb hier 1861. (An der Friedhofkirche ist eine Gedenktafel an ihn als "Begründer der Cooperatur-Stiftung".) Drei Jahre vor seinem Tod, unter Pfarrer Johann Schröck, stiftete er 1000 Gulden für die Errichtung einer Kooperatur oder eines Kuratbenefiziums Mitterfels. Bald darnach stifteten die drei Geschwister Johann, Michael und Walburga Holzapfel 5800 Gulden. Damit war eine bedeutende Summe für einen Hausbau vorhanden. In der Folgezeit ist nur einmal (am 24.3.1889) die Rede von einem möglichen Kauf eines "Frühmesserhauses". Die ernsthaften Pläne beginnen erst ab 1908. Aus zahlreichen Gemeindebeschlüssen und Bürgerversammlungen lässt sich der Werdegang verfolgen. Das Schwierigste scheint nicht die Finanzierung gewesen zu sein, sondern die künftigen Rechtsverhältnissse. (Sie spielten selbst noch 1968, beim Verkauf des Benefiziums herein.)
Gedenktafel an der Friedhofskirche zur Erinnerung an Michael Daller, den Mitbegründer der Mitterfelser Benefiziumsstiftung - Foto: Herwig Hoinkes - Vergrößern durch Anklicken!
Am 24. April 1908 wurde unter Bürgermeister Engl (Eisenhart) beschlossen, dass sich die politische Gemeinde, entsprechend dem Willen des Stifters, das Eigentumsrecht des zukünftigen Benefiziatenhauses vorbehält, dasselbe aber der Benefiziumspfründe jederzeit zur Verfügung stellt. Für den Bauunterhalt werden 2000 Mark "fruktifizierend" bei der Distriktsparkasse Mitterfels angelegt.
Am 24. Mai 1908 wird ergänzend beschlossen, fehlende Mittel auf die Gemeindekasse durch "Peroneration" (Belastung) von Umlagen zu übernehmen und als "Refundierungszeit" (Rückzahlung) 30 Jahre festzulegen.
Vier Tage danach wird die Bürgerversammlung einberufen - von 123 Stimmberechtigten erscheinen 96 -, um im Auftrag des kgl. Bezirksamtes über diese finanzielle Planung Beschluss zu fassen.
Am 9. August 1908 ist erneut Bürgerversammlung, es erscheinen 102 von 122 Berechtigten. Es wird beschlossen, den Grund und Boden, auf dem zur Zeit von der Kirche das Frühmesser-Benefiziatenhaus errichtet wird, an die noch zu genehmigende Frühmesser-Benefiziatenstiftung zu übergeben. Bedingung ist jedoch, dass der Stiftungsbrief ausdrücklich bestimmt, dass Frühmessen an allen Sonn- und Feiertagen auch dann zu halten sind, wenn die Stelle einmal nicht besetzt ist, oder der „Frühmesser“ aus persönlichen Gründen verhindert ist.
Am 14. März 1909 ist erneut Bürgerversammlung - es kommen 95 von 122. Alle bisherigen Beschlüsse werden bestätigt.
Nächste Bürgerversammlung ist bereits am 28. März. Es geht um eine kritische Entscheidung, und es erscheinen 82 Stimmberechtigte. Es ist über das künftige Eigentumsrecht des Benefiziatenhauses zu entscheiden. Das Ergebnis zeigt eine recht unterschiedliche Auffassung: 34 stimmen für eine Übereignung an die zu errichtende Benefiziatenpfründe, 38 sind dagegen und behalten sich als Gemeinde das Eigentumsrecht vor, 10 enthalten sich der Stimme.
In der Pfarrbeschreibung von 1911 steht dann, dass das Daller-Holzapfel'sche Kuratbenefizium Mitterfels 1911 an die Pfarrkirche Mitterfels gestiftet wurde. Zum "Wittum" gehören ein Gemüsegarten, ein Grasgarten und Obstgarten mit 990 m2. Von den sieben Zimmern sind sechs heizbar, elektrisches Licht "ist möglich". Die Wasserversorgung ist durch ein Mitbenutzungsrecht beim Nachbarhaus gesichert. Der Benefiziat hat die Verpflichtung zur sonntäglichen Frühmesse sowie zur Aushilfe im Beichtstuhl, bei der Katechese und in der Seelsorge. Es sind 1056 Katholiken zu betreuen (daneben gab es in Mitterfels noch 12 Protestanten, hauptsächlich Beamte aus dem fränkischen Raum), verteilt auf 43 Ortschaften aus den Gemeinden Mitterfels, Gschwendt, Dachsberg und Gaishausen.
Ehemaliges Mitterfelser Benefiziatenhaus (Burgstraße 35); seit 1968 in Privatbesitz - Foto: Herwig Hoinkes - Vergrößern durch Anklicken!
Als Datum der Errichtung des Benefiziums gilt der 7. Oktober 1910. Der 1. Benefiziat Georg Brandl begann am 8. Februar 1911 und blieb zwei Jahre. Dann folgte mit der längsten Dienstzeit Joseph Stauner (1913 -1928). Er galt in vielem als Original, mochte das Moosmüllerische Bier sehr gerne, schnupfte während der Messe des Öfteren,verbröselte dabei den Schnupftabak auf dem Altartuch, und ließ sich auch in dringenden Fällen nicht zur Eile treiben.
Von den weiteren Benefiziaten (Kugler, Krinner, Dürr, Rauscher, Bauer, Dr. Rußwurm, Dr. Leitelt) brachte es Joseph Krinner zu besonderer Popularität: Er gründete den Kath. Gesellenverein und hatte die gesamte Burschenchaft auf seiner Seite. Er und auch Dr. Rußwurm waren außerdem große Heimatkundler und Geschichtsforscher; vieles aus Krinners Nachlass ist auch in dieser Chronik verwertet. Dr. Rußwurm war viele Jahre ans Bett gefesselt und war umso rühriger mit der Feder.
In den 50er Jahren in Mitterfels lebende Pfarrer: Dr. Rainer Leitelt, Pfarrer Luitpold Schosser, Ruhestandspfarrer Alois Offenbeck, Ruhestandspfarrer Sebastian Gerlspeck, zusammen mit Otto Wartner (links) und Johann Wartner (2. von rechts) - Foto: Archiv Herwig Hoinkes - Vergrößern durch Anklicken!
Dr. Leitelt fand als Heimatvertriebener besonders guten Kontakt zu den Leuten in gleicher Lage. Er wurde dann Stadtpfarrer in Tübingen. Nach seinem Weggang 1955 wurde das Benefizium nicht mehr besetzt. 1968 wurden Haus und Grundstück an Privat verkauft. Wegen des 1908 erwähnten Eigentumsvorbehalts der Gemeinde kam es zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Marktgemeinde und Kirchenstiftung. Letztere glaubte sich im Recht, weil der Eigentumsvorbehalt von einst notariell nicht festgelegt war, und sich die Kirchenstiftung als Rechtsnachfolger der erloschenen Benefiziumsstiftung sah.
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