1000 Jahre Geschichte um Mitterfels (70)
Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
Zu den vorhergehenden Kapitelbeiträgen können Sie sich im Menue rechts in der Grafik „1000 Jahre Geschichte um Mitterfels“ durchklicken.
Der Luftkurort und sein Fremdenverkehr
Aus der Geschichte des einstigen Fremdenverkehrs- und Verschönerungsvereins ersehen wir, dass man in Mitterfels schon um 1910 auf den Fremdenverkehr setzte.
Kartengrüße aus der Sommerfrische Mitterfels stellten damals eine Werbung für den „Fremdenverkehr“ dar: Ansichtskarte „Gruss aus Mitterfels“ (um 1900); colorierte Zeichnung mit fünf Einzelbildern (Ort, Bahnbrücke, Perlbach, Teufelsfelsen, Hauptstraße mit St. Georg); Verlag v. Verschönerungs-Verein Mitterfels; Slg. Elisabeth Aumer - Vergrößern durch Anklicken!
Ansichtskarte „Gruss aus Mitterfels“ (um 1900); colorierte Zeichnung mit fünf Einzelbildern (Perlbach, Total-Ansicht, Der hohe Stein, Marktplatz, Bahnbrücke); Verlag: Th. Bauer, Mitterfels; Slg. Stolz - Vergrößern durch Anklicken!
Ansichtskarte „Gruss aus Mitterfels“ (um 1900); Chromolithographie: vier Bildausschnitte im Jugendstilrahmen zeigen: Ortskern, Partie aus Perlbachtal mit zwei „Grazien“, Teufelsfelsen und Perlbachtal; ohne Verlagsangabe; Slg. Otmar Kernbichl - Vergrößern durch Anklicken!
Verstärkt wiederum warb man in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts um Gäste, als die Gemeinde als neuen Anziehungspunkt das Waldbad baute. Damals gab es an die 100 Fremdenbetten in der "Sommerfrische Mitterfels".
Der erste Mitterfelser Prospekt erschien im Jahre 1937 als Faltblatt. Hier die Außenseite. Archiv AK Heimatgeschichte Mitterfels. - Vergrößern durch Anklicken!
Nach dem Krieg waren die "Fremdenzimmer" über Jahre durch Flüchtlingszustrom blockiert. Aber kaum war es wieder aufwärts gegangen, und kaum hatte der Ort durch längst überfällige Baumaßnahmen an Straßen und Wasserversorgung ein neues Gesicht, da setzte der junge, ideenreiche Bürgermeister Albert Dietl erneut auf den Fremdenverkehr, als ein die Wirtschaft ankurbelndes Element. Er wagte gleich einen großen Sprung: Mitterfels sollte "Luftkurort" werden, wie kurz davor Bayer. Eisenstein und Bodenmais.
Prompt traf 1955 die Prüfungskommission des Fachausschusses für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen ein, mit einem Fachmann für jeden Prüfungsbereich: Lage und Landschaft, Ortsbild und Bebauung, Verkehrs- und Straßenverhältnisse, Wasserversorgung und Trinkwasserqualität, Stand der Entsorgung, Zustand der Beherbergungsbetriebe und der Privatquartiere, Voraussetzungen für Werbung, Information und Betreuung der Gäste, und schließlich auch das, was der Name mit ausdrückt: Wetter- und Klimaüberprüfungen. Es wurden Auflagen gemacht, aber eine Aufwertung zum "Erholungsort" gab es umgehend.
1957 kam die gleiche Kommission zur Nachprüfung. Sie fand die wesentlichen Dinge erfüllt, und so kam (wie ein Weihnachtsgeschenk) am 16.12.1957 die Zuerkennung des Charakters eines Luftkurortes. Es war der dritte im Bayerischen Wald, aber dennoch keine Garantie auf Dauer. Man verlangte stets neue Anstrengungen und das Schritthalten nach neuen Anforderungen und Ansprüchen im Fremdenverkehrsbereich. So wurde der Gemeinde die Auflage erteilt: entweder eine vollwertige Kanalisation mit Kläranlage oder Streichung des Prädikats "Luftkurort". Da stand der Gemeinde in den Jahren 1967 bis 1971 ein großer schwerer Brocken bevor.
Danach forderte das Bayerische Staatsministerium des Innern eine Wetter- und Klimamessung über volle zwei Jahre. Eine Wetterstation wurde gekauft und im Point-Gelände aufgestellt; Familie Bernkopf verpflichtete sich, zwei Jahre lang tagtäglich dreimal die Instrumente abzulesen, die Sichtbeobachtungen zu tätigen und den umfangreichen schriftlichen Arbeitsanfall zu leisten. Dies geschah zwischen Dezember 1979 und Dezember 1981. Im Januar 1982 traf dann auch die Klima-Analyse des Wetteramtes München ein. Sie mag auch den Laien interessieren:
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Das Problem der Nebeltage fand eine Milderung im ortstypischen Bereich der Berg-Talwind-Zirkulation, einzig zu verdanken unserem Perlbachtal. Es wurde ein abendlicher Austausch der wärmeren (schwüleren) Luft durch Frischluftmassen infolge der Bergwindzirkulation im Bereich des Menachtales registriert. Die Lokal-Klima-Messungen müssen alle zehn Jahre, die Aerosolmessungen (Rauch, Staub, Nebel) alle fünf Jahre wiederholt werden.
Nun ist freilich klar, dass mit der "Luft" allein noch kein "Luftkurort" gewährleistet ist. Dieses Prädikat zu sichern, hat sich Mitterfels große Anstrengungen kosten lassen: mit einer Vielzahl von Einrichtungen für Freizeit und Sport, für Straßen- und Ortsbild, für gute Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen, zur Gästebetreuung, zur Gäste-Unterbringung. Wir finden einiges darüber in unseren Darstellungen der Baumaßnahmen und der Tätigkeit des Verkehrsvereins. Das meiste davon kommt gleichermaßen auch dem eigenen Bürger zugute - hier lässt sich eigener Fortschritt nicht trennen von dem, was auch dem Gast geboten wird. Und das ist gut so.
Zu sagen ist noch, wie der Luftkurort seine Information und Werbung ansetzte und welche Erfolge sich zeigten. Von Anfang an hatte es ein Verkehrsamt gegeben, lange Zeit geführt von Frau Späte, ab 1973 durch Frau Meier, ab 1986 durch einen Angestellten der Marktgemeinde (Christian Schiedermeier). Von hier aus ging die Werbung hinaus, hier wurden die Zimmer registriert und Quartiere vermittelt, hier wurden auch den Gästen Hilfen geboten, wurden Ausflugsfahrten und Heimat- und Unterhaltungsabende organisiert, alles auch im Zusammenspiel mit Gemeinde und Verkehrsverein. Die Verkehrsamtsleiterin verstand es auch, über die Gemeindezuschüsse und die Vereinsmittel hinaus Geldmittel herzubringen, etwa für Ruhebänke.
Dem Verkehrsverein oblag es, Prospekte zu erstellen und zu gestalten. Es gab den ersten Prospekt 1950, dann immer wieder neue, veränderte und verbesserte Auflagen, wie 1981 in besonders schöner und umfangreicher Gestaltung. 1982 ließen die Vermieter und Beherbergungsbetriebe erstmals einen farbigen Häuserprospekt herausbringen. Der umfangreichste Farbprospekt wurde 1987/88 herausgebracht. Er schließt auch die Gemeinden Haselbach, Ascha und Falkenfels mit ein, ebenso den Häuserprospekt.
Prospekt von 1955, zweimal gefaltet, nur Außenseiten in Farbe; Graph. Kunstanstalt Heinrich Schiele, Regensburg - Vergrößern durch Anklicken!
Der erste Werbeprospekt nach der Ernennung zum Luftkurort am 16.12.1957; Fotos: Eiglsperger und Bertram-Luftbild – Titelbild und Zeichnungen: Georg Fritz, Graphiker, Mitterfels – Gestaltung und Druck: Karl Thiemig, München, 1958 - Vergrößern durch Anklicken!
„Luftkurort Markt Mitterfels – beliebtes Urlaubsziel im Bayerischen Wald“, 1987/88. Achtseitiges Geheft mit allen Beherbergungsbetrieben; der Prospekt warb bereits für alle Orte der VG Mitterfels. Herausgeber: Verkehrs- und Verschönerungsverein Mitterfels; Fotos: Eiglsperger, Mitterfels - Vergrößern durch Anklicken!
1979 schuf der Verkehrsverein ein sehr eindrucksvolles Werbeplakat zum Aushang in Werbebüros, Bahnhöfen u. dgl. 1979 hatte die Gemeinde auch erstmals Gelegenheit, im Rahmen einer auf Landkreisbasis gestarteten Großwerbung eine Tourist-Messe in Hamburg zu besuchen (seither mehrfach nachgeahmt). Neben Verkehrsverein und Verkehrsamt brachte die Druckerei Franz Stolz auf eigene Initiative immer wieder Wanderhilfen heraus. So gab es schon 1970 eine Broschüre "Mitterfelser Wanderführer", 1976 und 1980 einen Faltplan "Orts- und Wanderplan Mitterfels", und schließlich 1986 das schmucke Büchlein "Wandern um Mitterfels" - alle drei verfasst von Franz Wartner.
Orts- und Wanderplan Mitterfels / Wandern um Mitterfels: erstellt von Franz Wartner (1980) - Vergrößern durch Anklicken!
Und der Erfolg? Die Übernachtungszahlen drücken es aus. Da hatte man sich 1956 noch mit 6.000 Übernachtungen begnügt. Bis es 10.000 wurden, vergingen fünf Jahre. Dann zog die Zahl stärker an: 1965 waren es 24.000. Wieder trat eine Stagnation ein, und es mussten weitere 15 Jahre vergehen, bis 30.000 erreicht waren. Dann baute eine Bauherrengesellschaft das Appartementhotel mit 250 Betten. Das wirkte sich schlagartig für den ganzen Ort aus: 1981 stieg die Übernachtungszahl auf 42.000, 1982 auf 52.000, 1983 auf 63.000. Bei etwa dieser Zahl blieb es auch 1984 und 1985 - die allgemeine Rezession konnte wenigstens ohne einen Rückgang überwunden werden.
Übernachtungszahlen des Luftkurortes Mitterfels von 1956 bis 1983 (auf 1.000 gerundet) - Vergrößern durch Anklicken!
Ansichtskarte „Metro-Ferienclub“ um 1990; Aufn. und Verlag Foto Eiglsperger, Mitterfels; Slg. Elisabeth Aumer - Vergrößern durch Anklicken!
Freilich mit 60.000 Übernachtungen nimmt sich der "Luftkurort" gegenüber anderen doch recht bescheiden aus. Aber man ist dennoch froh über das Erreichte und tut alles Erdenkliche für eine Steigerung, schon dem eigenen Ort und der eigenen Wirtschaft zuliebe.
>>> Mehr zum Thema und über die Entwicklung nach der Drucklegung der Chronik 1988 findet der interessierte Leser im Beitrag von Alois Bernkopf „50 Jahre Luftkurort Mitterfels: Von der Sommerfrische zum Luftkurort“ im Mitterfels Magazin 13/2007.
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