"Histor. Mosaikstein": Mitterfels und der 25. April 1945 - Gelöbnis der Bevölkerung

einmarsch_amerikaner

 

Foto: Einmarsch der Amerikaner in einem Dorf im Vorwald

25. April 1945 in Mitterfels: KZ-Todesmarsch und Einmarsch der Amerikaner

Der 25. April des Jahres 1945 gilt bei allen Mitterfelsern, den älteren wie den jüngeren, wenn sie sich mit ihrem Ort identifizieren, als ein Tag, an dem „Zeitgeschichte“ ins Dorf kam.

bergung der totenZuerst wurde auch die Bevölkerung von Mitterfels, die den 2. Weltkrieg nur aus der Distanz erlebte, mit dem blutigen Nazi-Terror konfrontiert. Nach einem Himmler-Befehl sollte kein KZ-Häftling lebend in die Hände der Alliierten fallen. Die blutige Spur eines „KZ-Todesmarsches“ mit Häftlingen aus dem Konzentrationslager Flossenbürg zog sich durch unser Dorf. (Der AK Heimatgeschichte berichtete darüber, zuletzt im Mitterfelser Magazin 11/2005). 60 Jahre danach, vor 5 Jahren also, gedachten wir Mitterfelser mit einem Mahnmal im Friedhof dieser schrecklichen Geschehnisse.
Foto: Bergung der Ermordeten des KZ-Marsches
Am selben Tag noch rückten die Amerikaner ein, und dass der Einmarsch friedlich verlief, war einer Abordnung der Gemeinde zu verdanken, die den amerikanischen Truppen entgegengezogen war, um durch Zusicherung widerstandsloser Aufgabe die Verschonung des Ortes vor der Zerstörung zu erwirken.
Über die letzten Kriegstage und die Zeit der Besetzung von Mitterfels durch die US-Army danach hat der damalige Hauptlehrer Karl Heiß ausführliche Tagebuchaufzeichnungen erstellt, die wir im letzten Mitterfelser Magazin 16/2010 abgedruckt haben. Wir bringen den Eintrag vom 25. April 1945 hier:
Karl Heiß: "Der 25. April wird allen Mitterfelsern unvergesslich bleiben. Um 10 Uhr vormittags sahen wir SS-Leute, die auf der Straße von Haselbach nach Mitterfels mehrere Hunderte von Sträflingen aus dem KZ-Lager Flossenbürg dem Ort zutrieben. Die Begleitmannschaft fuhr auf einem Wagen. Hunde umkreisten den traurigen Zug und hetzten Zurückbleibende den anderen nach. Durch Schläge auf das Hinterhaupt mit einem Stock, der etwa einen Meter lang und 4 Zentimeter dick war, wurden diese abgezehrten Gestalten vorangetrieben, seit 19 Tagen, wie es hieß. Voll tiefster Erschütterung starrten wir auf diese Unglücklichen, die mit aufgehobenen Händen um Brot und Wasser bettelten.
Wahrscheinlich sollten sie noch bis Dachau gebracht werden, da ein SS-Mann von der Begleitmannschaft einen Mitterfelser fragte, wie weit es noch bis Dachau wäre. Immer wieder drängten sich Männer und mitleidige Frauen an den Zug, um den halb Verhungerten und Verdürsteten eine Kleinigkeit zu reichen. Doch immer wieder wurden sie von den Soldaten wortlos zurückgedrängt. Völlig Erschöpfte wurden durch den Ort von etwas kräftigeren Leidensgenossen gezerrt und geschleppt. Doch als der Zug verschwunden war, hörten wir einzelne Schüsse.
Als die SS- Mannschaft erfuhr, dass die Amerikaner schon in Ascha wären, schwenkten sie bei Scheibelsgrub auf die Straße nach Bogen ab. Hernach fanden wir die armen Opfer, durch Genickschüsse erledigt; sechs lagen im Grimmholz bei Rogendorf, 18 bei Scheibelsgrub. Kein Mensch kannte ihre Namen, ihren Stand oder ihren Wohnort. Der Landwirt Johann Wartner von Scheibelsgrub versuchte, bei Bürgermeister Schmatz zu erfahren, was denn nun mit den Toten geschehen solle. Er erreichte den Bürgermeister nicht und rief Gendarmeriewachtmeister Fuchs an. Der wies die Scheibelsgruber an, die Ermordeten an Ort und Stelle zu beerdigen. Das geschah dann gegen fünf Uhr.

Als Schlossermeister Ernst Stapf den Durchzug der Häftlinge um 11¼ von seinem Haus aus sah, nahm er Josef Kräh auf sein Motorrad und fuhr nach Ascha, den Amerikanern entgegen. Die beiden trafen im Ort auf eine Panzerabteilung, die von Pilgramsberg her kam. Stapf zog das Taschentuch und verlangte einen amerikanischen Offizier. Im vierten Panzer meldete sich einer und diesem erzählte er, dass etwa 400 politische Sträflinge durch Mitterfels, wahrscheinlich Agendorf zu, getrieben worden seien. Stapf und Kräh konnten in einem Panzerspähwagen bis Au bei Gschwendt mitfahren. Dort mussten sie aussteigen und nach Ascha umkehren, da die Amerikaner deutsche Truppen in der Nähe vermuteten. Die beiden fuhren auf dem Motorrad wieder heim. Von ihnen erfuhren wir, dass die „Ami“ in Ascha seien und dass eine Abteilung die Straße von Ascha herangefahren und nach Haselbach abgebogen sei. Bürgermeister Schmatz und Schlossermeister Stapf fuhren bis an die Straßengabelung und erwarteten dort die Amerikaner. Der Bürgermeister gab die Versicherung ab, dass Mitterfels nicht verteidigt werde. Der Offizier sagte, dass der Bürgermeister mit seinem Kopf für Ruhe bürgen müsse.
Wir im unteren Dorf hörten dann, dass die Amerikaner jetzt beim Sattlermeister Hösl, dann beim früheren Feuerwehrhaus und schließlich bei der Gendarmerie stünden. Voll Schrecken lief alles hin und her. Ich ging um ½ 3 Uhr zur Gendarmerie und sah dort zwei Panzerwagen auf der Straße. Amerikanische Soldaten mit Maschinenpistolen gingen herum. Soldaten der deutschen Wehrmacht sammelten sich gerade in der Nähe, legten ihre Waffen und ihre Ausrüstung ab. Aus allen Häusern hingen weiße Fahnen. Ein Befehl des amerikanischen Oberbefehlshabers General Eisenhower wurde eben angeschlagen, wonach alle Waffen, Feldstecher und Fotoapparate beim Bürgermeister abzugeben seien. Ein zweiter Anschlag verkündigte, dass alle Organisationen der NSDAP aufgelöst seien.

gedenkstein_friedhofDann fuhren die Amerikaner wieder ab, und wir gingen heim. Auf den Feldern zwischen Schmid Michl, Hafner und Attenberger Josef fanden wir alles zertrampelt, die Saat in den Boden gestampft, von Autos zerwühlt. Hier war für kurze Zeit ein Feldverbandsplatz errichtet worden. Und auf den Landstraßen nach Norden stauten sich unabsehbare Schlangen von Fahrzeugen, die nach Süden nicht mehr weiterkamen.

Abends halb sechs Uhr kam motorisierte Infanterie ins Dorf. Ihre Quartiermacher und unser Bürgermeister forderten die Bewohner der Häuser auf, innerhalb von zehn Minuten die Wohnungen zu verlassen. Der Bürgermeister sagte uns, dass wir morgen früh um acht Uhr wieder einziehen könnten. ...."
[Mitterfelser Magazin 16/2010, Seite 157 ff - noch erhältlich bei Gertrud Graf - Tel. 09961 6008]
 
 
Foto: 60 Jahre danach, vor 6 Jahren also, gedachten wir Mitterfelser mit einem neu errichteten Mahnmal im Friedhof (das alte war verschwunden) der Opfer dieses schrecklichen Todersmarsches durch Mitterfels am 25. April 1945.

 

 

 

 

 

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