Heimat erkunden
Naturfotograf Ralph Sturm dokumentiert das Verhalten von Tieren
Das Warten auf den richtigen Moment
Ein Turmfalke bei der Übergabe der Nahrung an das Weibchen, eine schwarze Wegameise, wie sie Honigtau aus der Blattlaus trinkt, oder Rote Heidelibellen beim Paarungsflug: Solche Momente sind nicht leicht im Bild festzuhalten. Dafür braucht es Gespür für die Natur und natürlich jede Menge Geduld. „Man bekommt nur einmal die Chance zum Schuss“, sagt Ralph Sturm. Der 46-Jährige aus Rain ist ambitionierter Hobby-Naturfotograf. Mit seiner Arbeit möchte er das Verhalten der Tiere – von der Paarung über die Brut bis hin zur Nahrungsaufnahme – dokumentieren und erklären.
Bis ein Bild im Kasten ist, kann es lange dauern. „Die Chance ist 50 zu 50.“ Manche Fotos entstehen spontan beim Spazierengehen oder Radfahren. Ein andermal dauert es drei bis vier Stunden, bis das richtige Motiv vor der Linse ist. Diesen Moment gilt es dann nicht zu verpassen, weshalb trotz des langen Wartens ständige Konzentration gefragt ist. „Man verpasst viele Szenen, wenn man nicht aufpasst“, erklärt Ralph Sturm. Schließlich spielten sich diese teilweise in Bruchteilen von Sekunden ab, und: „Ich kann den Turmfalken nicht fragen, ob er noch mal die Beute an sein Weibchen weitergeben könnte, weil ich mit der Kamera zu langsam war.“ Neben dem Warten auf den richtigen Moment müsse zudem die Kameraeinstellung regelmäßig den aktuellen Lichtverhältnissen angepasst werden: „Der jeweilige Sonnenstand darf nicht unterschätzt werden.“
Tiere nicht stören
Bei der Naturfotografie dürfe jedoch eines nicht außer Acht gelassen werden – genauso wie beim normalen Umgang in der Natur auch: „Die Tiere dürfen nicht gestört werden“, sagt der 46-Jährige. Denn: „Es hätte fatale Folgen, wenn man zu viel eingreift.“ Schlimmstenfalls verlassen diese ihr Gebiet. Darum sei es wichtig, sich den Tieren langsam zu nähern und sich angemessen zu verhalten. Manchmal sei es sogar nötig, sich zu tarnen, um mit der Natur zu verschmelzen: „Wer das Verhalten der Tiere dokumentieren will, darf nicht auffallen.“
Nichts übers Knie brechen
In solchen Situationen stellt Sturm ein Tarnzelt auf und lässt es einige Zeit allein stehen. Erst wenn sich die Tiere an diese Veränderung in ihrer Umgebung gewöhnt haben, kommt er selbst hinzu und positioniert sich darin. Dann dauert es meist nochmals einige Zeit, bis sich die Tiere an seine Anwesenheit und die Kamera gewohnt haben. Sobald sie das alles jedoch positiv verknüpfen und feststellen, dass davon keine Gefahr für sie ausgeht, geht wieder alles seinen gewohnten Gang. Schließlich gibt es im Wald und generell in der Natur ständig Veränderungen, sei es weil ein Ast abknickt oder ein anderes Tier vorbeihuscht. Als Naturfotograf müsse man einfach akzeptieren, dass alles seine Zeit braucht: „Ich kann hier nichts übers Knie brechen.“
Für Ralph Sturm spielt es deshalb auch weniger eine Rolle, dass das Tier in voller Pracht im Vordergrund steht. Vielmehr könne es bei ihm vorkommen, dass ein Vogel einen Ast vor dem Gesicht hat, wenn es durch das Umfeld so gegeben ist. Das erhöhe sogar den Wiedererkennungswert bei den Menschen: „Er wird so eher identifiziert, weil man ihn im Alltag einfach genauso sieht.“
Deshalb schweift der Naturfotograf für seine Motive auch nicht in die Ferne. „Die Aufnahmen, die mir etwas bedeuten, bekomme ich im Ausland nicht.“ Denn er versucht, die Umgebung bis ins Detail bekannter zu machen, weil ihm die Erfahrung gezeigt habe, dass es in der Heimat so viele Tiere und Verhaltensweisen gibt, die die Menschen gar nicht bewusst sehen und kennen.
„Die Tiere finden mich“
Sein Gebiet ist dabei sehr vielfältig. Es reicht von Vögeln über Säugetiere, Insekten und Amphibien bis hin zu Reptilien und Krustentieren. Dabei sind Nahaufnahmen aus drei bis vier Millimetern Entfernung genauso zu finden wie Aufnahmen aus 150 Metern Entfernung. Ebenso Bilder in der Luft, auf dem Boden und unter Wasser. Die Motive zu finden, sei dabei gar nicht so schwierig. Denn: „Die Tiere finden mich.“ Man müsse nur deren aktive Phasen, Biotopansprüche und Verhalten etwas kennen.
Seine Aufnahmen teilt der dokumentarische Naturfotograf mit anderen Menschen bei Vorträgen und in Filmen. Pro Jahr hält er etwa zehn bis 15 Vorträge für Ämter, Institutionen, Naturverbände oder Schulen im Inland und deutschsprachigen Ausland. Zudem hat er bereits Filmsequenzen für zwei Kinofilme und sieben Fernsehproduktionen zur Verfügung gestellt. Aktuell arbeitet er an einer Dokumentation über Schmetterlinge mit.
Sein Anliegen ist es, mithilfe der Aufnahmen bei den Menschen das Interesse für die Tiere und deren Verhalten zu wecken und dieses zu dokumentieren und zu erklären. Allerdings schützt er diese zugleich, da er nicht angibt, wo die Bilder entstanden sind. Auch wenn es teils mehrere Stunden in Anspruch nimmt, bis eine wenige Sekunden dauernde Szene festgehalten ist. Das Ausharren lohnt sich, denn: „Dieser Moment ist im Bild für die Zukunft eingefroren.“
Quelle: Katrin Wallner, in: BOG Zeitung vom 29. August 2016 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sprrfrist.)
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