Heimat erkunden
Hausnummern - Spiegelbild für Dorf und Gemeinde
Geschichte der Hausnummerierung in Mitterfels bis 1995
Bei Hausnummern stehen obenan Notwendigkeit und Zweck: für Wohnsitz und Adresse, für Eigentum, Besteuerung, Versicherung. Mit einem Blick zurück aber werden Hausnummern zum Spiegelbild für die Entwicklung von Dorf und Gemeinde.
Mitterfels/Scheibelsgrub 1994/95: auf Mitterfelser Flur um 400 Hausnummern, auf Scheibelsgruber Flur um 160 Hausnummern (>>> Vergrößern durch Klick in Karte!)
Für den Beginn unserer Betrachtung ist uns die „Fassion des Steuerdistrikts Mitterfels” von 1808 eine ausgezeichnete Informationsquelle. Da sind, nach Ortschaften „Unterthanen” aufgezählt, und nichts ist vergessen: kein Haus und Nebengebäude, keine Flur und Nutzung, kein Zehent, keine Steuer, keine Gerichts- und Hofmarkszugehörigkeit.
Dieser Steuerdistrikt Mitterfels war einer von 50 innerhalb des kgl. (königlichen) Rentamts Mitterfels, das bereits im Kurfürstentum 1803 geschaffen und als selbständige Behörde aus der landgerichtlichen Hoheit herausgelöst war. Der Amtsbereich des Rentamts entsprach dem des Landgerichts - das waren um die 15 Quadratmeilen (rd. 800 qkm). Bei der Einteilung der Steuerdistrikte schaute man weniger auf die Bewohnerzahl, als vielmehr auf örtliche Lage und auf Abhängigkeit von etwa 20 Hofmarksherren. Der größte Steuerdistrikt war der Markt Bogen mit 904 „Unterthanen”, der kleinste Höhenberg bei Wiesenfelden mit 23.
Unser Steuerdistrikt Mitterfels glich großenteils der heutigen Gemeinde. Es fehlten lediglich die beiden Buchberg, Englberg und Einfürst; stattdessen waren 5 große Höfe von Schieda und Obermenach einbezogen - die größten im Distrikt. Die Häuserzahl betrug 91, nummeriert wurde ortschaftenweise: Nr. 1 - 35 für Dorf Mitterfels einschließlich Talmühle, Zackenberg und Reinbach; Nr. 1 - 22 für Dorf Scheibelsgrub einschließlich Schoppiehl; Nr. 1 - 6 für Dorf Weingarten; je 2 Hausnummern für die Weiler Kreuzkirchen, Wollersdorf, Ober- und Unterhartberg (damals Niederhartberg) und Obermenach; je 1 Hausnummer für die Einöden Aichmühl, Aign, Auhof, Dunk, Eisenhart, Großkohlham, Hermannsberg, Höfling, Höllmühl, Kleinkohlham, Miething, Pürstenberg, Spornhüttling, Straßhof, Unterholzen, sowie Hinter-, Mitter- und Vorderschieda (damals Niederschieda).
Mitterfels/Scheibelsgrub um 1840 (>>> Vergrößern durch Klick in Karte!)
Die handschriftlich eingetragenen Nummern zeigen den Stand von 1808: in Scheibelsgrub 22 Hausnummern, in Mitterfels (einschließlich Weiherfeld, Zackenberg, Reinbach) 35 Hausnummern. Davon sind neu die Nummern 28 bis 35 zwischen 1805/1808 erbaut.
Interessant ist der Vergleich des Luftbildes um 1960 mit dem Ortsplan von 1840 oben: Die bauliche Veränderung in 120 Jahren ist minimal. (>>> Vergrößern durch Klick in Postkarte!)
1818 erhielten die Gemeinden das Recht auf freie Wahlen und auf Selbstverwaltung. Die Gemeinde Mitterfels führte eine neue, durchlaufende Hausnummerierung ein. Man kam auf 93 Hausnummern - die Endnummer fiel auf Einfürst. Das Gemeindegebiet unterschied sich vom obigen Steuerdistrikt: Einbezogen waren nunmehr Buchberg, Englberg und Einfürst; weggefallen Schieda und Oberme-nach. Doch das Einschneidenste: Auch Scheibelsgrub gehörte nicht dazu! Als eine „geschlossene Hofmark” des Grafen Jonner von Steinburg bildete es eine eigene Zwerggemeinde mit 21 Hausnummern (ohne Schoppiehl). Selbst nach Aufhebung der Hofmarken 1848 blieb Scheibelsgrub eine selbständige „Landgemeinde” bis 1875; und selbst dann noch behielt Scheibelsgrub seine eigene Hausnummerierung für weitere 60 Jahre.
Nun kennen Dorf- und Gemeindeentwicklung keinen Stillstand, und auch die Hausnummerierung muss damit Schritt halten; selbst wenn es über 115 Jahre geht, und die Häuserzahl von 93 auf 230 angestiegen ist. Man vermied jegliches Draufzählen; stattdessen hängte man bestehenden Hausnummern die Bruchzahlen 1/2, 1/3, 1/4 ... an für benachbarte, neu hinzugekommene Häuser. Im Kleinen erscheint das sinnvoll und überschaubar. Doch mit der Ausweitung der Bebauung kam es zu seltsamsten „Seitensprüngen”, wie die nachfolgenden Beispiele an den Hausnummern 29 und 30 aufzeigen.
Beide befanden sich in der mittleren Burgstraße (Plank). Die Folgenummern 29 1/2, 29 1/3 und 29 1/4 kamen jedoch an das äußerste Ortsende, heute Straubinger Str. 55, 57, 59 (Duschl, Schlamp, Schmidmeister). Noch unverständlicher war die Verteilung von 10 Folgenummern der Nr. 30 (hier nur ein Ausschnitt): 30 1/2 und 30 1/3 kamen an die Durchgangsstraße (Straubinger Straße) - die eine für das damalige Krankenhaus (heute Berufsfachschule), die andere für Haus Flohr (Nr. 15). Die Nummern 30 1/6, 30 1/8 und 30 1/9 wanderten an das nördliche Ortsende, heute Aschaer Straße 4 (ehem. Altschäffl), Haselbacher Straße 1 (Bade) und Bayerwaldstraße 26 (Hösl-Haus). Die Schlussnummer 30 1/10 wurde wieder in den Ort verlegt zu Straubinger Straße 4 (Hafner).
In den dreißiger Jahren, als schon über hundert solcher Bruchzahl-Nummern existierten, wurde eine völlig neue Durchnummerierung der Gemeinde vorgenommen. Nun konnte endlich auch Scheibelsgrub mit eingereiht werden, und so kam man auf 230 Hausnummern. Die Einteilung erfolgte in Sektoren rund um den Gemeindekern:
Nr. 1 - 118: Dorf Mitterfels einschließlich Talmühle, Schoppiehl, dazu die junge Siedlung „Waldeck“ und der gesamte Straßenzug von der Aschaer und Haselbacher Straße bis Ende Straubinger Straße.
Nr. 119 - 149: Dorf Scheibelsgrub, von der „Voglhöhe” bis Steinrießl und Talweg.
Nr. 150 - 157: Südlicher Gemeindebereich mit Herrnberg, Neumühle (153), Kreuzkirchen.
Nr. 158 - 163: Nördlicher Gemeindebereich mit Höllmühl (158), Kastenfeld (159), Reinbach, Unterholzen.
Nr. 166 - 179: Westlicher Gemeindebereich mit Klein- und Großkohlham (166 - 167), Miething (168), Spornhüttling (169), Zackenberg (170), Höfling (171), Auhof (172), Hörmannsberg (173 - 176), Englberg (177 - 178), Einfürst (179).
Nr. 180 - 212: Südwestlicher Gemeindebereich mit Eisenhart (180 - 181), Straßhof (182), Weingarten (183 - 192), Ober- und Unterhartberg (196 - 206), Aign (207 - 208), Pürstenberg (209), Dunk (210 - 211), Aichmühl (212).
Nr. 213 - 230: Östlicher Gemeindebereich mit Vorderbuchberg (213 - 218), Hinterbuchberg und Steinhaus (219 - 230). Die gemeindliche Endnummer 230 galt dem Haus der Franziska Wintermeier.
Im folgenden Jahrzehnt mit Krieg und karger Nachkriegszeit änderte sich nur wenig am Häuserbestand der Gemeinde. Erst mit der darnach folgenden Aufwärtsentwicklung und einer bis dahin im Dorf nie erlebten Bautätigkeit wiederholte sich das Problem mit der unüberschaubaren Hausnummerierung. Es wurde einfach weitergezählt, nach Reihenfolge der Bauanträge, ohne Berücksichtigung der örtlichen Lage. Für den Statistiker und Buchführer war das übersichtlich, für den sich am Ort Orientierenden wie ein unlösbarer Rösselsprung. Zumal das über 30 Jahre ging, und die Häuserzahl von 230 auf 545 anwuchs.
Dem Chronisten wiederum ist diese laufende Einordnung eine Hilfe: bei der Suche nach den ersten, die die alte Endmarke „230“ aufstockten; bei dem Mitdenken, wie sich neben Einheimischen auch Heimatvertriebene und Neubürger nach und nach eine Heimstatt schufen; beim Vergleichen alter Ortsbilder: wie das Dorf seine Enge sprengte und wie es in die Ackerflur ringsum einbrach; und wie lange es dauerte, bis wieder ein halbes oder gar ganzes Hundert weiterer Häuser entstanden war. Bei solcher Überlegung möchte man gerne etliche Male Station machen und das Wachsen im Dorf und in der Gemeinde in Erinnerung bringen.
Beginnen wir mit jenen, die als erste die bisherige Endzahl 230 aufstockten: Alfons Atamasenko mit Haus-Nr. 231, Alfred Agricola (232), Rosina Bauer (233), Josef Buchinger (235), Ludwig Hirtreiter (237), und als erster aus den Reihen der vielen Heimatvertriebenen Karl Hoinkes mit seiner Teppichweberei in Haus-Nr. 240.
Es vergingen 12 Jahre nach dem Krieg, bis mit Nr. 300 ein neues Hundert erreicht war; sie entfiel auf die Sparkasse, die sich 1957 in der Lindenstraße ansiedelte. Es folgten Apotheker Kalten (301), L. Kiefl (302), Elisabeth Aumer (303), Z. Grimme (304), H. Bachl (305), Dr. Schindler (306), Karl Klein (307), Franz Wartner (308), Josef Rieger (309), Adolf Gierl (310).
Wiederum brauchte es 12 Jahre zum Erreichen eines weiteren Hundert. 1969 wurde der neuen Pfarrkirche in der Lindenstraße die Nr. 400 zugeteilt. Es folgten J. Steinkirchner (401), Jak. Schmidbauer (402), W. Stapf (403), K. Schmid (405), Th. Schmid (406), das Feuerhaus (407), die Haushaltungsschule (408).
Die folgenden Jahre verstärkte sich die Bautätigkeit ganz erheblich. Nach nur 2 Jahren war ein halbes Hundert erreicht: Nr. 450 entfiel auf Josef Graf in Oberfeld, Nr. 451 auf F. Wartner im neuen Baugebiet Scheibelsgrub I.
Im gleichen Bautempo ging es weiter: 1973 wurde das fünfte Hundert begonnen: von M. Puff Haus-Nr. 500, F. Stärk mit Nr. 501, G. Karow mit Nr. 502, M. Beheim mit Nr. 503, A. Wieczorek mit Nr. 505.
Bis 1976 drehte sich das Hausnummernkarussell: Mit Nr. 545 erreichte es die höchste, je in Mitterfels vergebene Hausnummer (Fr. Kohlhäufl, heute Hochfeldring 41). Dann entschied sich der Gemeinderat unter Bürgermeister Walter Uekermann zur (längst überfälligen) Einführung von Straßennamen, den gesamten Raum Mitterfels-Scheibelsgrub umfassend. Für die Außenorte bedeutete dies gleichfalls eine Änderung, nämlich die Rückkehr zur früheren, nunmehr der Entwicklung angepassten ortseigenen Nummerierung.
Das Wachsen nimmt auch heute - 1995 - kein Ende. Hatten wir bis 1976 Schwierigkeiten mit dem „Nummernsalat“, so kann es leicht sein, dass wir heute bereits Mühe haben mit den 42 Straßennamen (neben den 34 Namen für die Einzelorte). Und machen wir uns die Mühe des Häuserzählens für 1995, so entdecken wir, dass die Zahl 700 schon weit überschritten ist.
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Quelle: Franz Wartner, in: Mitterfelser Magazin 1/1995, Seite 17 ff
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