Zeit der Begegnung - Zum 4. Adventssonntag

 

Weihnachten ist die Zeit der Besuche. Da müssen Eltern und Schwiegereltern besucht werden, die Großeltern und vielleicht die eine oder andere Tante. Wahrscheinlich hat da jede Familie ihre eigene Tradition, wer an den Weihnachtstagen wann wen besucht. Auf manche dieser Besuche freut man sich, manche sind vielleicht eher lästige Pflicht.

 

altar altenberg_maria_elisabethAuch Maria macht sich im heutigen Evangelium auf den Weg, um Verwandtschaft zu be­suchen: ihre betagte Verwandte Elisabeth, von der sie gehört hat, dass sie bereits hochschwanger ist. Maria hat es sehr eilig, so berichtet der Evangelist Lukas ausdrücklich, um ihre Verwandte zu besuchen. Es ist also vermutlich kein lästiger Pflichtbesuch, sondern der kommt von Herzen.


Altarflügel in Altenberg (Detail): Maria besucht Elisabeth, um 1340

 

 

Der Evangelist sagt zwar nichts darüber, warum Maria ihre Verwandte besuchen will, aber man kann es sich leicht denken. Eben hat ihr der Engel die Botschaft gebracht, dass sie ein Kind erwartet vom Heiligen Geist. Und vom gleichen Engel erfährt sie, dass auch ihre Verwandte Elisabeth, die doch eigentlich schon viel zu alt für ein Baby ist, dass die ebenfalls ein Kind er­wartet. Da sind also zwei Menschen in einer ganz ähnlichen Situation: bei Frauen schwanger, Gerede und Getuschel der Leute, die das nicht verstehen können; vielleicht sogar Ablehnung und Aus­grenzung. Für Maria bedeutet das: Da ist jemand, der mich versteht! Das war sicher der erste Gedanke Marias, und deshalb macht sie sich auf den Weg. Und natürlich auch, um sich zu vergewissern, ob das stimmt, was ihr der Engel Gabriel verheißen hat.

 

Tatsächlich spürt man in dieser Begegnung der beiden Frauen, dass da zwei Menschen aufeinander treffen, die sich ohne große Worte verstehen. Maria muss kein Wort sagen, schon im Augenblick der Begrüßung spürt Elisabeth, was mit Maria los ist. Und sie reagiert nicht mit Verwunderung oder Empörung oder Vorhaltungen - „Kind, wie konntest du nur!“ -, sondern sie begreift sofort: Hier hat Gottes Geist gewirkt. In diesem Augenblick geschieht wirkliche Be­gegnung zwischen zwei Menschen, eine Begegnung, die beide bis ins Innerste berührt.

 

Wer aber genau hinhört bei diesem Evangelium, der spürt auch, dass dem Evangelisten die Begegnung zwischen Elisabeth und Maria eigentlich gar nicht das Wichtigste ist. Wichtiger noch ist eine andere Begegnung, die sich da abspielt: Schon im Mutterleib begegnen sich hier Jesus und sein Vorläufer: Johannes der Täufer. Das ist die eigentliche Begegnung, um die es hier geht: Jesus begegnet Johannes, und Johannes erkennt schon im Mutterleib den Herrn.

 

Diese Begegnung ist für den Evangelisten so etwas wie eine Überschrift über sein ganzes Weih­nachtsevangelium. Hier wird bereits deutlich, was an Weihnachten geschieht: Gott kommt, um uns Menschen zu begegnen. Und es ist eben nicht bloß eine Art Pflichtbesuch, den Gott in dieser Welt absolviert, sondern er kommt, weil es ihm ein Herzensanliegen ist. Er kommt, um uns wirklich zu begegnen; so zu begegnen, dass es uns bis ins Innerste trifft und bewegt - so wie Johannes schon im Mutterleib durch diese Begegnung bewegt worden ist. „Da hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“, sagt Elisabeth.

 

Johannes spürt im Augenblick dieser Begegnung: Das ist der Herr, der Messias; der, dem ich mein ganzes Leben widmen werde. Diese Begegnung bestimmt sein ganzes Leben, verändert sein Leben, noch bevor es richtig begonnen hat. Von jetzt an wird es seine Lebensaufgabe sein, die Menschen auf die Begegnung mit dem kommenden Messias vorzubereiten, sie so vorzubereiten, dass wirkliche Begegnung geschehen kann.

 

Wirkliche Begegnung verändert die Menschen. Das wird an Johannes deutlich. Wer nicht bereit ist, sein Leben auch verändern zu lassen, wer will, dass alles immer schön beim Alten bleibt, der ist nicht offen für wirkliche Begegnung. Der empfindet Besuche höchstens als lästige Verpflich­tung, die man über sich ergehen lassen muss – so wie der Ochse an der Krippe; der Ochse, der mit seinem Leben zufrieden ist, der alles Unerwartete nur als störend erlebt und der die Einquartierung der Heiligen Familie in seinem Stall nur als Zumutung empfinden kann.

 

Begegnung, die mich und mein Leben verändert, die setzt voraus, dass ich innerlich beweglich bin, dass ich bereit bin, mich auf den Weg zu machen wie Maria im heutigen Evangelium; wie die Tiere, die uns bis heute durch den Advent begleitet haben: das Kamel, der Esel, das Schaf. Wer sich dagegen wie der Ochse fest eingerichtet hat – im Gegensatz zu den anderen Tieren an der Krippe, die aufrecht stehen, liegt der Ochse oftmals am Boden; ein sichtbarer Ausdruck für dieses Festgelegte, Eingefahrene, Unbewegliche -, wer nicht bereit ist, sich auf Neues einzulassen, der ist auch nicht offen für wirkliche Begegnung. Wer nicht bereit ist, sich verändern zu lassen, an dem wird das Entscheidende von Weihnachten vorbeigehen.

 

Vielleicht fragen wir uns so kurz vor Weihnachten: Wird Weihnachten etwas mit mir machen? Wird mich die Feier der Menschwerdung Gottes irgendwie verändern? Oder haken wir Weihnachten einfach ab? Wieder mal ein paar schöne Feiertage gehabt; und dann geht es weiter wie gewohnt.

 

Maria zeigt, wie es geht: Ich muss bereit sein, mich auf den Weg zu machen. Die Tiere, die uns durch diese Adventszeit begleitet haben, sie haben es auf ihre Weise immer neu gesagt: Ich muss bereit sein, meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Ich muss offen sein für eine Begegnung, die mein Leben verändern wird. Nur dann kann ich auch dem Herrn begegnen, nur dann werde ich spüren, wer mir da an Weihnachten begegnet: Gott selbst; jener Gott, der sich auf den Weg gemacht hat, um uns als Mensch zu begegnen.


Was sich der Ochse im Stall so denkt

 

 

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Rembrandt, Die Verkündigung für die Hirten (um 1640); Feder- und Pinselzeichnung; Hamburg, Kunsthalle

 

Was für ein Zirkus da in meinem Stall. Unverschämtheit! Mich hier zu belästigen und mir hier eine ganze Familie einzuquartieren. Und die Frau: hochschwanger, sieht aus, als ob es bald losgeht. Und dann der ganze Anhang: bringen auch noch ihren Esel mit. Der hat mir erzählt, was sie für einen weiten Weg gemacht haben. Wären sie doch grad zu Hause geblieben! Jetzt krempeln die mir mein ganzes schönes Leben hier um.

 

Ich will ja nicht sagen, dass mein Leben ein Traum ist. Ich muss schon ganz schön ran und malochen, auf den Feldern ackern, aber ich kann mich auch nicht be­schweren. Ich hab ein geregeltes Leben, hab hier im Stall ein Dach überm Kopf und bekomme anständig zu fressen. Was will man schon mehr? Also, ich erwarte gar nicht mehr vom Leben. Der Esel quatscht mir die Ohren voll von einem Stern und von der Erfüllung der Verheißungen und so was. Das interessiert mich nicht. Ich bin kein Träumer. Ich bin Realist.

 

Klar, ganz früher hab ich auch mal meine Träume gehabt: Freiheit, grüne Weiden und so. Aber was soll die Träumerei? Man muss sich halt mit dem zufrieden ge­ben, was ist. Ich bin ganz zufrieden, wenn ich abends im Stall mein Fressen hab. Was will man mehr?

 

Der Esel sagt, ich soll nicht bloß auf meinen Bauch hören, sondern auf mein Herz. Dann würde ich schon spüren, was hier vorgeht und dass es was Besonderes ist, dabei sein zu dürfen. Aber ich will einfach meine Ruhe. Was mich am meisten ärgert, ist, dass mir dieser Kerl da meine Futterkrippe geklaut hat und dabei ist, daraus ein Bett für das Kind zu machen, wenn es geboren ist.

 

Der Esel sagt, ich wäre einfach zu faul und behäbig, um zu begreifen, was hier geschieht. Man muss bereit sein, sich auf den Weg zu machen, aufzubrechen, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Nur so können sich die Träume und Sehnsüchte auch erfüllen. Nur so könnte man begreifen, dass dieses Kind, das da geboren wird, derjenige ist, der unsere tiefste Sehnsucht erfüllen kann.

 

Aber ich hab keine Lust, mich auf irgendwelche Wege zu machen. Der einzige Weg, auf den ich mich mache, ist der zur Krippe, weil ich Hunger hab. Und ob mir ausgerechnet in der Futterkrippe der Erlöser und die Erfüllung meiner Sehn­sucht begegnet? Na, da hab ich so meine Zweifel!

 

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