Haselbach
Geistlicher Brunnen
Blick vom Köglkreuz zur Bergkette des Vorderen Bayerischen Waldes. Über die Wiese in Bildmitte links führte früher der "Zehentweg". Das "Hagenberger Holz" und darin der "Geistliche Brunnen" liegen in Bildmitte, vom Wegkreuz verdeckt.
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Das Kloster Windberg hatte bis zur Säkularisation auch im Raum Haselbach einige Besitzungen. Der Weg von diesen Höfen zum Kloster war der ,,Zehentweg“, auf ihm brachten die Bauern ihren Zehent (Abgaben) zum Kloster. Zwischen Uttendorf (Gemeinde Haselbach) und Gaishausen (Gemeinde Hunderdorf) führte dieser Zehentweg vorbei an Hagenberg (Gemeinde Mitterfels) durch ein Waldgebiet. Hier - im „Hagenberger Holz“ - ist der Verlauf noch deutlich sichtbar, streckenweise wird er sogar noch benützt. Ungefähr 100 Schritte (in südlicher Richtung) neben diesem Weg entspringt im Wald eine Quelle, genannt „Geistlicher Brunnen“. Damit verhält es sich so:
Im Jahre 1803 erreichte die Schreckensnachricht von der bevorstehenden Aufhebung auch das Kloster Windberg. Viele wertvolle Gegenstände hatte man schon 1798 „versilbern“ müssen, um die Zwangssteuer, die Kurfürst Karl Theodor zur Finanzierung der Heeresreform den Klöstern auferlegte, bezahlen zu können. Das wertvollste Stück im Klosterschatz war noch eine Monstranz. Um sie vor dem Zugriff des Staates und der Einschmelzung zu bewahren, wurde sie heimlich bei der Quelle im Wald vergraben. Das Versteck blieb aber nicht geheim. Bei den Bauern ringsum bürgerte sich daraufhin für diese Quelle die Bezeichnung „Geistlicher Brunnen“ ein.
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Bald darauf wurden dieser Quelle wundersame Kräfte zugesprochen. Folgender Fall ist verbürgt. In Gaishausen litt ein Mann schon längere Zeit an einer Magenerkrankung. Kein Essen wollte ihm mehr schmecken, er lebte nur von Milch und Semmeln. Immer häufiger quälte ihn der Gedanke, diese Welt verlassen zu müssen. Als Christenmensch wollte er im Frieden mit Gott und der Welt sein, wenn der „Boandlkramer“ (Tod) mit seiner Sense zum Schnitt ansetzte. So bat er den Pfarrer zu sich. Nachdem der Kranke Trost und Zuspruch erhalten hatte, sagte der Seelsorger noch: „Geh jeden Tag zum Geistlichen Brunnen und nimm einen kräftigen Schluck.“ Getreulich befolgte der Kranke diesen Rat. Nach kurzer Zeit trat Linderung ein, der Lebensmut kehrte zurück, und das Essen schmeckte dem Patienten von Tag zu Tag besser. Schließlich war die Krankheit besiegt, und der Mann konnte wieder seiner gewohnten Arbeit nachgehen.
Der Wald mit dieser Quelle war für Generationen von Uttendorfer Kindern ein gern aufgesuchtes Schwammerl-Holz. Hatten die Kinder vom Waldrand bis zur Quelle noch keinen Schwammerl gefunden, weil es zu düster war im Holz oder weil der Schlaf noch in den Augen steckte, so wusch man sich am Geistlichen Brunnen die Augen aus. Konnten die Kinder trotzdem nach einigen Schritten immer noch keinen Schwammerl in ihrer „Ziesl“ (geflochtener Korb) verstauen, so stand fest: „Heut wachs‘n d‘ Schwammerl net.“
Anmerkungen:
- Bei dem Patienten handelt es sich um ein Mitglied der Familie Schlößinger. Der Mann wurde wegen seines Mundgeruchs - hervorgerufen durch eine Magenerkrankung - allgemein nur „der stinkende Schlößinger“ genannt.
- Das angebliche Verstecken wertvoller Gegenstände bei der Säkularisation berichtet auch Pater Norbert Backmund in seinem 1964 erschienenen Büchlein „Kloster Windberg“.
- Als am 26. März 1803 die Aufhebungskommission in Windberg eintraf, befanden sich - nach mündlicher Überlieferung - zwei Patres gerade beim Fischen in Gaishausen. Ihnen wurde zunächst der Zutritt zum Kloster verwehrt. Könnten diese Patres etwa mit dem Vergraben der Monstranz im nahen Wald befasst gewesen sein? Der Ankunftstag der Kommission war nämlich im Kloster bekannt.
- So haben meine Vorfahren den Sachverhalt erzählt.
- Ich selbst halte das Vergraben zu diesem Zeitpunkt für unwahrscheinlich. Wem sollte einerseits das Versteckgut nach der Auflösung des Klosters gehören? Andererseits war bereits ein halbes Jahr vorher der gesamte Besitz listenmäßig erfasst worden.
- Ich bin der Ansicht, dass das Verstecken zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte, vielleicht bei der blitzartigen Besetzung Straubings 1777 durch die Österreicher oder bei dem Pandureneinfall 1744 während des Österreichischen Erbfolgekrieges.
- Mit der zeitlichen Entfernung zu einem solchen Ereignis schwindet erfahrungsgemäß auch die Erinnerung an den realen Anlass und den genauen Zeitpunkt.
- Auf einer Flurkarte aus dem Jahr 1842 ist auf dem früheren Standort des Hagenberger Hofes noch ein kleines Gebäude (Backofen?) eingetragen.
Quelle: Sigurd Gall, in: Mitterfelser Magazin 1/1995
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