Geschichte eines bedeutenden Klosters: Oberaltaich

 

Oberaltaich: ein Hort des Glaubens, der Kunst und der Gelehrsamkeit - Buch von Hans Neueder

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[Der AK Heimatgeschichte Mitterfels gratuliert Hans Neueder zur Veröffentlichung seiner langen und aufwändigen Forschungsarbeiten über das Kloster Oberaltaich, das auch für die Pfarrgeschichte von Mitterfels und Haselbach eine bedeutende Rolle spielte. Hans Neueder hat bereits wiederholt als Autor beim "Mitterfelser Magazin" mitgewirkt. (Red. AK Heimatgeschichte Mitterfels)]

Im Jahr 2010 legte Studiendirektor a. D. und Kreisheimatpfleger Hans Neueder einen prächtig illustrierten Band über "Die barocken Fresken von Oberaltaich" vor mit dem Ziel der "Beschreibung und Deutung einzigartiger Bilder in der ehemaligen Benediktiner-Abteikirche". Er verwirklichte vor zwei Jahren mit der eingehenden Betrachtung und Interpretation des riesigen Freskenzyklus aus der Werkstatt des Straubinger Maler Joseph Anton Merz dieses Vorhaben hervorragend. Jetzt aber liegt das ganz große Ergebnis von Neueders jahrzehntelanger Forschungsarbeit zur Vergangenheit des Klosters vor: "Oberaltaich. Geschichte eines bedeutenden bayerischen Benediktinerklosters", nun auch im Titel mit der von Neueder begründet bevorzugten Schreibweise.

Erschienen im Regensburger Pustet-Verlag und gedruckt bei Attenkofer in Straubing, fungiert der Rotary Club Straubing als Herausgeber. Neben diesem unterstützten die Stadt Bogen, der Landkreis Straubing-Bogen, die Sparkassenstiftung der Sparkasse Niederbayern-Mitte und die Kulturstiftung des Bezirks Niederbayern das anspruchsvolle, rundum gelungene Publikationsvorhaben. Das großformatige Buch mit 352 Seiten und mehr als 200 meist farbigen Abbildungen, Fotos, Reproduktionen, Plänen und Karten verrät die geübte Feder und sprachliche Gewandtheit des Philologen und liest sich entsprechend gut, es entspricht darüber hinaus uneingeschränkt und in höchstem Maße den Anforderungen an ein wissenschaftliches Werk. Der Autor leistete eine enorme Quellenarbeit, besonders erwähnenswert unter den Recherchen, die ihn bis in Wiener und Londoner Archivbestände führten, ist die erstmalige exakte Auswertung der bis zum Jahr 1590 reichenden Oberaltaicher Chronik des Paters Johannes Pliemel.

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 Alte Ansicht des ehemaligen Benediktinerklosters Oberaltaich

Das Kloster im hohen Mittelalter

Auch wenn die Gründungslegende Oberaltaich den bayerischen Urklöstern des frühen Mittelalters zuordnen wollte, die tatsächliche Gründung erfolgte um das Jahr 1080 durch den Regensburger Domvogt Friedrich II., einen Verwandten Aswins von Unter-Zeitldorn, dem Grafen des östlichen Donaugaus. Das Nachbarkloster Niederaltaich sandte die ersten Benediktinermönche und den ersten Abt. Damit begann der Aufstieg des Klosters Oberaltaich zu einer geistigen und wirtschaftlichen und politischen Kraft, gestärkt durch den Aufbau der Wallfahrt auf dem Bogenberg. Allerdings ist gerade die frühe Klostergeschichte im 12. und 13. Jahrhundert nicht leicht zu erschließen. Hans Neueder stellt fest: "Es gibt kaum ein Kloster in Bayern, bei dem Namen und Regierungszeiten der frühen Äbte so unsicher bestimmt werden können, wie in Oberaltaich."

Dennoch gelingt ihm durch genaue Auswertung der verfügbaren Materialien eine fundierte Zusammenstellung der frühen Äbte bis 1260. Mit dem tatkräftigen und erfolgreichen Abt Poppo (1260 bis 1282), ein Mann der Klosterreform und gleichzeitig ein zielstrebiger Verwalter, betritt der Historiker besser gesicherten Boden. Poppo und seine Nachfolger sorgten für Erweiterung und Abrundung des Klosterbesitzes, erfreuten sich der Förderung durch das wittelsbachische Herzogshaus und die Aristokratie, hatten andererseits mancherlei Zahlungen an die römische Kurie und die weltlichen Herren zu leisten. Gebetsverbrüderungen verbanden Oberaltaich mit anderen Klöstern. Der Abt gehörte seit dem 14. Jahrhundert den niederbayerischen Landständen an. "Vermutlich war das Kloster sogar das Hauptkloster einer der 32 Provinzen, in die Papst Benedikt XII. die bestehenden Benediktinerklöster eingeteilt hatte" (S. 47).

Oberaltaichs Grabdenkmäler

Mit den Jahren um 1400 beginnen die zum Glück noch recht zahlreich erhaltenen Grabdenkmäler und Epitaphien der Oberaltaicher Äbte. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bestehen sie aus dem in unserer Region so beliebten Adneter Rotkalk. Sie zeigen die Verstorbenen meist auf einem Kissen ruhend. Die Übergänge vom Spätmittelalter zur frühneuzeitlichen Gestaltungsweise, das Eindringen von Formen der Renaissance lassen sich an den aussagekräftigen Farbfotos des Buches gut ablesen, ebenso wie die wenigstens teilweise Herkunft aus Regensburger Werkstätten. Gleichzeitig lassen Neueders Ausführungen erkennen, dass es wohl noch einer speziellen Studie zu diesen Denkmälern bedürfte, die von der kunsthistorischen Forschung bislang zu wenig gewürdigt wurden. Gerade mit Blick auf die benachbarte Kunststadt Straubing und ihre herausragende Hochtumba für Herzog Albrecht H. bei den Karmeliten, das Epitaph für Ulrich Kastenmayr in St. Jakob und die Arbeiten aus der Werkstatt des Meister Erhart Wieser aus dem 15. Jahrhundert läge eine detaillierte Analyse der Oberaltaicher Sepulkralkunst nahe, denn auch diese zeigt einen charakteristischen Wandel im Todesbewusstsein. Der Verstorbene wird nicht mehr als Lebender und mit seiner ganzen Lebenskraft ins Bild gefasst, sondern trotz seiner Insignien und Würdezeichen als in den Todesschlaf Gesunkener.

Das bedeutendste barocke Denkmal in der Klosterkirche Oberaltaich, das Grabmal für Abt Veit Höser, wird von Hans Neueder traditionsgemäß mit einer Entstehungszeit um 1640 dem Straubinger Thomas Leutner zugeschrieben. Hier offenbart sich das Fehlen einer Monografie zum Schaffen der Werkstatt des Martin Leutner und seines Sohnes Thomas. Gerade die Betrachtung des Höser-Grabmals, zum Beispiel auf seinen Aufbau und die verwendeten Materialien hin, legt nämlich einen Blick nicht nur auf die mit Thomas Leutner verbundenen Steinmäler nahe, sondern auch auf die früheren Werke des Vaters, vor allem das große Altarepitaph in der Bernauer-Kapelle auf dem Friedhof St. Peter sowie das Khuen-und das Degenberg-Epitaph in St. Jakob.

 

Schulden und Kirchenneubau

Im 16. Jahrhundert war durch die Reformation ein Niedergang der Klosterzucht zu verzeichnen, auch für Oberaltaich brachen bewegte Jahre an. 1541 belief sich der Schuldenstand auf 3079 Gulden. Der anschließende Verkauf von Klostergütern wurde von einer herzoglichen Kommission als Misswirtschaft bezeichnet. Abt Sebastian Hofmann übernahm 1551 Schulden in Höhe von 13000 Goldgulden. Erst mit Abt Christoph Glöckler (1593 bis 1614), "Wirtschaftsfachmann und aktiver Gegenreformator", begannen die geistige Erneuerung, die wirtschaftliche Konsolidierung und viele Arbeiten zur Neuerrichtung oder Instandsetzung der Klosterbauten. Abt Veit Höser (1614 bis 1634) gilt in Neueders Buch natürlich ein breites Kapitel, denn er ist der bekannteste und stets positiv beurteilte Vorsteher Oberaltaichs.

Hans Neueder spricht ihm zwar seine Verdienste nicht ab, wirft aber doch ein differenzierteres Licht auf diesen Abt, dessen autobiografische Chronik in ihrem historischen Wert wohl überschätzt wurde. Als Erneuerer der Klosteranlage und als "Erfinder, Architekt und Bauherr der neuen Klosterkirche, 1621 - 1630" (S.144) behält er bleibende Geltung für die Geschichte Oberaltaichs. Bei der Würdigung der neuen Klosterkirche stützt sich Neueder auf die einschlägige Fachliteratur und fasst daraus zitierend zusammen: "Entstanden ist eine Kirche von singulärer Baugestalt, die zu den bedeutendsten süddeutschen Kirchenbauten des 17. Jahrhunderts zählt, deren Grundriss ein Unikum darstellt, die sich einer typologischen Einordnung entzieht und die als Architekturerfindung von Abt Veit Höser ... eine Sonderstellung innerhalb der süddeut- schen Barockarchitektur einnimmt. Der ungewöhnliche Bautypus einer Emporenhalle, in der die annähernd gleich hohen Seitenschiffe durch Einziehung einer Empore in zwei Geschosse unterteilt sind, wird dadurch, dass die Empore auf allen vier Seiten den Kirchenraum umläuft und durch seine kultische Nutzung einzigartig und spektakulär" (S. 147).

Bei aller Originalität könnte es meines Erachtens allerdings sein, dass Veit Höser auch Anregungen aus der regionalen Baugeschichte erhielt, denn letztlich ist seine Oberaltaicher Klosterkirche die Fortführung und frühbarocke Um-und Neugestaltung der seit dem späten Mittelalter in der Haupt-und Regierungsstadt Straubing und auf dem Bogenberg erlebbaren Tradition der Hallenkirche.

Im Wechselspiel der Zeiten

Nach dem Dreißigjährigen Krieg begann für das Kloster Oberaltaich eine Blütezeit. Der Besitzstand weitete sich durch eine große Schenkung im Jahr 1657 erheblich aus, das neue Gästehaus erhielt hervorragende Stuckarbeiten von Georg Kopp d. J., die aufgrund der Straubinger Herkunft des Künstlers auch Bedeutung für die Kunstgeschichte der Stadt Straubing besitzen, die Wallfahrt auf den Bogenberg erfreute sich großer Beliebtheit bei Volk und Fürst. 1684 trat Oberaltaich der Bayerischen Benediktinerkongregation bei, das Jahr 1713 erlebte die Einrichtung einer Schutzengelbruderschaft. Für die ersten 20 Jahre des 18. Jahrhunderts kann Hans Neueder eine Jahreschronologie vorlegen.

Überhaupt wurde das 18. Jahrhundert für Oberaltaich als "Zeitalter der Wissenschaften, Lehre und Aufklärung" zu einer neuerlichen, jedoch letzten Glanzzeit. Das Klosterjubiläum von 1731 und 1732, orientiert an der Gründungslegende und deshalb als 1000-Jahrfeier begangen, wurde mit den alle Gewölbe überspannenden neuen Fresken in der Klosterkirche gekrönt. Die wissenschaftliche Tätigkeit der Mönche wurde im ganzen Kurfürstentum und darüber hinaus geschätzt und gewürdigt. Vom österreichischen Erbfolgekrieg blieb auch Oberaltaich nicht verschont, aber: "Als Ende 1744 die Österrei- cher aus Bayern verdrängt werden konnten, hatte Abt Dominicus Perger die dreimalige Besetzung seines Klosters mit "Gleichförmigkeit in Göttlichen Willen" überstanden (S. 234).

Die von Hans Neueder zusammengestellte Liste der Oberaltaicher Disputationsschriften von 1721 bis 1799 und eine Tabelle mit der Anzahl der jährlich erschienenen Druckschriften und Bücher von 1573 bis zum letzten Abt Beda Aschenbrenner (1796 bis 1803, gest. 1817) belegen eindrucksvoll die beachtliche Stellung des Klosters und seiner Angehörigen im bayerischen Kirchen-und Geistesleben. Doch unter Aschenbrenner, der in einem Einödhof in der Pfarrei Haselbach auf die Welt kam und zum Hochschullehrer und Abt aufstieg, ereignete sich die Katastrophe für das gelehrte, freilich dem Strudel der Zeit ausgelieferte Benediktinerkloster. 1802/1803traf die Säkularisation Oberaltaich, die Aufhebung des Klosters und des Klosterbesitzes, von Hans Neueder detailliert geschildert.

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Und doch lebendig: Oberaltaich lebt

Oberaltaich lebt. Dies zeigt sich nicht nur in der prächtigen Kirche und dem noch immer ansehnlichen Gebäudekomplex des ehemaligen Klosterdorfes, sondern auch im Kulturforum Oberaltaich und nicht zuletzt in Publikationen wie dieser. Man kann deshalb dem Verlag, der Druckanstalt und den Sponsoren zu diesem großen Werk nur gratulieren, an erster Stelle natürlich dem Autor. Hans Neueder gehört zu jener Spezies von deutschen Gymnasiallehrern, die seit dem 19. Jahrhundert enorm viel für die Heimatpflege und die jeweilige Regional- und Lokalgeschichtsschreibung geleistet haben. Diese Spezies scheint leider immer kleiner zu werden. "Oberaltaich. Geschichte eines bedeutenden bayerischen Benediktinerklosters" ist die Krönung eines bewundernswert umfangreichen Lebenswerkes.

Am Mittwoch, 17. Oktober, wird das Buch um 19 Uhr im Saal des Kulturforums Oberalteich vorgestellt, der Autor berichtet über "Erlebnisse und Ergebnisse" und dann wird diese Geschichte Oberaltaichs hoffentlich selbst zu einer Erfolgsgeschichte werden.


 

Quelle: Werner Schäfer, in: SR-Tagblatt vom 12. Oktober 2012, Seite 22 - Fotos: Franz Tosch

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