Kunst, Literatur
"A Trumm vom Paradies" - Buch zu "2012: 200 Jahre Jahre Gäubodenvolksfest Straubing" (Neuauflage 2013)
Neuauflage 2013
Die Festschrift zu 175 Jahren Gäubodenvolksfest aus dem Jahr 1987 unter dem Titel "Die fünfte Jahreszeit" ist das Alte Testament jedes Straubinger Volksfestfans. Die 552 lesenswerte Seiten starke Volksfestchronik "A Trumm vom Paradies" zum 200. Geburtstag des Gäubodenvolksfestes 2012, herausgegeben von Stadtarchivarin Dr. Dorit-Maria Krenn, ist jedoch das Neue Testament und schlicht unverzichtbar. Es ist eine nostalgische und obendrein sehr fundierte Liebeserklärung an die jährlichen elf Tage Ausnahmezustand. Man erfährt, woher der wunderschöne Slogan vom "Trumm vom Paradies" kommt. Man erfährt, dass die Besucher früher ihre Hendl selber mitbrachten und sie am Hagen grillen ließen. Es gibt ein Wiedersehen mit Volksfest-Originalen wie Lilly Herhaus und ihre legendäre Achterbahn. Und heuer wurde das Nachschlagewerk, in dem es sich fesselnd schmökern lässt, neu aufgelegt und um eine 30-seitige Dokumentation der Ereignisse beim Jubiläumsvolksfest erweitert. Der Dirndl-Weltrekord hat ebenso Eingang gefunden wie der Jubiläumsfestzug mit 4000 Trachtlern bei sengender Hitze, die Ausstellung im Gäubodenmuseum, die BR-Live-Sondersendung, die Sonderbriefmarke, der historische Vergnügungspark, das Zelt 7, Maibaumkraxler im Festzeit Reisinger und Prachtfeuerwerk. Die Erstauflage war im Nu vergriffen, deshalb gibt es jetzt für alle, die noch ohne Neues Testament für Volksfestfans sind, eine zweite Chance: Die Chronik ist im Leserservice des Straubinger Tagblatts, Tel. 09421/940-6700, bei allen Verlags-Geschäftsstellen und im Buchhandel für 31,80 Euro erhältlich.
Quelle: mon, in: SR-Tagblatt vom 9. August 2013, Beilage "Gäubodenvolksfest"
„A Trumm vom Paradies“ - 200 Jahre Gäubodenvolksfest Straubing
Bunter Bilderbogen und wissenschaftliches Werk
Von Werner Schäfer, in: SR-Tagblatt vom 21 Juli 2012, Seite 42
"Immer größer, immer glanzvoller, immer gelungener" lautete einst ein Kommentar zum Volksfest. "Immer größer, immer glanzvoller, immer gelungener" könnte man auch die Entwicklung der Begleitpublikationen betiteln, vom Sonderheft der Zeitschrift "Das Bayerland" für -das Jubiläumsjahr 1962 über den stattlichen Ausstellungsband zur "Fünften Jahreszeit" 1987 bis zum nun vorliegenden Prachtband "A Trumm vom Paradies. 200 Jahre Gäubodenvolksfest Straubing 1812 bis 2012". Mit 520 Seiten Umfang, mit gut 800 Abbildungen und 860 Anmerkungen übertrifft er deutlich alle bisherigen Veröffentlichungen zum Fest, ja ganz allgemein zur Stadtgeschichte Straubings. Wie 1987 zum 175. Jubiläum ist er gleichzeitig die Begleitschrift zur großen und gelungenen Ausstellung im Gäubodenmuseum.
Verlegt durch den Verlag Attenkofer in Zusammenarbeit mit der Stadt Straubing gelang Stadtarchivarin Dr. Dorit-Maria Krenn als Herausgeberin ein wirkliches Meisterwerk, das vergnügliches Blättern und entspanntes Betrachten der überaus reichhaltigen und bunten Bilderwelt mit dem Studium wissenschaftlicher Abhandlungen auf der Grundlage akkurater Quellenstudien verbindet. Dr. Krenn sammelte als Hauptverantwortliche und Autorin ein Expertenteam um sich, das erst im Zusammenwirken diese große Zusammenschau ermöglichte: Alfons Huber, Markus Lohmüller, Willi Lüdeking, Dr. Stefan Maier, Guido Scharrer, Franz Schötz und Dr. Norbert Stellner, Dazu gesellten sich Veronika Kegelmaier und Oliver Vetter-Gindele mit Einzelbeiträgen und viele andere wie zum Beispiel Hans Vicari oder Adele Spanner mit humorvollen Geschichten und Berichten. Nicht zu vergessen sind die Mitarbeiter des Straubinger Tagblatts, die für Layout und Drucklegung sorgten, an der Spitze Margot Mittermeier als Gestalterin.
Die Wiedergabe der Dankesliste am Ende des opulenten Buches würde den Rahmen einer Rezension sprengen, auch die Liste der Bürger und Institutionen, die Foto- und Bildmaterial zur Verfügung stellten. Namentlich seien als Fotografen deshalb nur genannt: Fotowerbung Manfred Bernhard, Ronny Lang, Bruno Mooser, Fotostudio Stern, Wilfried Schaffrath, Ulli Scharrer und Peter Schwarz. Um ihre Fotografien rankt sich fast alles nur Denkbare im Zusammenhang mit 200 Jahren Volksfest. Da sind historische Ansichten ebenso zu finden wie Plakate, Gedenkblätter und Postkarten, Eintrittsbilletts und Schießscheiben, Speisekarten und Planzeichnungen, alte und brandneue Fotos, Eine ungemein aufwändige und bewundernswerte Sammelleistung!
Drei Bücher in einem
Dr. Krenn erklärt in ihrem, präzise den Inhalt zusammenfassenden Vorwort das Gliederungsprinzip der Festschrift, das sich in den Seitenfarben widerspiegelt: "Blau für das einzelne Fest, Braun für das jeweilige Thema, Grün für den ‚unterhaltenden‘ Teil. Im orangefarbenen Anhang finden sich dann neben den Fußnoten die unentbehrlichen Verzeichnisse zu den Festdaten, den Eröffnungsrednern und den Bierpreisen". Die blau gekennzeichneten Blöcke bilden damit die Chronologie des Festes, den historischen Abriss anhand ausgewählter Festjahre, jeweils eingebettet in die geschichtliche Situation und die besonderen Rahmenbedingungen. Die braunen Blöcke widmen sich der Themenorientierung im Anschluss an die chronologischen Kapitel, oder sie sind notwendige und sinnvolle Ergänzungen zum Verständnis der Gesamtentwicklung des Volksfestes. Die grünen Blöcke vermitteln weiteres Wissenswertes, Literarisches, Kuriosa, Amüsantes. Sie bilden eine bunte Mischung aus Zusatzinformationen und vergnüglichem Lesestoff. So sind praktisch drei Bücher, von denen jedes alleine stehen könnte, eng ineinander verwoben. Der Leser kann und möge wählen. Gelegentliche Überschneidungen von Informationen und Wiederholungen liegen dabei in der Natur der Sache und sind keineswegs störend.
Stationen eines Festes
In den chronologischen Teilen wird der Leser zu sechs Stationen der Festentwicklung im 19. Jahrhundert geführt, zu sieben im 20. Jahrhundert und schließlich hinein in unser Jahrhundert. Es ist ein Weg des Wandels vom landwirtschaftlichen Vereinsfest des Gründerjahres 1812 zum überregionalen Großereignis, dessen agrarökonomische "Wurzeln eher nur noch im Namen "Gäubodenfest" und in gewissen äußeren Erscheinungsformen spürbar sind. Dennoch wird klar: Nur das Straubinger Volksfest hat über alle Zeitkrisen und Veränderungen hinweg als Einziges der einstigen landwirtschaftlichen Vereinsfeste in Bayern neben dem Münchner Oktoberfest überlebt.
Aus den Beiträgen zur Geschichte des Volksfestes wird klar, dass sich in den jeweiligen Festen und Festperioden die besonderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten wiederfinden. Anfangs als Leistungsschau zur Förderung der heimischen Landwirtschaft ins Leben gerufen und im Wechsel mit Passau, Landshut und dann auch Deggendorf veranstaltet, erlebte das Straubinger Fest im Jahr 1898 sozusagen eine zweite Geburt. 1898 wurde es nämlich unter dem Namen "Niederbayerisches Volksfest" erstmals von der Stadt Straubing selbst arrangiert und so blieb es bis heute. Natürlich darf im geschichtlichen Abriss das absolut verregnete Volksfest von 1912 nicht fehlen. Einen Schwerpunkt der Feste während der Weimarer Republik bildet 1927, als sich die Stadt angesichts einer beträchtlichen finanziellen Bedrängnis zur - umstrittenen - Erhebung von Eintrittsgeld entschloss.
Ein breites Kapitel ist den Volksfesten der Nazizeit gewidmet. Da hieß es 1936 "Blut und Boden, deutsch allewege". Vor allem die Straubinger Nazigrößen NS-Kulturwart Eugen Hubrich und Oberbürgermeister Josef Reiter versuchten das Volksfest für die nationalsozialistische Ideologie zu vereinnahmen. 1938 entstand im Zeichen des Hakenkreuzes der Name "Gäubodenvolksfest". Nicht hinterfragt wurde er im ersten großen Nachkriegsfest 1949 übernommen und ist bis heute geblieben. (Der echte Straubinger sprach und spricht freilich einfach nur vom "Volksfest". - Anmerkung des Verfassers). Aus dem Jahr 1949 ist übrigens ein höchst bemerkenswertes Dokument überliefert: Die Besitzerin der Schaubude "Panorama" beteuerte in ihrem Zulassungsgesuch, "keine KZ-Bilder" zu zeigen und belegt damit, was es in der Nazizeit ebenfalls auf dem Festplatz zu sehen gab. Welche menschenverachtende, schändliche Perversion des Volksfestgedankens! Es spricht sehr für die neue Festschrift, dass sie die kritische und offene Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten des Volksfestes - wie schon 1987 - nicht scheut. Das Jahr des 150. Jubiläums wurde gleichfalls zu einem Einschnitt in der Festgeschichte. Denn 1962 wurde auf Betreiben von Oberbürgermeister Hermann Stiefvater die alljährliche Abhaltung beschlossen, eventuell mit angestoßen durch die "Rennbahnvolksfeste" 1958 und 1960. Die Erfolgsgeschichte der letzten 50 Jahre lief dann parallel zur positiven Entwicklung der Stadt im Ganzen. Steigende Besucherzahlen, steigender Bierumsatz, steigende Medienpräsenz, steigender Bekanntheitsgrad sind eindrucksvolle Belege. Daneben . verschweigt die Festschrift da und dort aufkommende Sorgen nicht, Sorgen vor einer "Eventisierung" oder einer "Oktoberfestifizierung", Sorgen also um schwindende Originalität und Erhaltung des fröhlichen Beisammenseins. Doch das positive Urteil überwiegt bei weitem. Das Straubinger Volksfest ist für viele immer noch, was der niederbayerische Heimatdichter Max Peinkofer 1927 feststellte: „Was's Volksfest z'Straubing ist? A Trumm vom Paradies."
Von Feuerwerken, Schaustellern und Trachtenlook
Die themenorientierten Beiträge beginnen mit einem Blick auf "Organisation und Ausrichtung der Feste" und den Festplatz selbst, die Hagen-Wiese mit ihrer langen und interessanten Geschichte. Mit dem Hagen verbunden ist seit Jahrhunderten das bürgerliche Straubinger Schützenwesen, und diese Verbundenheit übertrug sich auf die Volksfeste. Aus der höfischen Sphäre des Absolutismus stammt das Feuerwerk als Bestandteil des höfischen Festes. 1835 wurde ein erstes Feuerwerk auf dem Straubinger Volksfest veranstaltet und blieb dann beliebter und bestaunter Schlusspunkt für alle Besucher, gleich ob es mit dem Namenszug des Königs, dem Straubinger Stadtturm, dem Hakenkreuz oder einem "Donnerschlag schwersten Kalibers" endete.
Die Kapitel zu den Festzügen, zu den Plakaten und Werbemitteln sind schon jetzt höchst aufschlussreich, könnten aber noch zu vertieften kunst- und kulturgeschichtlichen Betrachtungen Anstöße geben. Die Plakate der letzten 100 Jahre Volksfest dürfen wenigstens zum Teil einen beachtenswerten künstlerischen Wert in Anspruch nehmen, die Plakate aus dem Dritten Reich könnten geradezu als Musterbeispiele für Nazipropaganda dienen. Nur zweimal fehlt übrigens bei der Plakatwerbung ein unmittelbarer Bildbezug zu Straubing: 1939 (fröhliche Schenkkellnerin vor einer Festwiese) und 2012 (Lichtreflexionen eines Riesenrads).
Im großen Themenbogen der Festschrift fehlen weder die auswärtigen noch die Straubinger Schausteller und ihre Fahrbetriebe und Belustigungsgeschäfte. Viele Familien des fahrenden Gewerbes waren oder sind seit Generationen mit dem Volksfest verbunden. Für zahlreiche ältere Leser werden die Berichte über Sensationsschauen, Achterbahnen und Autoscooter oder den Liliput-Zirkus nostalgische Erinnerungen wecken, die jüngeren können die technische Entwicklung der Fahrgeschäfte mitverfolgen, die ungemeine Steigerung der Sensationslust auch auf dem Vergnügungspark. Zum festen Bestandteil der Volksfeste, und zwar seit 200 Jahren gehören schließlich die Pferderennen.
Selbst die heutige Ostbayernschau, "die größte und besucherstärkste Verbrauchermesse im ostbayerischen Raum", wurzelt im Geburtsjahr 1812. Wie das Volksfest waren die landwirtschaftlichen Leistungsschauen, die Ausstellungen zum Zuchtwesen, die Gewerbe- und Handwerksschauen bis hin zur Messe von 2011 mit 711 Ausstellern mit den jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Strömungen und Bedürfnissen verbunden und deshalb darf ein entsprechendes Kapitel im Festband nicht fehlen.
Gleiches gilt für die Musik auf dem Volksfestplatz und in den immer größer und größer werdenden Bierzelten. Unter dem Titel "Von Türmern, Hautboisten, Bauernkapellen und Partybands: Versuch eines Überblicks über 200 Jahre Musik beim Straubinger Volksfest" geht es von einem historischen Überblick über Musik in Straubing seit dem späten Mittelalter hinein in die Sphären der Harmoniemusik und der Blasmusik bis zur "Bierzeltrevolution" im Zeichen der Party- und Discomusik. Es bleibt dann der Wunsch nach einer Synthese der verschiedenen musikalischen Richtungen, damit die "Alten wie die Jungen" ihren Platz finden und "ihn auch einnehmen!" "Nicht ohne meine Tracht!" Die Kapitelüberschrift in Anlehnung an einen bekannten Werbespruch aus der Tourismusbranche darf wohl auch als ironisch gemeint empfunden werden. Nach ausgesprochen fundierten volkskundlichen Betrachtungen zur historischen Entwicklung der Tracht und dem offiziell propagierten Trachtentragen (oder was man darunter versteht) während der Volksfestzeit, mag diese Empfindung bestätigt und verstärkt werden.
Flugschauen und "Hoooohoooo" in der Geisterbahn
Im "grünen Teil" sammelte Dorit-Maria Krenn ein wahres Potpourri an interessanten und amüsanten Geschichten, Einzelheiten und Zutaten zum Straubinger Volksfest. Da wird von Flugschauen im beginnenden 20. Jahrhundert berichtet und von Max Kanzlspergers Volksfestmarsch für 1962, von einem Jugenderlebnis Hans Vicaris in der Geisterbahn, vom "Feigl-Eis" und dem "Dank des Kettenfliegers" aus der Feder von Erwin Prager. Köstlich die Rutschbahngeschichte aus dem Familienalbum der Krenns oder "Saufereien und Raufereien, Unfälle und Unglücke" als Begleiterscheinungen eines Volksfestes. Auch das Bruder-Straubinger-Denkmal Karl Tyrollers, entstanden im Festjahr 1962, fehlt nicht, ebenso wenig wie Peinkofers Originalgedicht mit dem "Trumm vom Paradies". Und wie gut passt die Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Plakatentwurfs von Friedrich Tschischke aus dem Jahr 1957 zum bunten Buch und zur bunten Ausstellung im Gäubodenmuseum!
Fazit: Dr. Dorit-Maria Krenn und ihrem gesamten Team ist nicht nur eine Festschrift für einen flüchtigen historischen Augenblick, für schnell verfliegende zehn Tage gelungen, sondern ein bleibender Beitrag zur Geschichte von Festkultur und Festbetrieb und zur Straubinger Regional- und Stadtgeschichte: Es darf herzlich gratuliert werden!
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