Bayerische Geschichte
Straßkirchner Bajuwarenfunde: Restaurierung macht Fortschritte
Straßkirchner Bajuwarenfunde werden in Staatssammlung vor weiterem Verfall bewahrt
Bereits 1993 wurden nach sechs Jahren die archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände des alten Fußballplatzes abgeschlossen. Dabei waren neben Funden aus fast allen historischen Epochen auch 402 Bajuwarengräber mit 405 Bestattungen aus der Zeit zwischen dem frühen 6. und dem Ende des 7. Jahrhunderts geborgen worden. Trotz der starken Beraubung der Gräber gab es neben den Skeletten eine reiche Fundsituation an Beigaben wie Schmuck, Waffen und Dingen des Alltags.
Unrestaurierte Beigaben aus dem Grab des kleinen Mädchens (Alle Fotos: Willi Goetz)
Nach Abschluss der Grabung wurden zunächst nur die spektakulären Gegenstände des Doppelgrabes eines jungen adeligen Paares und eines reich ausgestatteten Kriegergrabes restauriert und im Gäubodenmuseum Straubing vorläufig präsentiert. Der Rest war aus finanziellen Gründen seit nunmehr fast 20 Jahren mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben. Durch die Spenden der Gemeinde, zahlreicher Bürger und mehrerer Sponsoren kamen über 35.000 € zusammen, mit denen seit Juli an der Archäologischen Staatssammlung in München für ein Jahr ein Restaurator beschäftigt werden kann.
Inzwischen fünf Grabinventare fertig restauriert
Weil der Fundkomplex zur Hälfte dem Gäubodenmuseum gehört, freut sich darüber besonders Museumsleiter Dr. Johannes Prammer. Aber auch Dr. Brigitte Haas-Gebhard, zuständig für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit an der Archäologischen Staatssammlung in München, ist erleichtert über den Fortgang der Arbeiten. Sie vertritt die Rechte des bayerischen Staates, dem als Finder die andere Hälfte der Ausgrabungsergebnisse gehört. „Inzwischen gibt es fünf fertig restaurierte Grabinventare, zwei Frauen-, zwei Männer- und ein Kindergrab“ gibt sie zum Stand der Arbeiten an. Auswahlkriterien für die Restaurierung sind die Seltenheit der Beigaben, das wissenschaftliche und das allgemeine Interesse daran. Eine Vogelfibel aus ehemals vergoldetem Silber strahlt mit einem Auge aus Granat nach fast 1 500 Jahren beinahe wie neu. Ob es sich bei dem Auge um Granat oder Almandin, eine Granatspielart, handelt, ob der Stein aus Sri Lanka oder Nordindien stammt, muss erst durch spezielle Untersuchungen festgestellt werden. Auch eine ca. 15 Zentimeter lange Gewand- oder Haarnadel aus Silber und nicht wie üblich aus Bronze hat sich besonders gut erhalten. Ihre sieben goldenen Verzierungsringe machen sie zu einem ganz seltenen Objekt.
Zeichnung von Otto Karl, Ascha, zum Grabinventar eines kleinen Mädchens
Hilfreich war die Vorarbeit des Grabungstechnikers Otto Karl aus Ascha
Restaurator Shimon Mahnke bei der Arbeit an einem Kurzschwert, dem sogenannten Sax
Der Restaurator Shimon Mahnke weist darauf hin, dass ihm bei der Bearbeitung der Beigaben die ausgezeichnete Vorarbeit des ehemaligen Grabungstechnikers Otto Karl sehr hilfreich ist. Dieser hat nicht nur die Straßkirchner Gräber geborgen, sondern auch von 1980 bis 1983 über 800 Bestattungen in Straubing-Bajuwarenstraße. Wegen seiner dichten Konsistenz ist der hiesige Lößboden vor allem im Sommer relativ schwer zu graben, oft muss man mit Befeuchtung nachhelfen. Zum Glück geben die exakten Zeichnungen der Grabinventare durch Otto Karl häufig wertvolle Hinweise auf deren Deutung. Vor allem Gegenstände aus Eisen sind einer starken Korrosion unterworfen und inzwischen durch die lange Lagerung sehr instabil. Ein besonderes Kapitel ist die Grabräuberei. Obwohl reiche Bestattungen deswegen schon tiefer angelegt wurden und obwohl es laut der Lex Baiuvariorum dafür strenge Strafen gab, war sie nicht zu verhindern. Auffällig ist, dass niederbayerische Bajuwarengräber stärker beraubt sind als entsprechende Gräber in Oberbayern. Eine Doktorarbeit zu dem komplexen Thema ist in Vorbereitung.
Elfenbein aus Afrika vor 1 500 Jahren in Straßkirchen
Begeistert ist Dr. Haas-Gebhard über das im Jahr 1990 geborgene Grab 59, in dem ein Mädchen im Alter von ungefähr drei Jahren bestattet worden ist. Es war knapp einen Meter groß und gehörte mit Sicherheit der gehobenen Schicht an. Dafür sprechen die Beigaben wie Ohrringe und Schmuckperlen, wie sie auch bei Frauenbestattungen üblich waren. Zusätzlich fand sich ein verzierter Kamm aus Bein, wie er sonst überwiegend in Männergräbern anzutreffen ist. Freie Bajuwaren durften ihr Haar lang tragen und brauchten dazu einen Kamm, Unfreie waren die „Gescherten“ mit Kurzhaarschnitt. In Straßkirchen wurden überdurchschnittlich viele und sehr schöne Kämme gefunden, was wiederum bestimmte Rückschlüsse zulässt. Das ganz Besondere aber in Grab 59 ist der Bügel einer Tasche aus Elfenbein, der sich im Lauf der Zeit aufgebogen hat und der höchstwahrscheinlich von einem afrikanischen Elefanten stammt. Jedenfalls ist er ein Hinweis auf die beachtlichen Handelsbeziehungen der damaligen Zeit. Die Tasche, deren kompletter Inhalt sich erhalten hat, fand sich im Kniebereich des Kindes. Das Grab selber war mit Brettern ausgekleidet, die Bodenbretter ruhten auf Querbalken. Reste von Stroh, Federn und Stoffen weisen darauf hin, dass das Kind liebevoll auf einer weichen mit Stoff abgedeckten Schüttung bestattet wurde. Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Kind einer vornehmen Familie angehörte, die sich von ihm in einer gehobenen Präsentation mit einer ganz offiziellen Bestattungszeremonie, sicher auch mit einer entsprechenden Aufbahrung, verabschiedet hat.
Wertvolle Hinweise durch organische Reste
Constanze Thomas, die stellvertretende Leiterin der Restaurierungswerkstätten der Archäologischen Staatssammlung, weist darauf hin, dass sich bei den Straßkirchner Funden häufig minimale Reste von Leder oder Stoffen erhalten haben. Vor allem beim Oxydationsprozess von Metallen kann das geschehen, wenn Metall und organischer Stoff eng aneinander liegen. Daraus lassen sich zahlreiche Rückschlüsse rekonstruieren, sei es über Tierarten oder Herstellung von Stoffen. Insgesamt kann man heute über morphologische Untersuchungen biochemischer und genetischer Art anhand von Skeletten frühere Menschen fast vollständig rekonstruieren. Dabei können Verwandtschaftsbeziehungen hergestellt oder Wanderbewegungen festgestellt werden. Beispielsweise wäre es hochinteressant, in welchem Verhältnis das junge Straßkirchner Adelspaar gestanden hat oder woran es letztendlich gestorben ist. In diesem Zusammenhang sind auch Bodenproben von Bedeutung. Sie werden deshalb aufgehoben, weil sich durch die Ernährung Bodensignaturen in den Knochen der Individuen abbilden.
Auf die Frage, warum in Straßkirchen ein Bajuware in Bauchlage bestattet wurde, gibt es verschiedene Antworten: Unter anderem kann es als Demuts- oder Büßergeste gedeutet werden, es kann aber auch sein, dass man dem Verstorbenen, insbesondere wenn es ein schwieriger Mensch war, den Weg zurück ins Leben erschweren wollte. Noch viele Fragen wären zu klären. Mit dem vorhandenen Geld können maximal zehn Grabinventare restauriert werden. Wie es dann weitergeht, ist noch offen. Eine Sonderausstellung im Gäubodenmuseum wird auf alle Fälle über diesen ersten Restaurierungsabschnitt informieren.
Willi Goetz, in: SR-Tagblatt vom 5. Dezember, Seite 15
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