Falkenfels
Falkenfels. Nieten aus Metall und Herzen aus Gold
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Das Hard-Summer-Festival in Falkenfels ging in die zehnte Runde:
Zwischen Ketten, Leder und Nieten huschen Kinder herum – warum Heavy Metal viel mehr als nur Musik ist.
Zwölf Minuten dauert es, bis mein Mann und ich zwischen herbstlich anmutenden Landschaften und kleinen Dörfern von zu Hause aus dort angekommen sind, wo der Metal abgeht: in Sankt Johann in Falkenfels beim Hard-Summer-Festival.
Zahlreiche Anhänger der metallischen Klänge haben sich am Samstagmittag auf dem Festivalgelände und darum herum eingefunden. Ein schräges Bild: Zwei Typen, einer mit dem Markenzeichen der Band Black Sabbath auf der Jacke, dem fliegenden Teufelchen, der andere mit einem breiten Pentagramm-Tattoo, lehnen an der Kirche. Direkt daneben wird bereits zum zehnten Mal dem Heavy Metal gefröhnt, denn das Hard-Summer-Festival feiert dieses Jahr Jubiläum.
Kaum haben wir den Eingangsbereich passiert, kommt der erste Langhaarige mit Band-Kutte auf uns zu: „Ja, servus, seids ihr a da, ja, Glückwunsch nochmal!“ Vor einem Jahr haben mein Mann und ich uns auf dem Festival kennengelernt. Gewissermaßen feiern wir also auch Jahrestag. Nur wenig später das nächste bekannte Gesicht: Wir kennen die meisten Leute hier und sind geübte Festival-Gänger.
„Mickey-Maus-Ohren“ und Goldstatus
Während die erste Band „Armacotis“ die Ohren versorgt, tun Bier und Co. das gleiche mit der Kehle. Das Bühnenzelt selbst haben wir noch nicht erreicht. Edeltraud Ziegeler und Christian Pistillo, die bei der Organisation des „Pure Fucking Metal Festevils“ in Laberweinting involviert sind, stoßen dazu: „Das Hard Summer ist ein Muss. Da nehmen wir immer Band-Tipps mit für unser Event.“ Das findet wieder im Juli 2025 statt.
„Never In Chains“ stimmt die ersten Klänge an, schroff, solide, echter Hard Rock aus Falkenstein. Immerhin haben wir es bis zu den Sitzplätzen geschafft: Die Bierbänke sind bereits am frühen Nachmittag voll besetzt. Doch dann kommt Bewegung in die Sache: „Don’t Drop The Sword“ starten mit ihrer Songliste, ganze Menschengruppen wandern ins Zelt. Ja, die Erdinger sind auch überregional bekannt. Vor der Bühne ist die Hölle los – aber nur in positivem Sinne.
Zwischen ausgelassen tanzenden Bekutteten und Belederjackten schreitet eine Frau mit zwei etwa sechs- bis siebenjährigen Mädels mitten durch die feierwütige Horde. Binnen Sekunden bildet sich eine Art Allee aus Headbangern mit gestreckter „Mano Cornuta“ – dem Metal-Symbol schlechthin. Ganz selbstverständlich gehen die Kinder über den Platz. Mit „Micky-Maus-Ohren“, versteht sich, wie der Gehörschutz liebevoll bezeichnet wird. Kinder und Menschen mit Behinderung haben hier Goldstatus.
Piratenklänge, rhythmisch an ein auf See wankendes Schiff erinnernd, verstummen nach der Erdinger Kultband wieder – gerade mal Zeit zum Pinkeln, mein Mann holt Getränke.
Perfekte Arbeitsteilung
Vor dem Backstagebereich laufe ich in ein „behopftes“ Paar: Linda und Josef kommen aus der Hallertau. „Im Urlaub schauen wir uns gern Live-Musik an und lassen uns überraschen. Dieses Jahr haben wir dieses Festival für uns entdeckt.“ Beide tragen Strohhüte, bedeckt mit Reben wilden Hopfens, Linda erklärt: „Hard Rock war genau unsere Zeit. Hier lebt sie wieder auf.“
Zwischen „Wall of Death“ und vergessenem Zeitplan
Auf dem Rückweg von der Toilette erspähe ich meinen Mann am Waldrand. Er unterhält sich mit dem Veranstalter des Ganzen: Stephan Moro sitzt gemütlich mit seiner Lebensgefährtin auf einer Parkbank. „Das ist unser kleines Versteck zum Runterkommen.“ Moro ist zufrieden, alles läuft nach Plan. „Fast einen Herzinfarkt“ habe er letzte Woche noch bekommen, als der Wetterbericht nur knappe 18 Grad für diesen Samstag voraussagte. Doch jetzt lacht die Sonne bei etwa 30 Grad vom Himmel.
Mittlerweile geben im Zelt „Pain Is“ ihre Songs zum Besten. Ein klarer Anheizer für die Regensburger „Ingrimm“, die mit Mittelalterklamotte und Dudelsack überraschend modern klingen.
Ich zupfe meinem Mann am Ärmel, der ins Gespräch mit Alois Kirschner und Markus Lösch vertieft ist, beide Langzeit-Helfer beim Festival: „Wir sind immer wieder froh, dabei sein zu können. Jetzt schon zehn Jahre.“ Den Ludwig „Luggi“ Maurer, seinerseits Koch und Heavy Metal-Gourmet, mit seiner Band „Seasons In Black“ will ich aber jetzt doch hören. Ab ins Zelt in die Menge, die sich plötzlich teilt. Hups, da sind wir wohl in eine „Wall of Death“ – Todeswand – geraten. Ganz so schlimm, wie der Name es prophezeit, ist sie aber nicht: Kinder und alle, die nicht mitmachen wollen, werden getrost aus der Menge gelassen. Wir beobachten das Geschehen aus dem Bereich zwischen Bühne und Fans.
Auf Luggis Kommando rennen die Metaller aufeinander zu und rumpeln sich gegenseitig an – man könnte es als etwas verqueren Tanz beschreiben. Fällt einer allerdings hin, stoppt die ganze Gruppe, bis er wieder steht. Das ist Heavy Metal: Grob, harte Töne, viel Leder und Nieten, aber ein Herz aus Gold.
Der Sänger verkündet, der Zeitplan werde sich verschieben: „Eigentlich müssen wir längst von der Bühne. Ist ja auch nicht so, als wär uns des wurscht, aber es interessiert uns halt einfach ned.“ Die Fans sind begeistert.
„Dragony“ rocken als Nächstes die Bühne, mit einer Siebensaiter-Gitarre und einer Keytar, einem Umhängekeyboard. „Existence“ spielen: Genau meins, harter, melodiöser Rock mit sauberen Gitarrensoli und hervorragender Gesangsstimme. Sie heizen die Menge richtig an, mit viel Talent und Herzblut.
Nach diesem Metal-Meisterstück vor vollem Haus ist es dann plötzlich für einige Zeit ruhig. Mein Mann hat gehört, es gebe technische Probleme. Und das, obwohl man dem Zeitplan schon jetzt hinterherhinkt. Moro wird hinter der Bühne aktiv, wirkt aber gelassen: „Das ist halt live. Heavy Metal hält jung“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Eine „heavy Party“, die schier endlos scheint
Chris Boltendahl, der Sänger des Hauptacts, sitzt hingegen ruhig im Backstage-Bereich. Sorgen muss er sich nicht machen, die meisten sind wegen seiner Band hier: Schließlich betreten „Grave Digger“ die Bühne und reißen die gerammelt volle Hütte sprichwörtlich ab. „Eine richtig heavy Party hier, wollt ihr noch einen?“, beschwört Boltendahl sein Publikum. Klar, was für eine Frage. Spätestens die geballte Energie von „The Dark Of The Sun“ reißt alle mit. Der Titel „We Wanna Rock You“ folgt, die Band endet mit „Heavy Metal Breakdown“, was zu dem Zeitpunkt für einige erst den Anfang einer langen Partynacht bedeutet.
Denn „Judas Priest Revival“ steht in den Startlöchern. Der Zeitplan ist sowieso schon egal. Mit dem Original-Priest-Klassiker „Living After Midnight“ – Leben nach Mitternacht – könne die Band nicht mehr einsteigen, meint mein Mann. Dafür sei es um kurz vor ein Uhr nachts doch schon etwas spät. Den hartgesottenen Fans macht das nichts: Sie sind nicht vom Feiern abzubringen. Mit Lasern an den Lederhandschuhen und fast so vielen Nieten am Outfit wie Leute im Zelt sind, startet der Rob Halford-Verschnitt mit seinen Covern eine Hommage an die echten „Judas Priest“. Und die Nacht läuft an ins Open End – das offene Ende.
Die Gelassenheit der Fans nach dem teilweise langen Warten und die ehrliche Freude bei Songs wie „Hell Bent for Leather“ und „Breaking The Law“ fährt auch in die Beine meines Mannes, der mich mit in die Menge zieht. Na dann: Frohes Einjähriges.
Isabella Rutherford/BOG Zeitung vom 9. September 2024
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