Herrnfehlburg. Schluss mit gemütlich (SZ)

Serie Mitten in Bayern der Süddeutschen Zeitung

Kirche und Wirtshaus bilden die zentralen Attraktionen eines bayerischen Dorfes und sind durch die kluge Bauleitplanung unserer Vorfahren meistens nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Dass auf die Labung der Seele eine schnelle Erquickung des Leibes folgen soll, ist ja geradezu ein Lehrsatz des weißblauen Katholizismus. Mit anderen Worten: Kein Durstiger sollte für die erste Halbe nach der Messe meilenweit gehen müssen. Noch besser hatten es die Gläubigen in dem nahe Straubing gelegenen Dörflein Herrnfehlburg, wo sich Kirche und Wirtshaus bis vor Kurzem unter demselben Dach befanden.

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 Der ehemalige Edelsitz Herrnfehlburg (Quelle: wikimedia/CC0 – Elcom.stadler - Eigenes Werk)

Leider ist diese einmalige Konstellation jetzt geplatzt. Denn die Wirtsfamilie Ettl hat gerade kundgetan, dass das Wirtshaus von sofort an geschlossen ist. Die jungen Wirtsleute hatten keine Lust mehr auf die Fron der Gastronomie. Der mittelalterliche Herrensitz gehört schon seit 1806 der Familie Ettl. Eine einzige Tür trennt die Kirche St. Thomas mit ihren schönen Schnitzfiguren vom Wirtshaus, in dem sonntags Rehbraten und Tellerfleisch, Enten und Schmalznudeln reichlich Liebhaber fanden. Die behagliche Stube war sowohl in leiblicher Hinsicht als auch in ihrer geistlichen Dimension einmalig. Und in den Holzrahmen an der Wand prangten keineswegs Bildnisse des Ministerpräsidenten, sondern wie eh und je Porträts der bayerischen Könige und Prinzregenten.

Als Joseph Ratzinger noch Kardinal war, hat ihn der Pfarrer von Haselbach, Alex Kutzer, extra nach Herrnfehlburg gefahren, um ihm dieses Kuriosum zu zeigen. Die Ratzinger-Brüder ließen sich dort unter dem Bildnis Ludwigs II. fotografieren. Die Aufnahme erhielt Kultstatus, weil sie das Anliegen der Königstreuen ("wir brauchen keinen König, aber schöner wär's schon") trefflich auf den Punkt brachte. Jener Königstreuen also, die demnächst im Wirtshaus von Herrnfehlburg ihr 40-jähriges Bestehen feiern wollten. Nach alter Tradition mit Messe und Tanz unter einem Dach, und vielleicht auch mit dem Pfarrer Gotthard Weiß, der oft im weißblauen Messgewand von der Herrnfehlburger Kanzel gepredigt hat. Nun ist alles vorbei, mit dem Ende der Wirtschaft hat das gemütliche alte Bayern ein Schlagerl getroffen, von dem es sich schwerlich erholen wird.

Quelle: Hans Kratzer, in: Süddeutsche Zeitung vom 1. Juli 2014


 

>>> Mehr zur [Geschichte von Herrnfehlburg]

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