Mitterfels. Herbert Schneeweis (Kinderhilfe Nepal) erlebte Erdbeben in Nepal mit

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Ein Kuhstall diente Heimleiterin Rina Karki (links), Herbert Schneeweis (rechts) und den Kindern als Notunterkunft.  (Fotos: privat)

„Es schmeißt einen von einer Wand zur anderen“ – Kuhstall als Notunterkunft

 

Das Kinderheim beginnt zu vibrieren und ein komisches Geräusch wie ein Brausen ist zu hören. Sofort stürmen alle hinaus ins Freie. Denn jeder weiß: Das ist ein Erdbeben. Herbert Schneeweis, Kassier der Kinderhilfe Nepal Mitterfels, hat diese schrecklichen Stunden miterlebt. Er befand sich während des Erdbebens in Nepal. Seit Dienstagabend ist er wieder zu Hause. Jetzt erst fängt er an, all das Geschehene langsam zu realisieren und zu verarbeiten.

„Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ein stabiles Haus so sehr von links nach rechts wandert“, sagt Schneeweis mit einem Zittern in der Stimme. „Es schmeißt einen von einer Wand zur anderen.“ Der Mitterfelser befand sich gerade im ersten Stock eines der Kinderheime, die der Verein betreut – 16 Kilometer südlich von Kathmandu. Einmal im Jahr ist er zur Buchführung vor Ort, und um sich zu erkundigen, wie es den Kindern geht. So auch am Samstag vor einer Woche, als das Land von dem schweren Erdbeben getroffen wurde.

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Im Freien fühlten sich die Betreuer und die Kinder am sichersten.

Zwei Nächte ausgeharrt

„Es ist Hektik pur ausgebrochen“, beschreibt er die ersten Sekunden nach dem großen Beben. Alle sind aus dem Haus gerannt, um im Freien Zuflucht zu finden. Dort wurden dann erst einmal die Kinder abgezählt. Nachdem noch einige fehlten, liefen die Mitarbeiter zurück ins Gebäude, um die übrigen Kinder zu suchen und herauszuholen. Erleichterung herrschte, als schließlich alle Kinder unversehrt beieinander waren. „Wir hatten Glück, dass alle Kinder im Heim waren. So hatten wir schnell alle beisammen.“ Auch das Heim selbst wurde aufgrund der erdbebensicheren Bauweise nur leicht beschädigt. Allerdings gab es auch Verletzte und Tote in der Region. Die Ziegelbrenn-Hochöfen sind vor den Augen von Schneeweis zusammengebrochen und haben Menschen unter sich begraben.

Nachdem es ständig Nachbeben gab und niemand wusste, wie schlimm diese werden, konnten die Kinder nicht zurück ins Heim. Deshalb gestalteten Schneeweis und die Betreuer einen Kuhstall auf einem nahe gelegenen Feld zu einer Notunterkunft um. Eine Seite des Stalls war zwar eingestürzt, das Blechdach allerdings war stabil.

Dort haben die Kinder und Betreuer dann zwei Nächte ausgeharrt. Bei jedem Beben sind sie aus dem Stall hinausgerannt aus Angst, der Stall könnte einstürzen. Auch Nachbarn sind zu dieser Unterkunft hinzugekommen. Alle waren traumatisiert und haben versucht, durch Nachbarschaftshilfe zu überleben, beschreibt Schneeweis die Situation. Die Menschen haben miteinander gekocht und die Kinder, die extreme Angst hatten, bei Laune gehalten, um sie von den Geschehnissen abzulenken. Am Sonntag hat es dann angefangen zu regnen, weshalb neben den Menschen auch die elf Kühe und drei Hunde in dem Stall untergebracht wurden. Da es nach dem Beben weder Strom noch Wasser gab, die Handykommunikation zusammengebrochen war und vonseiten der Regierung keinerlei Informationen kamen, machte sich Schneeweis mit ein paar anderen Leuten aus der Region schließlich auf den Weg nach Kathmandu, um mehr zu erfahren. „Wir haben nicht gewusst, welche Ausmaße das Beben hat.“ Dort bot sich ihnen ein schreckliches Bild mit „extrem vielen Verletzten und Toten“. Denkmäler und alte Häuser waren zusammengebrochen, und die Hochhäuser schwankten. Die Menschen suchten Zuflucht in Parks, wo sie Planen und Zelte zum Schutz aufstellten. Allerdings seien sie überrascht gewesen, dass viele Häuser mit neuer Baustruktur das Beben relativ gut überstanden haben.

Mörtel von Ziegeln geklopft

Zurück im Kinderheim machten sich Schneeweis und die Mitarbeiter erst ein Bild davon, was alles zerstört wurde. Gemeinsam reparierten sie schließlich eine eingestürzte Mauer. Dafür haben die Helfer die Ziegel insoweit bearbeitet, dass sie wieder verwendet werden können. „Wir haben den Mörtel von den Ziegeln geklopft. Dafür hatten wir gerade einmal zwei Hammer. Ansonsten haben wir uns mit anderen Mitteln beholfen. Wir haben stundenlang geklopft“, beschreibt Schneeweis die mühsame Arbeit. Die Aufbauarbeiten werden noch länger dauern, ist sich Schneeweis sicher.

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Alle halfen zusammen, den Mörtel von den Ziegeln abzuklopfen. Damit soll die eingestürzte Mauer wieder aufgebaut werden.

Ein großes Problem in Nepal stelle momentan die Versorgung der Menschen mit Wasser und Essen dar, da die Straßen großteils zerstört seien. Normalerweise werde Nepal von Indien über zwei Straßen versorgt. „Aber ich habe in der Zeit nach dem Beben nicht einen Lastwagen gesehen“, sagt Schneeweis. Besonders schlimm sei es, dass die Regierung nicht auf diese Situation vorbereitet gewesen sei und jetzt keine Informationen an die Menschen weitergebe. Deshalb wachse bei den Bürgern auch die Wut gegenüber der Regierung. Schneeweis schließt nicht aus, dass es zu Krawallen kommt, wenn die Essensreserven knapp werden. Zwar laufen jetzt langsam die Hilfsaktionen an, allerdings werde es dauern, bis die Hilfe alle erreicht, da das Land groß und zerklüftet sei. Ein Problem sei auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft: „Nur wer zahlen kann, dem wird geholfen.“

Geschehnisse verarbeiten

Was in Nepal wirklich passiert ist, nimmt Schneeweis, der seinen Rückflug bereits vorab gebucht hatte, erst jetzt, da er wieder zu Hause ist, bewusst wahr. „Jetzt ist die Anspannung weg.“ In Nepal sei er ständig gefordert gewesen. Er habe sich um die Kinder gekümmert und darum, dass das Leben wieder in geregelte Bahnen komme. In den Ruhepausen hat der Mitterfelser die Erlebnisse für sich in einem Tagebuch zusammengeschrieben. – Jetzt kann er endlich zur Ruhe kommen und die Geschehnisse der vergangenen Tage verarbeiten.


 

Quelle: – kh – /Bogener Zeitung (zeitversetzte Übernahme des Beitrags aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)

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