Weihnachtsmette Mitterfels. „Mit dem Kind in der Krippe bricht die Welt Gottes in unsere Menschenwelt herein.“

 

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Weihnachtsmette 2014, Predigt P. Dominik Daschner OPraem, Pfarrer:

Der Laie hat nur ein Knacken gehört, aber den Weltraumforschern klang es wie Musik in den Ohren, als im November das Mini-Labor „Philae“ nach einer 500 Millionen Kilometer langen Reise durchs All, von der Raumsonde „Rosetta“ abgesetzt, auf dem Kometen „Tschuri“ gelandet ist. „Ein kurzer, aber bedeutender Rumms“, so kom­mentierten die Wissenschaftler den allerersten Bodenkontakt eines menschengemachten Ob­jekts auf einem Kometen. Eine sensationelle Leistung der Raumfahrt.

Kometen kommen aus den Tiefen des Weltalls in unser Sonnensystem. Und Wissenschaftler spekulieren sogar darüber, ob nicht durch Kometen erst das Leben auf unsere Erde gekommen sei, jene chemischen Bausteine, aus denen sich nach und nach das uns bekannte Leben ent­wickeln konnte.

Es ist interessant, dass auch der Stern von Bethlehem, dem die Weisen aus dem Morgenland gefolgt sind, und der sie zum Kind in der Krippe geführt hat, immer schon als Stern mit einem Schweif dargestellt wird, als ein Komet also. So sehen wir ihn über dem Stall von Bethlehem auf Bildern und über unseren Krippen daheim. Drückt sich darin nicht die Ahnung aus, dass auch mit der Geburt dieses Kindes in der Krippe von Betlehem eine ganz andere Welt in unsere Welt hereinbricht; die Welt des Göttlichen? Dass dieses Kind - nicht aus den Tiefen des Weltalls - aber aus der Sphäre Gottes zu uns kommt. In der Sprache des Johannesprologs: „Es war bei Gott… In ihm war das Leben… Es kam in die Welt.“ Dass also mit Jesus die Welt Gottes in unsere Menschenwelt hereinbricht. Dass mit ihm göttliches Leben auf diese Erde gekommen ist; Leben, so wie Gott es will und sich vorgestellt hat.

Auch damals haben die meisten nicht viel davon mitbekommen; wohl auch nicht mehr als das leise Knacken der Weltraumsonde beim Aufsetzen auf den Kometen. Das Kommen Gottes auf un­sere Erde war ein unscheinbares Ereignis: unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, in einem Provinznest am Rande der Welt, auf dem Boden eines Stalls, als Kind armer Leute, lediglich ein paar Hirten nehmen Notiz davon. Für die Laien sozusagen eben nur die Geburt eines Kin­des - eines unter vielen -, ein alltäglicher Vorgang. Für jene mit wachen Antennen für die Welt Gottes, für die Sinnsucher und Gottesfürchtigen, aber ein großer Moment, ein Durch­bruch für die Menschheitsgeschichte, „ein bedeutender Rumms“ im Verhältnis zwischen Gott und Mensch.


Seit Weihnachten wissen wir: Gott ist nicht men­schenscheu und unberührbar, sondern menschenfreundlich.


 

Gott durchbricht die himmlische Sphäre und gibt damit alle Distanz zwischen ihm und uns Menschen auf. Mit der Geburt seines Sohnes als Mensch durchbricht Gott alle bisherigen Grenzen und verbindet sich so intensiv menschlich mit uns, wie es tiefer nicht gehen kann. Nichts Mensch­liches ist ihm mehr fremd.

Mit Jesus von Nazareth ist etwas ganz Neues in die Welt gekommen, etwas noch nie Dagewe­senes. Ja, es scheint beinahe so, wie wenn dieser Jesus von einem anderen Stern gekommen wäre. Die Menschen, die ihm begegnet sind, haben gespürt: Da ist einer, der redet von Gott, wie noch niemand vor ihm. Was er sagt und tut, das ist so ganz anders als alles, was sonst in der Welt gilt. Gottes bedingungslose Liebe zu seinen Geschöpfen ist zum Greifen nahe in die­sem Menschen aus Fleisch und Blut. Wer Jesus begegnet ist, der wusste sich von Gott ange­rührt. In ihm sind wir Gott nahe. Bei ihm ist Gott zu spüren. Jesus hat Gott in unsere Welt gebracht.

Einen Gott mit einem menschlichen Antlitz. Seit Weihnachten wissen wir: Gott ist nicht men­schenscheu und unberührbar, sondern menschenfreundlich; er steht uneingeschränkt auf unse­rer Seite. Die Geburt Jesu bringt die Zusage in die Welt: Ihr steht in Gottes Huld. „Friede den Menschen seiner Gnade“, so verkündet es das himmlische Heer über dem Hirtenfeld von Betlehem. Wir sind in Gottes Gnade.


Wir müssen vor Gott nicht mehr in Angst leben, wie die Menschen der Antike.


Wir müssen vor Gott nicht mehr in Angst leben, wie die Menschen der Antike, die sich dem willkürlichen Spiel der Götter und ihrem Zorn ausgesetzt sahen, mit Opfern Gott deshalb gnädig zu stimmen versuchten und seine Strafen abwenden wollten. Nein: Gott ist uns in Wohlwollen zugetan. Diese Gute Nachricht hat Jesus in die Welt gebracht. Ein neues Bewusstsein von Gott. Kein zorniger, strafender, richtender Willkür-Gott, sondern ein Gott, der dem Menschen in Liebe zugeneigt ist, der für den Menschen da ist und unser Heil will; der nicht zuerst etwas von uns verlangt, sondern etwas für uns will.


Peter Sloterdijk, Philosoph, attestiert unserer westlichen Gesellschaft: „Wir haben ein Problem mit Gott, weil er uns nicht mehr imponiert.“


Freilich sollen wir angesichts dieses Bildes von einem gnädigen, menschenfreundlichen Gott, das Jesus in die Welt gebracht hat, nicht der Gefahr erliegen, Gott zu verharmlosen. In ihm nur mehr den lieben Onkel sehen, der alles duldet, versteht und gutheißt, egal was wir tun, und den man deshalb auch nicht allzu ernst zu nehmen braucht, wie das heute bisweilen ge­schieht. Der Philosoph Peter Sloterdijk attestiert unserer westlichen Gesellschaft deshalb: „Wir haben ein Problem mit Gott, weil er uns nicht mehr imponiert.“

Durch seine Menschwerdung verliert Gott nichts von seiner göttlichen Größe und Allmacht. Er bleibt das ewige, große, das All umfassende Geheimnis des Lebens, dem wir Menschen uns nur ehrfürchtig staunend nähern können. Seine Geburt im Stall von Bethlehem tut davon nichts weg. Auch nach Weihnachten, auch als Menschgewordener, kommt Gott vom Men­schen her höchste Achtung, Ehrerbietung und Anbetung zu. Das „Verherrlicht ist Gott in der Höhe“, das die Engel über dem Stall von Bethlehem auf ihn anstimmen, ist dadurch nicht auf­gehoben.

Das Zweite, das Jesus aus der Welt Gottes auf unsere Erde gebracht hat, ist das Eintreten für die Schwachen und Kleinen. Schon die äußeren Umstände der Geburt Jesu machen deutlich, dass sich Gott in ihm an die Seite derer stellt, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens an­gesiedelt sind, dass sein Licht gerade auf die fällt, die sonst im Schatten stehen: im Schatten von Armut, Krankheit, Benachteiligung und Ungerechtigkeit.

Sein Leben lang hat sich Jesus vor allem ihnen zugewandt. Und bei seinem Kommen am Ende der Zeit, so malt es Jesus aus in seinem großen Gleichnis vom Weltgericht, wird er sich wiederum solidarisch an die Seite der Geringen und vom Leben Benachteiligten stellen: „Was ihr einem meiner geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Ent­sprechend unserem Verhalten den Schwachen und Geringen dieser Welt gegenüber wird Gott über unser ewiges Wohl oder Wehe entscheiden.

Diese Option Gottes für die Schwachen und Benachteiligten hat Jesus Christus in die Welt gebracht. Christliche Nächstenliebe hat das Gesicht dieser Welt nachhaltig verändert. In der griechisch-römischen Antike zählte nämlich allein das Starke und Kräftige. Zuwendung zu den Schwachen, soziales Engagement war nicht üblich; das Schwache galt es vielmehr zu über­winden und auszumerzen. Der Starke setzt sich durch.


In der heutigen Welt von Börsenkursen und Umsatzzahlen zählt nur wirtschaftliche Stärke. Der Große schluckt den Kleinen per feindlicher Übernahme. ….


Und ist das nicht in Teilen dieser Welt noch immer so, oder schon wieder so? In der Welt von Börsenkursen und Umsatzzahlen zählt nur wirtschaftliche Stärke. Der Große schluckt den Kleinen per feindlicher Übernahme. In einer Wirtschaftsordnung, die das Soziale an der sozialen Marktwirtschaft immer mehr ver­gisst, steigern die Aktionäre ihre Gewinne durch Rationalisierung, Stellenabbau und Auslagerung in den Billig-Lohn-Sektor, während die Arbeiter und Angestellten immer öfter auf der Strecke bleiben.

Und wenn in unserer Gesellschaft derzeit heftig über ein Gesetz zur organisierten Sterbehilfe diskutiert wird, dann gehört das mit hierher. Denn in unheilbarer Krankheit, in unserem Sterben, da sind wir Menschen doch am allerschwächsten. Unheilbar Kranken dann zum Suizid zu verhelfen, das klingt so human, ist aber der falsche Weg. Denn geht das nicht fatal genau in diese Rich­tung: das Schwache beseitigen, es aus der Welt schaffen? Was sich Sterbenskranke wirklich wünschen, das ist nicht: einfach nicht mehr da sein. Sondern so weit als möglich Schmerzfreiheit und menschliche Zuwendung, in dieser letzten Phase ihres Lebens liebevoll begleitet werden. Das müssen wir ihnen geben – durch eine professionelle Schmerztherapie und mitmenschliche Begleitung -, nicht ein tödliches Medikament.

Nicht: das Schwache, den schwachen Menschen, der sich selbst nicht mehr helfen kann, aus der Welt schaffen, sondern sich in Liebe an die Seite der Schwachen stellen, dafür ist Jesus eingetreten. Das hat er aus der Welt Gottes mit auf unsere Erde gebracht. Dazu ist Gott Mensch geworden. Gott will der Schwachheit der Menschen aufhelfen. Und er sucht dazu nach Mitarbeitern.


Gott sucht nach Mitarbeitern. Als Jünger Jesu müssen wir eine Leuchtspur der Menschlich­keit über diese Welt ziehen.


Und da kommt für mich wieder das Bild vom Kometen ins Spiel. Ein Komet zieht einen leuchtenden Schweif hinter sich her, von Partikeln, die von ihm aus­gehen. Als Jüngerinnen und Jünger Jesu müssen wir eine solche Leuchtspur der Menschlich­keit, der göttlichen Zuwendung zu den Schwachen und Geringen über diese Welt ziehen, die er auf die Erde gebracht hat. In der Art wie das Adel Tawil in einem Lied besingt, das zurzeit ganz oft im Radio zu hören ist: „Komm, wir bring‘n die Welt zum Leuchten! Hier ist die Liebe umsonst.“

Wenn wir uns zu dieser liebevollen Zuwendung zum Mitmenschen von Jesus mit­ziehen lassen – wie der Schweif vom Kometen -, dann nähern wir uns einer Welt an, so wie Gott sie gewollt hat. Wenn die Feier von Weihnachten uns den Anstoß dazu gibt, wenn wir uns alle durch diese festlichen Tage ein wenig in diese Richtung bewegen lassen, dann wird Weihnachten 2014 ein bedeutender Rumms, hin zu einer Welt nach Gottes Plan.

 

Bildquellen:

  • Landung von Philae auf Tschurjumow-Gerassimenko (künstlerische Darstellung) (DLR German Aerospace Center, wikimedia - CC-BY 3.0)
  • Der Halleysche Komet am 8. März 1986 (NSSDC's Photo Gallery/NASA – Urheber: Liller)
  • Die Weisen aus dem Morgenland; Mosaik des 6. Jh., Basilika Sant’Apollinare Nuovo Ravenna (wikimedia CC BY Sa 2.5 – Urheber: Nina-no)

 

 

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