Mitterfels
Advent. Die „staade“ Zeit – oder die „ohne Luft“ im Terminkalender?
Unsere Zeit und unsere Zukunft schaffen nicht wir mit unseren Terminkalendern, sie stehen in Gottes Händen.
- Pater Dominik OPraem: Predigt am 2. Adventsonntag in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach -
Wie weit reicht Ihr Terminkalender momentan? Haben Sie noch Luft, noch eine Zeitreserve? Oder sind die nächsten Wochen und Monate oder vielleicht sogar das ganze neue Jahr 2015 schon dicht? Manche Menschen müssen sehr weit in die Zukunft planen, sie haben ihren Kalender schon für ein Jahr und noch länger gefüllt.
Wer einen vollen Terminkalender hat und immer im Stress ist, der ist wichtig (zumindest fühlt er sich so), der ist unentbehrlich (zumindest glaubt er das), der hat sein Leben im Griff und alles geplant (zumindest denkt er das). Die Lesung aus dem Zweiten Petrusbrief heute lädt dazu ein, etwas anders über Zeit und Zukunft nachzudenken.
Die zweite und dritte Generation der frühen Christen hatte auch ein Terminproblem, etwas anders gelagert allerdings. Die anfängliche Erwartung der Apostel, auch des Paulus und der allerersten Jünger Jesu bestand darin, dass Christus sehr bald, wohl noch zu ihren Lebzeiten, auf den Wolken des Himmels wiederkehren und das Reich Gottes vollenden werde. Doch dem war nicht so. Die erhoffte baldige Wiederkehr blieb aus. Und der drückende Alltag mit seinen Sorgen machte einem das Leben schwer. Jahr um Jahr verging, aber das erhoffte Ereignis blieb aus. Je bedrängender die Lage der Christengemeinden war, je unerträglicher die Lebensverhältnisse, umso heftiger malte man sich den Umsturz bei der Wiederkehr Christi aus. Die ganze Welt mit all ihrem Bösen und all ihrer Gewalt und Ungerechtigkeit würde in einer großen Katastrophe vernichtet werden, und es entstehen ein neuer Himmel und eine neue Erde, in denen - endlich - die Gerechtigkeit wohnt.
Diesen Traum vom neuen Himmel und von der neuen Erde hat der Schreiber des Zweiten Petrusbriefes im Alten Testament gefunden: Am Ende des Jesajabuches wird diese Hoffnung bereits in Worte gekleidet. Was aber fehlt, ist der Zeitplan. Wann wird diese Verheißung endlich Wirklichkeit?
Auch dafür wird der Briefschreiber im Alten Testament fündig, diesmal in den Psalmen. Der Psalm 90 denkt über die Ewigkeit Gottes und die Vergänglichkeit der Menschen nach und formuliert so schön: „Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entstand und das Weltall, bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du lässt die Menschen zurückkehren zum Staub und sprichst: ‚Kommt wieder, ihr Menschen!‘ Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“ Angesichts der Ewigkeit Gottes sind die Menschen nur wie Gras, das am Morgen blüht und am Abend geschnitten wird und dahinwelkt.
Gottes Terminkalender tickt anders. … Gott ist unendlich langmütig, damit jeder seine Chance zur Umkehr nutzt.
Mit diesem Satz weiß nun der Autor des zweiten Petrusbriefes, dass Gottes Terminkalender anders tickt. Das dürfen wir nicht übersehen, so ermahnt der Schreiber auch uns. Es gibt keine Verzögerung. Gott zögert nicht, seine Verheißung zu erfüllen. Gott ist nur unendlich langmütig, damit jeder seine Chance zur Umkehr nutzt. Wer aber meint, er könne Gott berechnen und genau angeben: An dem und dem Tag ist es soweit, dem sagt die Lesung: Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Du kannst es nicht vorhersagen.
Gottes und unser Terminkalender lassen sich nicht miteinander synchronisieren. In Sachen Zeit und Zukunft liegen buchstäblich Welten zwischen unserem Planen und Gottes Denken. Wenn wir das erkannt haben, sind wir zwar ein bisschen schlauer, aber wir wissen immer noch nicht, wie wir uns verhalten sollen.
Das liegt heute im Trend: Maximaler Genuss, maximaler Gewinn, im Hier und Jetzt alles herausholen. … Es darf nur keine Krise kommen!
Da gibt es die eine Möglichkeit, die sich sagt: Wenn wir schon nicht wissen, wann alles endet und worauf alles hinausläuft, dann wollen wir unser jetziges Leben genießen und alles herausholen, was geht. „Lasst uns heute essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ - so lautete ein Partyspruch in der Antike. Trifft dieses Lebensgefühl nicht auch auf viele unserer Zeitgenossen heute zu? Gesellschaftsforscher jedenfalls bestätigen das. Maximaler Genuss, maximaler Gewinn, im Hier und Jetzt alles herausholen, was geht; mit eigener Kraft das Maximum aus seinem Leben machen, das liegt heute im Trend. Es darf nur keine Krise kommen; es darf nur keine Zeit fürs Nachdenken bleiben, weil einem dann bewusst werden könnte, wie vorläufig und brüchig das alles ist.
Der Schreiber des Zweiten Petrusbriefs vertritt eine andere Option: Er hält an der Erwartung fest, dass von Gott her das Eingreifen kommt und dass wir daher jederzeit bereit sein sollen, Gott gegenübertreten zu können. Heilig, untadelig, in Frieden sollen wir leben, ein aufrichtiges Leben also führen und so jederzeit bereit dafür zu sein, wenn Gott seine neue Welt voller Gerechtigkeit heraufführen wird.
Das heißt, dass wir Christen nicht nur momentan, dem Kalender nach, im Advent leben, sondern immer. Unser ganzes Leben als Christen ist adventliche Existenz. Wir leben in der Hoffnung, dass Gott eine bessere Zukunft heraufführen wird. Unser Terminkalender wird damit relativ. Denn unsere Zeit ist auf Gott bezogen. Das lässt durchatmen. Wir müssen nicht alles allein meistern, jedem Termin hinterher hetzen, es allen recht machen und für uns selbst das meiste herausholen.
Unsere Zeit liegt in Gottes Händen, unsere Zukunft besteht in Gott; und nicht allein in unserem Planen und Machen. Dieses Leben ist nicht alles. Wir haben noch etwas zu erwarten – und zwar von Gott her. Ja, wir sollen aus unseren Gaben und unserer Zeit etwas Gutes machen und nicht träge und untätig sein. Aber wenn etwas misslingt, geht davon die Welt nicht unter. Es liegt an Gott. Er wird am Ende, das nur er kennt, alles gut machen und die neue Welt der Gerechtigkeit heraufführen.
Das ist ein entlastender Gedanke in einer hektischen Zeit: Unsere Zeit und unsere Zukunft schaffen nicht wir mit unseren Terminkalendern, sie stehen in Gottes Händen.
Fotoquelle: wikimedia cc 3.0 - Autor: Liesel
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