Mitterfels im Österreichischen Erbfolgekrieg (1741 - 1745)
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Votivbild der Geiersberg-Wallfahrt: Trencks Panduren verschleppen ehrbare Ratsherren als Geiseln.
Der 20. Oktober 1740 ist für die europäische Geschichte ein denkwürdiger Tag. Es ist einer der Tage, an denen ein geschichtliches Beben ausgelöst wurde, dessen Folgen noch das letzte Dorf im Bayerischen Wald zu spüren bekam. Auch für Mitterfels und die Dörfer der Umgebung begann eine Zeit, die zu den leidvollsten unserer Geschichte zählt. ...
An diesem 20. Oktober 1740 bestieg Maria Theresia den österreichischen Erzherzogthron, mehrere europäische Fürsten hatten eigene Ansprüche auf die Habsburgischen Erblande bzw. das römisch-deutsche Kaisertum erhoben, allen voran Karl Albrecht, Kurfürst und Herzog von Bayern. Der Konflikt wuchs sich zu einem weltumspannenden Krieg aus. Im Laufe dieses Krieges zogen ungarische Husaren plündernd durch unsere Dörfer. Die Gerichte Mitterfels und Deggendorf vor allem waren in das Kriegsgeschehen involviert. Was die Bevölkerung auszuhalten hatte, kann man nur erahnen, wenn man die heutigen Berichte von den Gräueltaten in Syrien oder anderen Kriegsgebieten in den Medien sieht. Wir übernehmen eine Zusammenstellung der Geschehnisse im so genannten "Österreichischen Erbfolgekrieg" der "Chronik Markt Mitterfels". (Red. ft)
Mitterfels im Österreichischen Erbfolgekrieg (1741 - 1745)
Noch war der Spanische Erbfolgekrieg keine dreißig Jahre zurück und in hässlicher Erinnerung, als die Kriegsfurie erneut über Bayern hereinbrach, und dies noch schlimmer als zuvor. Den Krieg verdankte das Land seinem eigenen Kurfürsten und dessen Machtstreben. Als nämlich 1740 in Österreich Maria Theresia die Thronfolge ihres Vaters antrat, regten sich bei den anderen Mächten Widerspruch und Angriffslust, und vor allem der Bayer maßte sich auf Grund uralter Verwandtschaftsverhältnisse das Gesamterbe und damit die Kaiserkrone an. Also hieß der Feind wiederum Österreich, und der mittaktierende Partner Frankreich, wie 1701.
Zügig rückte der Kurfürst in Richtung Wien, schwenkte dann ins Böhmische ab und besetzte Prag. Dort ließ er sich im Dezember 1741 als König ausrufen, wechselte dann nach Frankfurt, um sich am 12. Februar 1742 zum Kaiser küren zu lassen. Doch es wäre besser gewesen , im eigenen Lande zu bleiben. Seine Gegnerin Maria Theresia hatte es verstanden, den ungarischen Adel zu gewinnen und neue Regimenter zu mobilisieren. Die ersten davon rückten bereits 1741 von Böhmen aus in Bayern ein. Ungarische Husaren kamen plündernd bis Viechtach. Nun mussten zuvorderst die Gerichte Mitterfels und Deggendorf einspringen. Der Streifzug gelang, die Ungarn wurden teils vernichtet, teils gefangen.
Zwei Männer des Gerichts Mitterfels fielen bei dieser Aktion besonders auf und leiteten damit eine geradezu unglaubliche Karriere ein: es waren der Eisenamtmann (Gefängnisverwalter) Johann Michael Gschray (Abb. links) und der junge Gerichtsschreiber am Pfleggericht Johann Kaspar Thürriegel (Abb. rechts). Gschray war mit der Aufstellung einer Freischar betraut worden - ein buntgewürfelter Haufen aus Schergknechten, Jägern, Invaliden, und was sich gerade alles fand. Damit war er gegen Viechtach gerückt und hatte sich erstmals hervorgetan. Dann wurde er zur Verstärkung der Festung nach Mitterfels beordert. Hier waren bereits bayerische und französische Kräfte; denn Mitterfels war wegen seiner Lage am Weg zwischen Donau und Böhmen bedeutsam. Thürriegel war auch bei Viechtach dabei, hatte allein zehn Soldaten und einen Unteroffizier gefangen genommen, dazu 20 Pferde erbeutet und den Proviant einer feindlichen Schar. Als Belohnung durfte er selber die Gefangenen ins Feldhauptquartier nach Schärding bringen, wo er 12 Dukaten erhielt und ihm eine Offiziersstelle im bayerischen Heer versprochen wurde. (Abb. aus: Mitterfelser Magazin 7/2001 und 9/2003, Repros: S. M. Westerholz)
Im ersten Kriegswinter waren ins Bergland zwischen Böhmen und Österreich feindliche Truppen eingesickert und nisteten sich auch im Bayerischen Wald ein. Mit Beginn des neuen Jahres drangen sie unter dem Feldmarschall Graf Ludwig von Khevenhüller die Donau herauf, verstärkt mit einem ungarischen Hilfsheer, und die Bayern zogen sich zurück. Und während ihr Kurfürst in Frankfurt die Kaiserkrone empfing, rückten Menzel'sche Husaren in seine Hauptstadt München ein.
Das ungarische Hilfsheer bestand nur zum kleinsten Teil aus regulären Truppen; die Masse waren Freischaren, Räuberbanden aus den slawonischen Bergen, Zuchthäusler, die gegen das Versprechen, für ihre Königin Maria Theresia gegen Bayern und Franzosen zu kämpfen, amnestiert worden waren. Freiherr von der Trenck sammelte diese Banden auf seinen ungarischen Gütern; Panduren und Schergenkompanien stießen hinzu. Und nun wurden diese Rotmäntel dem Feldmarschall unterstellt und auf das bayerische Volk gehetzt. Die zottelbärtigen Burschen in den weiten Hosen und kurzen Hemden waren in struppige Pelze gehüllt und trugen breite Schlapphüte oder schildlose Helme; sie waren bewaffnet mit langen türkischen Flinten, Pistolen und Fangmessern.
Szene aus den Freilicht-Festspielen Waldmünchen "Trenck der Pandur vor Waldmünchen"
Anmerkung: Über das abenteuerliche Leben Thürriegels und Gschrays wurde in den Mitterfelser Magazinen [MM 7/2001] und MM 9/2003 berichtet.
Pandur zu Pferd (nach M. Engelbrecht - Internet-Seiten der Österreichischen Militärgeschichte)
Der österreichische Generalmajor Bärnklau nahm Passau, und bald wurde ganz Niederbayern von Österreichern überflutet. Im Februar 1742 wütete Trenck mit seinen Panduren in Vilshofen und in Deggendorf, dann fiel er in den Bayerischen Wald ein und brachte 2 Millionen an Beutegeldern mit heim. Der lange und dürre Pandurenhäuptling, der auf einem so kleinen Pferd ritt, dass die Füße fast am Boden streiften, erregte überall Schrecken und Angst, wo er sich nur sehen ließ. Nur in Metten kam er an den Unrechten. Der mächtige und muskelstarke Abt Augustin Ostermayer trug voll Zorn den schmächtigen Panduren an ein Fenster des hohen Refektoriums, um ihn in den Klosterhof zu werfen. Die Begleiter Trencks verhinderten dies, und der Abt musste schwer büßen. Die Bayern und Franzosen, auch Gschray mit seinem Freikorps, zogen sich nach Straubing zurück, das vom Oberst Wolfswiesen aus Schwarzach verteidigt wurde. Am 20. März wurden die Verteidiger vergeblich aufgefordert, die Stadt zu übergeben. Furchtbar wüteten die Panduren in der Altstadt und in der Umgebung von Straubing, als nun die Belagerung begann. Gschray und seine Leute fügten den Panduren großen Schaden zu durch kühne nächtliche Ausfälle. Sie nahmen das "Pandurenschlössel" und brachten Tag für Tag Gefangene in die Stadt. Am 6. April begann die Beschießung. Neunhundert glühende Kugeln wurden in vier Tagen in die Stadt geschleudert; aber der Sturm am 10. April wurde abgeschlagen. Darauf zogen sich die Österreicher zurück.
Im Mai 1742 kamen Franzosen nach Mitterfels. Den Wittelsbachern zuliebe trugen sie, wie alle Franzosen auf bayerischem Boden, weißblaue Bänder und Quasten an Helmen und Mützen. Anfangs hielten sie sich gut und zahlten alles mit gutem Geld. Die Mitterfelser Truppe war eine Kompanie des einstigen bayerischen Regiments Königsmark, das nun unter französischem Kommando stand und La Mark hieß. Es bestand auch jetzt noch meist aus Bayern. Ihr Kommandant, Oberstleutnant Barreau, war Gast des Pflegskommissärs Dr. Johann Thomas Überle und wohnte im Schloss. Barreau fand sehr schnell Gefallen an dem jungen Thürriegel, der ja trotz seiner Jugend bereits soldatischen Ruhm geerntet hatte. Er überredete den Gossersdorfer schließlich, das trockene Schreiberhandwerk aufzugeben und als Fähnrich in seine Kompanie einzutreten.
Solche ungebärdige Söldner sammelte Gschray um sich. Sie fochten rücksichtslos gegen sich selbst und ihre Feinde, die oftmals in Wirklichkeit ihre Landsleute waren. (Mitterfelser Magazin 9/2003, S. 10 - Repro S. M. Westerholz)
Inzwischen war Gschray von seinem Landesherren, dem nunmehrigen Kaiser Karl VII., aufgefordert worden, seine Freischar weiter auszubauen. Er machte sich noch im Sommer an diese Aufgabe, nahm den Bauern Pferde weg und stellte ihnen Quittungen an die Münchner Hofkammer aus; Waffen holte er sich aus den Zeughäusern, das Tuch zu den Uniformen bezog er auf Kredit. Von allen Seiten zogen ihm Bauernsöhne, Knechte, auch Schergen zu , Abenteurer, die unter seiner Führung auf reiche Beute hofften. Bald hatte er über 200 gut ausgerüstete und uniformierte Dragoner um sich. Sie wurden zwar von den Feinden geringschätzig das "Schergenkorps" genannt , aber das kümmerte sie nicht. Auch die eigenen Söhne nahm Gschray in seine Schar auf.
Der Freiherr von der Trenck hauste wieder im Bayerischen Wald, und vor ihm ging der Schrecken her. Bei der Burg Dießenstein in der Nähe von Grafenau verlor er bei einer Explosion fast das Leben. Scheußlich zugerichtet, wurde er nach Passau gebracht, erholte sich aber bald wieder. Aus Rache ließ er dann alle Burgen im Walde verwüsten.
Die Namen der österreichischen Hilfsvölker sind in der Sprache des bayerischen Volkes bis heute als Schimpfwörter geblieben: Panduren, Krawatten, Schlawiner (Slowenen), Schlawacken (Slowaken) , Böhmacken, Polacken und Tolpatschen. Ein strenger Winter brachte die Kampfhandlungen zu einem vorläufigen Ende. Die Truppen bezogen Winterquartiere. In Mitterfels, um Brennberg und Wörth bis Deggendorf lagen vom 1. November 1742 bis Ende April des nächsten Jahres Franzosen. Sie betrugen sich schlecht, nicht mehr so wie vor einem Jahr, als sie das erste Mal nach Bayern kamen. Jetzt beschwerten sich die Bayern, Bürger und auch die Beamten, dass diese Franzosen hausten wie die Feinde, mit Gewalttat, Erpressung und Nötigung. (StA Landshut, Fasz. 525)
Kroatische Panduren 1742 (R. Knötel, gest. 1914, wikimedia/commons)
Am 1. November 1742 bezogen aber auch österreichische Truppen des Fürsten Lobkowitz Winterquartier im Landgericht Mitterfels, in den Gemeinden, die mehr gegen Viechtach und Cham lagen. Bei uns waren es zumeist Soldaten des ungarischen Infanterieregiments Gyulan. Für sie wurden an Verpflegungsgeldern 38.918 Gulden errechnet, wovon aber nur 14.302 Gulden geleistet werden konnten. Zur Eintreibung der Rückstände ließ das Regiment nach seinem Abzug im nächsten Frühjahr einen Hauptmann mit hundert Mann zurück.
Hatten die Gegenden um Mitterfels schon 1742 bei der Belagerung von Straubing viel zu leiden unter Einquartierungen bei dem Durchmarsch der Truppen aus Böhmen und wieder zurück, so begann mit diesem ersten Winterquartier eine Reihe von drangvollen Jahren, die dem Bauernvolk noch lange in der Erinnerung blieben. Die Bauern mussten Vorspanndienste leisten und bei Tag und Nacht Botengänge machen. Dabei ging es nicht ohne Püffe, Stöße und Gewalttaten ab. Schlimmer empfanden sie den Raub. Die Soldaten nahmen ihnen, meist ohne Quittung, die Pferde, das Zugvieh, das Geflügel. Das Getreide wurde ihnen aus dem Getreidekasten genommen, selbst wenn sie es gut versteckt hatten; die Soldaten holten das Heu, die Feldfrüchte, mähten das Gras ab, soweit noch solches stand.
Wurden die Forderungen nicht erfüllt, so kam es zu Quälereien. Säumige Bauern erhielten für vier oder fünf Wochen einen Strafposten in ihre Höfe gelegt. Widerspenstige wurden mit Karbatschen geschlagen, tagelang mit Händen und Füßen an "Tisch und Bänk gleich Hunden" gebunden, und man verweigerte ihnen während dieser Zeit jegliche Nahrung. Immer neue Martern wurden erfunden. Die Bauern wurden im kalten Winter auf das Eis ihrer Weiher gesetzt oder in die finsteren Keller geworfen. Die Soldaten spannten die Männer in den "Bock". Der Bursche musste sich niederhocken; die Hände wurde ihm unter dem Knie stramm aneinandergebunden und dann eine Stange durchgesteckt. Länger als einen Tag hielt das keiner aus; und "durch solche unmenschliche Behandlung wurde mancher in die Ewigkeit geschickt" (Überle). Manche Bauern verließen lieber Haus und Hof, nur um diesen Martern zu entgehen.
Im nächsten Jahr, 1743, kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Kaiser-Kurfürsten und seinem französischen Verbündeten. Straubing musste den Österreichern übergeben und fast ganz Bayern dem Feind überlassen werden. Die Österreicher richteten, wie vor 38 Jahren, eine österreichische Administration ein, und die Stände wurden gezwungen, Maria Theresia als Landesherrin zu huldigen. Der Sage nach soll 1743 der Trenck das Schloss Mitterfels sechs Wochen lang vergeblich belagert haben. Aus Quellen und Urkunden ist es nicht zu belegen, aber das Votivbild im Schloss deutet ähnliches an, auch wenn die Sachlage ganz anders war.
Der Pflegskomissär erhielt nämlich von der bayerischen Regierung die Weisung, sich im Notfall mit seiner Familie aus Mitterfels zu entfernen. Im Oktober 1743 verließ Überle mit seiner Frau und seinen acht Kindern das Schloss und hielt sich in Straubing und in Regensburg auf. In den Jahren 1742, 1743 und 1744 war er im ganzen ,,482 Tage auf der Flucht". Nur die Schreiber und die Amtsleute versahen ihren Dienst weiter. Die Hofmarksherren von Haibach übernahmen in dieser Zeit das "Direktorium". Das Winterquartier 1743 und 1744 wurde für die Bevölkerung des Bayerischen Waldes noch drückender als das des Vorjahres. Es wurde nämlich auch die Hauptarmee der Österreicher unter dem Prinzen Karl von Lothringen vom Rhein abgezogen und in bayerische Quartiere gelegt. Am 4. Oktober 1743 standen im Landgericht Mitterfels allein 1200 Kavalleristen, ungerechnet die anderen Truppen. Jeder Soldat erhielt täglich 7 Kreuzer Löhnung und das Brot oder weitere 2 Kreuzer; jeder Unteroffizier bekam im Monat 30 Gulden, die Fähnriche 34, ein Leutnant 40 und ein Hauptmann 105 Gulden. Die meisten Offiziere lebten in diesem Winter allerdings in München, mussten aber vom Landgericht Mitterfels bezahlt werden. Das Stabsbataillon allein bekam 44.863 Gulden in die Landeshauptstadt geliefert. Für die noch anfallenden 20.165 Gulden musste ein Haftschein ausgestellt werden. Die im Landgericht untergebrachten Truppen kosteten 25.628 Gulden; sie unterstanden dem Hauptmann Kraßky, der seinen Sitz in der Hofmark Haid genommen hatte.
Das war noch nicht alles: es mussten auch Gelder abgeliefert werden nach Straubing, an den Stadtrichter von Furth, an das dortige Hospital, an den Proviantmeister Prunner; außer den Offiziersgagen und den Sätzen für Brot-und Pferdeportionen erscheinen besondere Posten; der Oberstwachtmeister in Furth bekam ein Fässchen Wein für 20 Gulden, weil er eine angedrohte Exekution nicht durchführen ließ; an "Douceurs", also Schmiergeldern, wurden noch 972 Gulden ausgegeben, z. B. einige Wirtshauszechen für den Fähnrich Schott und den Leutnant Larsich. Von Böhmen kamen im Winter Rekruten für die Kompanie des Hauptmanns Brounil. Sie mussten vom Landgericht täglich verpflegt und gelöhnt werden; das machte weitere 2.040 Gulden aus. Alle diese Geschäfte erledigten der Oberschreiber Petzer und sein Mitterschreiber Prenner. Der Pflegskommissär Johann Thomas Überle hatte im Spätherbst Mitterfels wieder verlassen , zusammen mit dem Gerichtsschreiber Sommer. Und draußen auf dem flachen Land gingen die Plagen wieder an. Monat für Monat wurden den Hofmarken und den Landgerichtsuntertanen unglaubliche Summen abgepresst. Die Hofmarksherren mussten ihre Abgaben schon weit vor dem fälligen Monatstag leisten. Sie wurden immer wieder ausfällig gegen ihre eigenen Beamten, weil sie der Meinung waren, diese lieferten die Gelder nicht richtig ab und behielten große Summen für sich, welchen Verdacht auch Überle einige Male aussprach.
Einzug der Panduren in des Dorf Halsbach bei Altötting, in dem die Panduren 1742/43 überwinterten (Seiten der österreichischen Wehrmachtsgeschichte)
Das Jahr 1744 ließ sich für Bayern ein wenig besser an. Der Preußenkönig führte mit Maria Theresia wieder Krieg und entlastete so die Front in Bayern. Die österreichische Administration hörte auf. Die Österreicher zogen sich aus Oberbayern zurück, behaupteten aber das ganze Jahr hindurch das nördliche Donauufer von Passau bis nach Regensburg.
So kam es, dass die Bauern im Wald noch ein Winterquartier des Feindes hinnehmen mussten, das letzte, aber auch das schlimmste von allen. Der Winter wurde bitter kalt. Etwa 5.000 Soldaten des österreichischen Generals Bärenklau lagerten im Bayerischen Wald; in Mitterfels und in der näheren Umgebung waren es die Husaren des Obersten Zapari. Auch Husaren des Regiments Nadast trafen ein. Überle hatte, mit dem Gerichtsschreiber, das Schloss im Oktober wieder verlassen. Also verteilte wieder der Oberschreiber Petzer die Quartiere, möglichst gleichmäßig auf die Höfe der Hofmarken und die landgerichtlichen Bauern. Die österreichischen Fouriere und Unteroffiziere brachten in diesem letzten Winter die Verpflegungsgelder selber ein, was für die Bauern ein Vielfaches an Drang und Bedrückung bedeutete. Sehr oft haben auch die Husaren die angesetzten Verpflegungsgelder gar nicht in Anspruch genommen, sondern gleich die Lebensmittel bei den Bauern geholt. Die Quälereien und Martern waren in diesem Winter daher noch häufiger und grausamer als vorher. Überle erklärte später, dieser letzte Kriegswinter hätte den Bauern "den letzten Herzensstoß" versetzt.
Am 20. Januar 1745 starb Karl Albrecht, der unglückliche Wittelsbacher Kaiser. Die Österreicher besetzten nochmals fast das ganze Land, dann schloss der neue Kurfürst Max Joseph, der Sohn des Verstorbenen, Friede mit Maria Theresia. Er gab alle Ansprüche auf die Kaiserkrone und auf österreichisches Land auf. Der Krieg war zu Ende; aber die Rückstände mussten noch bezahlt werden: im Landgericht Mitterfels betrugen sie 45.000 Gulden. Was die Bauern in diesen Jahren ausstanden, schildern wieder so recht die Bittgesuche, die nach dem Krieg an die Hofkammer in München abgingen. Einige seien angeführt. Hans Omasmayr von Wiesing, Michael Sperl von Dachsberg, Andre Wünttermayr von Haselbach, Georg Englmayr zu Mieding, Hans Preböck von Kohlham, Stephan Pachmayr und Heinrich Heigl von Denkzell schildern ihre wirtschaftliche Lage so:
Es ist unmöglich zu beschreiben, was wir an der Landstraße gelegenen Untertanen von Freund und Feind, besonders aber von den französischen Auxiliar(hilfs)völkern, die das Mitterfelser Schloss besetzten, erdulden mussten. Die Armeen zogen zur zweimaligen Belagerung von Straubing von Böhmen heraus und wieder retour, kampierten etliche Tage um Mitterfels herum, verlangten Quartier, Vorspann, Reitpferde und bei Nacht Botendienste. Alles Großvieh, die Gänse und das Hühnervieh wurden uns mit Gewalt abgenommen, auch das Getreide im Stadel oder auf dem Kornboden, auch wenn es noch so gut versteckt war, samt Heu und anderer Fütterung. Ja selbst die Frucht auf dem Feld, das Gras auf den Wiesen wurde abgemäht. Die Felder können aus Mangel an Samen und Menath (Zugvieh) kaum mehr angebaut werden. Wir waren im Krieg ärmer als die Soldaten und bettelten von ihnen Kommissbrot. Jetzt aber können wir vorläufig keine Abgaben und keinen Schmalzdienst leisten. "Wir müssen unsere eigenen Suppen ohne Schmalz essen. Das Winter- und Sommergetreide hat so umgeschlagen, dass wir nit bis Lichtmessen die hechst bedürfftige Speis, zu Verkauf aber keinen Vierling haben. Dann derfen wir nichts anders tun als sambt Weib und Kindern unsre ganz eingefahlenen und zum Teil auch durch den Feindt ruinierten Bauernhitten verlassen."
Georg Englmayr von Miething und Hans Preböck von Kohlham schulden ihre Abgaben an Korn, Hafer, Geldgilt, an Scharwerksgeld und Schmalzdienst schon seit vier Jahren. Sie geben an, dass sie bis auf den letzten Heller ausgesaugt und verschuldet sind und dass ihr ganzes "dermaliges" Vermögen nicht "erklecklich" (ausreichend) wäre, diese Rückstände zu bezahlen. Sie könnten es erst, wenn sie wieder zu Kräften gekommen seien, wieder Menath und Nutzvieh hätten. Als "fast gandtmäßige Untertanen" bitten sie fußfällig, ihnen die Abgaben der letzten vier Jahre zu erlassen. Überle ließ durch zwei vereidigte Schätzleute, den Hans Holzer von Hinterholzen und VeitFränkl vom Rosenhof, im Beisein des Gerichtsamtmanns die Städel und Getreidekästen der beiden Gesuchsteller visitieren. Sie fanden beim Hans Preböck nur vier Vierlinge Weizen, fünf Schäffel Korn und vier Schäffel Hafer. In Mieding war ein Vorrat von fünf Schäffel Korn und sechs Vierling Hafer. Dazu schrieb Überle: "Dieser Vorrat reicht nur noch kurze Zeit zum genießen, für den Getreidedienst ist nit das geringste übrig." Er schilderte in seinem Gutachten die Not der Bittsteller als besonders groß, nachdem sie nahe bei der Haselbacher und der Konzeller Landstraße gelegen seien, auf der die vielen Märsche vor sich gingen. Dabei hätten sie ihr ganzes Zugvieh eingebüßt. Auch der Rentmeister Pistoricci in Straubing befürwortete das Gesuch; aus einer Bleistiftanmerkung am Rande des Schriftstücks ist zu ersehen, dass die bisherigen Ausstände nachgelassen wurden, dass aber die heurige Schuld nach und nach bezahlt werden musste.
Votivtafel der Mitterfelser Pflegskomissärin Maria Josepha Yberle zur Rettung in den Kriegsjahren 1742 bis 1744
"Dise Tafl hat machen lassen die wohl Edl und gestrenge Frau Maria Josepha Yberlin Pflegscommissarin in Mitterfelß, zu Ehrn und danckbahrkeit Maria hilf und deren 14 hl. Nothhelfer vor deren Mächtigen Vorbitt bey Gott alß durch welche sye u. die ihrige in denen letzthin vorgewesten verderblichen Kriegsjahren de a. di. 1742/1743/ et 1744 in dreymahlig genommenen Flucht auß Leib-Lebens-Feuer-und-Verlustes-gefahren Hab u. Guetts wunderbahrlich errettet u. erhalten worden."
Als der Landesherr im Januar 1745 starb, hinterließ er seinem Sohn und Nachfolger eine ungeheure Schuldenlast und ein völlig verarmtes Volk.
Der Landgerichtsbezirk Mitterfels hatte noch 45.013 Gulden Rückstände an die ehemaligen Feinde zu bezahlen. Gleich nach dem Friedensschluss entstand ein heftiger Streit zwischen dem Pflegskommissär Überle und den Hofmarken , die als ihren Sprecher Max Freiherrn von Asch wählten, wie diese Schuld zwischen den Hofmarksuntertanen und den Untertanen des Landgerichts aufgeteilt werden sollte. Der Streit zog sich bis 1760 hin. Freiherr von Asch wies nach, dass die Untertanen der adeligen und klösterlichen Höfe zu viel bezahlt hätten im Vergleich mit den landgerichtlichen Untertanen. Nach langem Hin und Her wurde die Schuld dann aber doch gleichmäßig auf alle Höfe verteilt. Dieser Streit offenbart uns erst die genauen Einzelheiten der Besetzung durch die Feinde; er gibt aber auch interessante Details über die Rentabilität der Hofmarken, über die bodenmäßigen Unterschiede, über den Vorsprung, den die Hofmarksgüter wirtschaftlich gegenüber den Höfen des Landgerichts hatten. Es wird darin aufgezeigt, dass die landgerichtlichen Bauern anderseits zufriedener waren, weil sie etwas weniger Lasten hatten als die Untertanen der Prälaten und der adeligen Herren. Die 30 Hofmarken im Landgerichtsbereich besaßen damals 755 Höfe, während dem Kurfürsten direkt nur 411 Höfe zinsten.
Aus dem Streit ist aber auch ersichtlich, wie schwierig es nach dem Krieg wurde, aus dem ausgelaugten Land die notwendigen Steuern herauszuholen. Am 12. November 1751 forderte Überle acht Mann vom Minucci-Regiment zur Exekution (Pfändung, Zwangsbetreibung) an, da die Untertanen sonst keine Abgaben mehr bezahlten. Die Regierung von Straubing schickte ihm diese Soldaten.
Noch einmal versuchten die Österreicher, Bayern zu erwerben. Der pfälzische Kurfürst Karl Theodor erbte 1777 Altbayern, wollte sich aber nicht von seiner Heidelberger Residenz trennen. Er gewann den Sohn der Maria Theresia, Kaiser Joseph II. zu dem Plan, Gebiete am Rhein gegen Teile von Bayern einzutauschen. Gemäß diesem Geheimvertrag besetzten österreichische Truppen im Mai 1778 Niederbayern. In den größeren Orten und an allen Landgerichtssitzen wurde dem Kaiser als dem neuen Landesherrn gehuldigt, und die Österreicher halfen mit Wein und Freibier nach. Doch die Untaten des Freiherrn von der Trenck waren beim Landvolk nicht vergessen. Schließlich griff der Preußenkönig Friedrich der Große ein; Bayern behielt seine Selbständigkeit und, bis auf das Innviertel , auch sein Staatsgebiet. Die Fensterläden am Mitterfelser Schloss waren schon in den österreichischen Farben Schwarz-Gelb gestrichen. Sie mussten wieder mit den weiß-blauen Rauten der Wittelsbacher bemalt werden.
Quelle: Franz Wartner, in: Chronik Markt Mitterfels, S. 113 f, dort mit Ausnahme der Yberle-Votivtafel ohne Abbildungen - Bildrecherche: Franz Tosch
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