Bayerische Geschichte
Bestattete von ganz besonderem Rang - Straßkirchner Bajuwarenfunde werden aufwändig restauriert
Spendenaktion bringt neue Erkenntnisse
Straßkirchen. Bei den archäologischen Ausgrabungen eines Reihengräberfeldes wurden in Straßkirchen in den Jahren 1988 bis 1993 insgesamt 402 Bajuwarengräber aus der Zeit zwischen dem frühen 6. und dem Ende des 7. Jahrhunderts nach Christus geborgen. Aus finanziellen Gründen konnte im Anschluss nur ein Bruchteil der Funde restauriert werden, der Rest war mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben. Erst mithilfe einer Spendenaktion im letzten Jahr, die inzwischen über 42.000 Euro erbracht hat, war die Einstellung eines zusätzlichen Restaurators an der Archäologischen Staatssammlung in München zur Bearbeitung der Straßkirchner Funde möglich.
Seit Juli letzten Jahres wurden bisher neun Grabinventare einer gründlichen Bearbeitung und Sicherung unterzogen. Bei einem Besuch der Werkstatt überzeugten sich in der vergangenen Woche Bürgermeister Eduard Grotz, der Schatzmeister des Historischen Vereins Karl Bauer und der Initiator der Bajuwareninitiative Willi Goetz vom Fortschritt der Arbeiten.
Beigaben aus Grab 225: Zwiebelknopf- und Omegafibel, Amulett und Perlen aus Glas, Keramik und Bernstein
Neue Methoden in der Archäologie
"Noch vor zehn Jahren hat man in derselben Zeit doppelt so viel restauriert", meinte Dr. Brigitte Haas-Gebhard, die an der Staatssammlung für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit zuständige Wissenschaftlerin. Neue und wesentlich verfeinerte Verfahren erfordern zwar einen höheren Zeitaufwand, bieten aber heute ganz andere archäologische Möglichkeiten. So kann man mit der Röntgenfluoreszenzanalyse die Zusammensetzung von Legierungen bestimmen oder mit der Infrarot-Reflexionsspektroskopie die Herkunft von Materialien nachweisen. Auch organische Reste, die früher von Metallfunden häufig entfernt wurden, haben heute eine hohe Bedeutung, da sie wichtige Rückschlüsse auf vergangene Zeiten ermöglichen. So fanden sich in einem Straßkirchner Grabinventar Gewebereste in der speziellen Webart des sogenannten Rippenköpers, der dem Stoff nicht nur ein exklusives Aussehen, sondern auch eine besondere Strapazierfähigkeit verliehen hat.
Jeans werden noch heute in Köperbindung hergestellt. Inzwischen kann man sogar feststellen, ob ein Faden in Links- oder Rechtsdrehung gesponnen worden ist. Aus diesen Befunden lässt sich wiederum ableiten, dass viele Stoffe nicht in Hausproduktion hergestellt wurden, sondern dass es vor eineinhalb Jahrtausenden durchaus auch spezialisierte Profiwerkstätten gegeben hat. Insgesamt werden immer detailliertere Aussagen über die bajuwarische Kleidung möglich.
Eine Rautenfibel für den Landkreis Straubing-Bogen
Ins Schwärmen geraten Dr. Brigitte Haas-Gebhard und ihre Kollegin Constanze Thomas, die stellvertretende Leiterin der Restaurierungswerkstätten, beim Grab 316. Trotz der starken Beraubung konnte man anhand der restlichen Befunde feststellen, dass es sich um eine Bestattete von ganz besonderem Rang gehandelt haben musste. Vor allem von einer kleinen Rautenfibel aus purem Gold, mit einer Seitenlänge von kaum zwei Zentimetern, kennt Dr. Haas-Gebhard nichts Vergleichbares in Bayern. Mit roten Almandin- und grünen Glaseinlagen glänzt sie wie vor eineinhalb Jahrtausenden. Um die Wirkung zu erhöhen, wurden die hauchdünnen Edelsteinplättchen mit goldener Waffelfolie unterlegt.
Selbst die Kittmasse wird heute analysiert, wobei der Ursprung des Schmuckstückes im Mittelmeerraum angenommen werden kann. Eine bajuwarische Rautenfibel für den Landkreis Straubing-Bogen, der Heimat des bayerischen Rautenwappens, freut die Wissenschaftlerinnen natürlich besonders. Rautenförmige Stempelmuster finden sich auf zahlreichen Gefäßen der Bajuwaren. Beste Qualität hat auch ein Kamm aus Bein mit feinsten Zähnen, die an einen Nissenkamm von heute erinnern. Höchstleistungen werden vom Restaurator Shimon Mahnke bei der Restaurierung von hauchdünnen, millimetergroßen Silberplättchen mit dekorativer Punzierung verlangt. Diese Arbeit ist nur mit einem Spezialmikroskop und mit viel Geduld möglich. Allmählich lässt sich erkennen, dass es sich um ein luxuriöses Gürtelgehänge handelt, das wiederum die zeitliche Einordnung der Bestattung erleichtert. Shimon Mahnke zollt dem Ausgräber Otto Karl wiederholt großes Lob. Dessen höchst sorgfältige Bergung der Gräber und genaueste Zeichnungen vor über 20
Jahren erleichtern heute die Restaurierung wesentlich. Bei Grab 66 handelt es sich um die Bestattung eines reichen Kriegers mit den üblichen Beigaben wie Lanze, Sax und Schild. Eine hervorragend erhaltene Lanzenspitze und ein massiver Schildbuckel weisen deutliche Gebrauchsspuren auf. Unter Schildbuckel versteht man den runden Faustschutz aus Metall im Zentrum des Schildes, unter dem die Schildfessel als Griff angebracht war.
Die mehrteilige Gürtelgarnitur, tauschiert mit Silber- und Messingeinlagen und mit besonders schlanken Riemenzungen, lässt wieder eine ziemlich genaue Datierung in das 7. Jahrhundert nach Christus zu. Rätsel gibt noch ein kleines Kreuz aus Eisen auf, wobei ein Zusammenhang zu einer nachgewiesenen und eventuell frühchristlichen kleinen Kapelle im Zentrum des Gräberfeldes durchaus möglich sein kann.
Der Frau aus Grab 225 aus der Zeit um 500 hatte man beim Begräbnis ein Amulett in die rechte Hand gelegt. Aus der Römerzeit stammen ihre beiden Bronzefibeln, die man wegen ihrer Form als Omega- und Zwiebelknopffibeln bezeichnet. Zwei auf den elbgermanischen Raum verweisende kleine Bügelfibeln, kaum drei Zentimeter groß und ausgesprochen fein gearbeitet, fanden sich in der Doppelbestattung von Grab 177 und 178. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Frau aus der Zeit um 500 und einen jungen Mann, der ungefähr hundert Jahre später beigesetzt worden war. Bei beiden werden DNA-Analysen notwendig, mit deren Hilfe man fast den ganzen Menschen rekonstruieren kann, bis hin zur Haar- und Augenfarbe. Erst dann wird man sicher sagen können, ob es sich um ein Familiengrab gehandelt hat.
Dr. Haas-Gebhard ist davon überzeugt, dass die Befunde des Straßkirchner Reihengräberfeldes in ihrer Bedeutung für den niederbayerischen Raum gar nicht hoch genug veranschlagt werden können. Wegen der bisher fehlenden Restaurierung und wissenschaftlichen Bearbeitung war ihr das Veröffentlichen in ihrem neuen Bajuwarenbuch, das sie am 25. April im Gäubodenmuseum vorstellen wird, nicht möglich. Deswegen ist sie voll des Lobes für die Initiative zur Rettung der Funde, die sicher entsprechende Veröffentlichungen nach sich ziehen wird.
Quelle: Willi Goetz, in: SR-Tagblatt vom 17. April 2013, Seite 15
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