Bayerische Geschichte
Die Gründung des Klosters Oberaltaich
Kloster Oberaltaich, Markt Bogen und Bogenberg, Kupferstich von Matthaeus Merian, 1644
Landschaft und Lage erweisen sich als geeigneter Standort für ein Kloster
Landschaft und Ort zu beschreiben, wo vor neun Jahrhunderten ein Kloster entstand, muss ein Versuch bleiben. Dennoch ergeben Ortsnamen, Zeichnungen, Flurkarten, Vergleiche und Überlegungen anderer Art wohl eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung.
In Oberaltaich gab es schon vor der Zeit der Klostergründung eine Ansiedlung christlicher Bewohner, ein Dorf mit Kirche, das den Namen „villa Superior Altaha“ trug. Die Familien der Grafen von Bogen und der Domvögte von Regensburg hatten dort Besitz, von dem sie nach der Gründung des Klosters jeweils einen Hof bzw. einen Teil eines weiteren Hofes an das Kloster übertrugen; den Domvögten gehörte zur selben Zeit noch ein Weinberg auf dem Altacher-Berg („in monte Altaha“), den sie dem Kloster schenkten.
Oberaltaich hieß also ursprünglich „Altaha“. Der Zusatz „Superior“ wurde aber sehr bald notwendig, da das wesentlich ältere Niederaltaich sich ebenfalls „Altach“ nannte. Die gleichbedeutenden Namensformen „Altah“ und „Altach“ tauchen in den Traditionen und Urkunden des Klosters wenig später auf, die deutschen Bezeichnungen „Oberaltach“, „Obernaltach“ sowie „Obernaltaich“ und „Oberalteich“ seit dem Ende des 13. Jahrhunderts.
„Kuchl, Keller, Präu-Haus und Pfister“
Die Erklärung des Namens „Alt-ach“ führt eindeutig auf den Begriff „die Ach“ für „Wasser, Fluss oder Bach“. Tatsächlich lag und liegt Oberaltaich ja an einem alten Bach, der mit einem Ableiter durch das Kloster und am Kloster vorbei zur Donau fließt. Wann die Altach durch das Kloster abgeleitet wurde, ist nicht überliefert, muss aber schon sehr früh geschehen sein, da das Wasser notwendig war, „um alldorten der Kuchl, Keller, Präu-Haus und Pfister zu dienen“. Bis in das 19. Jahrhundert hinein hieß der Klosterbach „Altaich“; es gab eine Kleine und Große Altaich, aus der im 19. Jh. die „Mehnach“ wurde. Die Flüsse Menach und Kinsach – ihr damaliger Verlauf ist auf den Uraufnahmeblättern von 1827 und auf den ersten Luftbildern gut erkennbar – flossen in zahlreichen Windungen nahe an Oberaltaich vorbei. Flurnamen wie Alt-Moos, Boigen, Bruch, Bruchwiesen, Hagenau, In der Au, Untere Au, die in nächster Nähe zu Oberaltaich vorkamen, verweisen ebenfalls auf die Bildung einer Sumpf- und Schwemmlandschaft und auf die Existenz von Auwäldern.
Die Klostergründung in solcher Landschaft entsprach durchaus der Vorstellung eines Bauplatzes für ein Kloster. Auf einer etwas erhöhten Terrasse über der Altach wollte man abgeschieden, geborgen sein, um sich auf ein Leben mit Gott konzentrieren zu können. Das lebensnotwendige Wasser spendeten in guter Qualität und in ausreichender Menge einige Brunnen schon in geringer Tiefe und das Flusswasser. Letzteres brauchte man auch zur Beseitigung von Schmutz und Abwasser, zum Bewässern der Gärten und zur Anlage von Fischteichen. Der bereits erschlossene Landstrich, die Nachbarschaft zu einer Siedlung, zu einem größeren Ort wie Bogen(berg) waren kein störendes Hindernis, brauchte man doch Arbeiter, Handwerker, Bauern, Fischer und Möglichkeiten zum Erwerb und Absatz von Waren, um leben zu können. Auch die bestehenden Einzelhöfe in der näheren und weiteren Umgebung waren von Vorteil, da deren Bewohner als mögliche Förderer des Klosters gesehen wurden und da sich aus diesen Familien oft der Klosternachwuchs rekrutierte. Die Auwälder – Eichen wechselten mit Erlen und baumfreien Hainen – lieferten Brenn- und Bauholz. Die ursprüngliche Natur, die absolute Ruhe nutzten die Mönche zum Gebet und zur Erholung. So konnte hier im 14. Jh. sogar eine eigene Wallfahrtskirche „ULF in der Au“ entstehen, die allerdings im 17. Jh. wieder einging. In den Gewässern, vor allem in der Donau, gab es genügend Fische, Nahrung, auf die die Mönche angewiesen waren. Lehm- und Tongruben standen reichlich zur Verfügung und lieferten das Material zum Brennen der Ziegel. Das Kloster hatte dazu in nächster Nähe einen Ziegel- und Kalkofen errichtet.
Die Donau war der wichtigste natürliche Transportweg des Mittelalters; an ihrem Ufer, der „Anschütt“, konnten Waren (zum Beispiel Salz und Wein) und Materialien (zum Beispiel Bauholz, Kalk- und Bruchsteine) angelandet werden. Bei Sand, Hermannsdorf und Reibersdorf – nicht weit weg vom Kloster – befanden sich Donauübergänge, an denen mit Kähnen Personen-, Tier- und Wagentransporte übernommen werden konnten; auch der fruchtbare Gäuboden auf der anderen Seite der Donau war damit erreichbar. Zu den Übergängen führten Wege nahe am Kloster vorbei, wie zum Beispiel der sogenannte Baierweg, der die Besitzungen der Grafen von Bogen und später des Klosters im Bayerischen Wald und in Böhmen erschloss.
Oberaltaich gehörte zur zweiten Generation
Die beschriebenen Standortvorteile zählten mehr als die große Gefahr für den Bau eines Klosters an dieser Stelle, das Hochwasser der Donau. Dieses Risiko muss im Mittelalter anders als heute eingeschätzt worden sein. Denn auch bei anderen Klöstern, etwa bei Weltenburg oder Niederaltaich, war das so. Einerseits waren die Hochwasser nicht so häufig wie in unserer Zeit – die Quellen erwähnen ein erstes Hochwasser erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts –, sicher waren sie auch wegen der unverbauten natürlichen Aulandschaften nicht so gefährlich.
Da keine Gründungsurkunde existiert, müssen andere Quellen herhalten, die Vorgänge der Gründung zu rekonstruieren. Demnach gehörte Oberaltaich nicht zu den bayerischen Urklöstern, sondern zur zweiten Generation der Klostergründungen und wurde um 1080 vom Regensburger Domvogt Friedrich II. gegründet. Die Klostertradition nannte diesen Domvogt ungenau „Friedrich der Erste“ und gab ihm den Namen „Graf von Bogen“, wie heute noch ein spätgotisches Wappenschild in der Klosterkirche verkündet (Abb. 1). Domvogt Friedrich II. war von seinem Verwandten Aswin von Unter-Zeitldorn, dem Grafen des östlichen Donaugaus, beauftragt worden, das Familienkloster auszustatten. Insgesamt lassen sich drei Gründerfamilien nachweisen, die in Oberaltaich begütert waren und die an diesem Ort, wo sich schon ihre Grablegen befanden, durch die Klosterstiftung für ihr Seelenheil sorgen, das heißt sich ein ewiges Leben sichern wollten. Die Domvögte und Grafen waren mit hohen geistlichen und weltlichen Würdenträgern verwandt und befreundet und machten in den ersten beiden Jahrzehnten ihrem Hauskloster 30 Schenkungen, elf kamen von ihren Ministerialen hinzu, fünf von Freien und Edelfreien. Mit dieser Grundausstattung hatten die ankommenden Mönche eine ausreichende materielle Basis zum Bau einer Kirche und eines Klosters.
Der heilige Petrus wurde der Schutzpatron
Die Gründer nannten ihr Eigenkloster, wie oben beschrieben, „Altaha“, „Altach“, „Superior Altaha“ und „Oberaltach“. Als Schutzpatron wählten sie den heiligen Petrus, dessen Patronat die Gründer schon vom Regensburger Dom kannten. Das neue Kloster wurde mit diesem Heiligen vollkommen identifiziert: Die meisten Übertragungen waren dementsprechend „an den Altar des heiligen Petrus“ gerichtet oder „dem heiligen Petrus“ gewidmet. Der Apostel Petrus stellte für Oberaltaich einen idealen Patron dar, als ständiger Begleiter Christi, als erfolgreicher Fischer und „Menschenfischer“ und als Fels, auf dem eine christliche Gemeinde gebaut wird. Nach der erfolgten Gründung entsandte das befreundete Nachbarkloster Niederaltaich die ersten Benediktinermönche und den ersten Abt nach Oberaltaich.
Spätgotische Wappenscheibe mit dem Wappen der Grafen von Bogen und der Erwähnung des päpstlichen Schutzbriefes von 1126.
Es ist durchaus vorstellbar, dass man in Oberaltaich auf die große Erfahrung der Benediktiner aus Niederaltaich hoffte, die in einer ähnlichen Landschaft lebten und die gleichen Probleme mit Hochwasser, Sumpfgebieten und Trockenlegung zu bewältigen hatten. Vor allem natürlich brachten diese Männer, geprägt nach der Gorzer Reform in Lothringen, mönchisches Leben nach Oberaltaich. 1090 wurde wohl mit dem Bau der gesamten Klosteranlage begonnen, nicht wie anderswo im Süden der bestehenden Kirche – dort war es viel zu sumpfig –, sondern nördlich davon. Im Jahre 1109 konnte neben der bestehenden Ortskirche eine Kirche Sankt Peter eingeweiht werden, deren endgültige Fertigstellung vielleicht bis 1129 dauerte. Graf Albert (Albrecht) II. und Domvogt Friedrich IV. verschafften dem neuen Kloster bereits am 22. März 1126 päpstlichen Schutz. Dieser Schutzbrief, unterzeichnet von Papst Honorius II., gehörte zu den wertvollsten Urkunden der Klostergeschichte, bedeutete er doch eine Schutzverleihung durch den Heiligen Stuhl und eine Vorstufe zur Exemtion von der bischöflichen Rechtsprechung. Sein Erwerb durch Graf Albert II. und Domvogt Friedrich fand noch in spätgotischer Zeit höchste Anerkennung (vgl. Abb. 1).
Seelsorger in die Dörfer geschickt
Der kleine Konvent war jahrzehntelang mit dem Ausbau des Klosters beschäftigt, ließ aber wohl schon vor 1115 – nach nur circa 25 Jahren – seinen Besitzstand, den Kirchenschatz und den Bibliotheksbestand verzeichnen – „was für bayerische Verhältnisse wohl einmalig ist“. Freie, Edelfreie und Ministerialen der Domvögte und der Grafen von Bogen gaben zunehmend Unterstützung durch zahlreiche Stiftungen; zwischen 1100 und 1200 konnten Abt und Konvent über 30 Schenkungen verbuchen; für elf Familien entstanden in drei Jahrhunderten Grablegen in der Kirche oder in den Kapellen beim Kreuzgang. Das Kloster wurde innerhalb eines Jahrhunderts zur beherrschenden „Institution“ in diesem Raum, ihm gehörten spätestens um 1100/1104 der Zehnt von 13 Kirchen und damit der Einfluss auf Dutzende von Bauernfamilien, die jenseits der Donau bis weit hinein in den Bayerischen Wald wohnten, und bald auch die größten und einträglichsten Höfe der Umgebung. Das Benediktinerkloster Oberaltaich schickte in zahlreiche Dörfer Seelsorger und baute auf dem Bogenberg eine attraktive Wallfahrt auf. Die Gründerfamilie der Domvögte von Regensburg übte bis 1148 die Vogtei aus, danach bis zum Jahre 1242 ihre Verwandten, die Grafen von Bogen. Diese drangsalierten durch Geldforderungen das Kloster zeitweise bis an die Grenzen seiner Existenzmöglichkeiten.
Kupferstich der gotischen Grabplatte von 1418 für Domvogt Friedrich und Graf Aswin von Bogen, 1775.
Albert IV. aber, der letzte Graf von Bogen, zeigte sich wie der eine oder andere seiner Vorgänger gegen Ende seines Lebens durchaus auch als Gönner und hinterließ dem Kloster unter anderem eine wertvolle Reliquie vom Kreuz Christi. Nach seinem Tod im Jahre 1242 haben die Benediktiner Oberaltaichs die Klostergründer nie vergessen, sie pflegten bis zur Beendigung des Klosterlebens alljährlich ihr feierliches Gedächtnis. Erhaltene Nekrologien, Grabdenkmäler (Abb. 2), Gemälde, Texte, die weiß-blauen Rauten als Wappensymbol der Bogener Grafen künden noch heute sichtbar von der engen Beziehung des Klosters zu den Gründerfamilien.
Quelle: Kreisheimatpfleger Hans Neueder, in: Bogener Zeitung vom 15. Juni 2015 (zeitversetzte Übernahme des Beitrag aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
Der Artikel ist, leicht verändert und ohne Anmerkungen, der Monografie des Autors „Oberaltaich, Geschichte eines bedeutenden Benediktinerklosters, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012“ entnommen.
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