Umweltthemen
Bekommt Zwiesel eine moderne Ritterburg?
Wie eine Burg aus dem 11. Jahrhundert soll die Hotelanlage aussehen. In einem Handwerkerdorf soll das Mittelalter erlebbar werden, hoffen die Planer. (Grafik: Sebastian Schauer)
Raumordnungsverfahren für Hotel läuft – Naturschützer und Anwohner protestieren
Zwiesel. Bayern ist berühmt für seine Burgen und Schlösser: Burghausen hat die längste Burg der Welt, Neuschwanstein das wohl berühmteste Schloss – und bei Zwiesel (Kreis Regen) könnte bald die neueste Burg der Welt entstehen. „Burg Rothberg“ soll ein deutschlandweit einzigartiges Hotel werden. Optisch soll es einer steinernen Burg aus dem 11. Jahrhundert gleichen – komplett mit Türmen, Mauern und Burghof. Derzeit läuft ein Raumordnungsverfahren, in dem das Projekt geprüft wird. Naturschützer und Anwohner haben Widerspruch angekündigt, der Zwiesler Bürgermeister sagt zum Burghotel: „Das kann so nicht funktionieren.“
Der Kellerberg bei Zwiesel, der als Standort auserkoren wurde, liegt im Randbereich des Landschaftsschutzgebiets Bayerischer Wald. Der Bund Naturschutz sieht nicht nur darin ein Problem: Am Kellerberg wurde früher Bergbau betrieben. Der stillgelegte Rotkotstollen ist ein Winterquartier für Fledermäuse „von landesweiter Bedeutung“. Das stellt auch ein Gutachten fest, das dem Raumordnungsverfahren beiliegt. Von rund 150 Tieren, die dort jedes Jahr überwintern, ist darin die Rede. Von den insgesamt sechzehn Arten stehen viele unter Naturschutz. „Der Landkreis hat die Stollen extra für die Überwinterung der Fledermäuse gekauft. Da ein Burghotel zu bauen, würde das konterkarieren“, sagt Jens Schlüter, Geschäftsführer des Bund Naturschutz im Landkreis. Ob das Burghotel die Region wirklich aufwerten würde, sieht er kritisch: „Passt das in unsere Landschaft, in der wir einen Naturpark haben, für den wir bekannt sind?“ Der Naturpark sei auch ohne Burg schon ein Touristenmagnet.
„Kann so nicht funktionieren“
Der Bürgermeister von Zwiesel, Franz Xaver Steininger, bezweifelt hingegen nicht, dass das Burghotel ein „Highlight“ wäre. „Aber man sieht an den Gesamtkosten: Das kann so nicht funktionieren.“ So sei ursprünglich von acht Millionen Euro die Rede gewesen, nun von 13 – frage man Fachleute, höre man von 20 bis 30 Millionen. „Zudem ist die Erschließung des Gebiets in der aktuellen Version nicht bedacht.“ Selbst Bauingenieur mit langjähriger Erfahrung, gibt Steininger dem Projekt – noch diplomatisch – „keine sehr hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit“. Projektleiter Sebastian Schauer beschwichtigt, das Projekt könne man erst nach erfolgreichem Raumordnungsverfahren an Investoren verkaufen. Es gebe vielversprechende Interessenten. „Bisher gibt es nur Absichtserklärungen und Luftschlösser“, sagt dagegen Schlüter, betont aber: „Ich bin nicht per se gegen so ein Projekt. Wenn das eine runde Sache ist, die der Region etwas bringt, dann muss man dafür sein.“ Aber im Moment sei er äußerst skeptisch, ob das Projekt die Planungsphase übersteht – zumal das Vorhaben im Fichtelgebirge schon einmal gescheitert sei.
Anwohner befürchten Lärm und Straßenschäden
Neben den Naturschützern wehren sich auch Anwohner gegen die Burg. Die Planer rechnen mit über 800 Fahrzeugen, die jede Woche auf der Zufahrtsstraße fahren. Dazu kommen jährlich 11 000 Fahrzeuge zu Veranstaltungen. Sie fahren direkt am Haus von Alfred Wollmann vorbei. „Wir können nicht glücklich mit der Burg sein“, sagt Wollmann. Neben dem Fahrzeuglärm und dem Verkehr geht es ihm und seinen Nachbarn auch ums Finanzielle: Die Erschließungskosten für die Straße und den Kanal haben die Anwohner bezahlt. Sie befürchten, dass ihre Siedlungsstraße durch die Baumaschinen und den gesteigerten Verkehr stark leidet – und dass die Anwohner für die Sanierung aufkommen müssen. Um den Anwohnern entgegenzukommen, habe die Projekt-Entwicklungsgesellschaft zwei Zufahrtsvarianten geprüft, sagt Schauer, die direkt zur Bundesstraße B 11 führen, ohne durch die Siedlung zu gehen. Eine der Varianten halte er für „realistisch“.
Ursprüngliche Natur gehört zum Konzept
Der Projektleiter spricht von einem „Leuchtturmprojekt, mit dem man die Region bereichern kann“. Mit dem Burghotel inmitten des Bayerischen Waldes wolle man Gästen etwas Besonderes bieten. Zwischen Natur und Mittelalter gebe es dabei viele Berührungspunkte, findet er: „Entschleunigung“ soll das große Thema sein. Geplant sind 90 Doppelzimmer, dazu kommen Taverne, Restaurant, Rittersaal-Café und ein Gewölbekeller für Ausstellungen, Konzerte und Kulturveranstaltungen. Die Burg soll auf rund 5 600 Quadratmetern Fläche entstehen, dazu plant Schauer mit gut 40 Vollzeitstellen und über 30 Teilzeit- oder Aushilfsjobs. Insgesamt sieht der Plan 80 000 Quadratmeter – so viel wie elf Fußballfelder – für einen „mittelalterlichen Natur- und Erlebnispark“ vor, mit einem historischen Handwerkerdorf sowie Veranstaltungs- und naturbelassenen Erholungsflächen. „Wir wollen die Landschaft nicht verändern, weil die ursprüngliche Natur zum Konzept gehört“, betont Schauer. Auch hier gebe es ein Problem, sagt der Zwiesler Bürgermeister Steininger. Für die Bebauung am Kellerberg müssten Ausgleichsflächen ausgewiesen werden. Und die sind im aktuellen Plan laut Steininger auf dem Gebiet der Stadt Zwiesel angegeben. „Ich hatte Herrn Schauer aber darauf hingewiesen, dass die Stadt dazu Nein sagt.“ Weil die Burg auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Lindberg gebaut wird, solle auch Lindberg die Ausgleichsflächen stellen. Lindbergs Bürgermeisterin Gerti Menigat sagt aber: „Wir haben gar keine Flächen.“ Der Großteil ihrer Gemeinde gehöre selbst zum Nationalpark, daher gebe es schlicht keine Flächen, die man als Ausgleich anbieten könnte. Wie der Projektleiter das lösen wird, wisse sie nicht. Sie blickt dem Bau insgesamt aber gelassen entgegen. „Wir haben im Gemeinderat beschlossen: Wenn uns keine Kosten entstehen, sind wir nicht dagegen.“ Das Raumordnungsverfahren läuft noch bis zum 22. Juli. Bis dahin können Verbände, Anwohner und Betroffene ihre Stellungnahmen abgeben. Dann gibt die Regierung von Niederbayern eine landesplanerische Beurteilung heraus. Diese hat den Charakter eines Gutachtens und wird zeigen, ob und unter welchen Voraussetzungen die „Burg Rothberg“ im Bayerischen Wald gebaut werden darf.
Quelle: Andreas Kerscher und Christoph Urban/BOG Zeitung vom 15. Juni 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
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