Mitterfels
Volkstrauertag in Mitterfels. Gottesdienst und Kranzniederlegung am Ehrenmal …
Feier am Kriegerdenkmal mit Bürgermeister Liebl - Kleines Bild: Oberst a. D. Henner Wehn - Foto: Elisabeth Röhn – Vergrößern durch Anklicken!
… mit der Ansprache von Oberst a. D. Henner Wehn
Der Volkstrauertag mit Jahrestag der Krieger- und Soldatenkameradschaft Mitterfels wurde auch in diesem Jahr mit einem Gedenkgottesdienst in der Heilig-Geist-Kirche und der Schubertmesse, ...
... aufgeführt von der Blaskapelle Mitterfels, feierlich begangen. Die KuSK-Vorsitzenden Konrad Feldmeier sen. und Hans Attenberger verlasen die Namen der zahlreichen Toten und Vermissten beider Weltkriege aus der Marktgemeinde und Ben Schlicker blies das Lied vom „Guten Kameraden“. Traditionell hielt Oberst a. D. Henner Wehn im Gottesdienst eine Gedenkrede zum Volkstrauertag und fragte „ist der Name Volkstrauertag überhaupt noch angebracht?“
In Trauer vereint
1952 vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge wieder neu gegründet, sollte er an die Millionen Toten beider Weltkriege erinnern. In den fünfziger Jahren hätten die Menschen am Volkstrauertag noch heftig und echt getrauert. „Sie waren in Trauer vereint und trauerten gemeinsam, der „Volkstrauertag“ war ein zutreffender Begriff“, erklärte Wehn.
Das habe sich in den siebziger Jahren geändert, der Frieden in Europa schien stabil zu sein, an den Ost-West-Konflikt hatten sich alle gewöhnt, der Frieden war Alltag geworden. Als Soldat habe er allerdings nach der Wiedervereinigung eine zunehmende Abkehr von der Bundeswehr erlebt, eine Mehrheit der Bevölkerung lehnte das viele Geld für die Bundeswehr und die damit verbundene Rüstung ab. Vor allem jüngere Menschen konnten mit dem Volkstrauertag nichts mehr anfangen.
Doch seit im Februar 2022 auf Befehl des russischen Präsidenten Putin die Ukraine von der russischen Armee überfallen wurde, sei der Krieg zurück in Europa. Dann, ein weiterer Kriegsschauplatz, als Terroristen der Hamas aus dem Gaza heraus Israel überfielen, über 1400 israelische Zivilisten töteten und Geiseln verschleppten. Das habe gezeigt, wie fragil der europäische und weltweite Frieden ist. Umso wichtiger sei es, sich gemeinsam dafür zu engagieren. [Ansprache in voller Länge unten.]
Bei der Gedenkfeier am Kriegerdenkmal blickte Pater Dominik Daschner auf den Krieg in der Ukraine und betonte „Frieden ist nicht länger selbstverständlich“. Dem schloss sich Bürgermeister Andreas Liebl an und betonte „Der Volkstrauertag ist ein Tag des Gedenkens aber auch der Reflexion“. Er erinnere an die Schrecken des Krieges und rufe dazu auf, Frieden und Freiheit zu wahren und wertzuschätzen. „Wir müssen am Frieden arbeiten und alles dafür tun, das Terror und Fremdenfeindlichkeit bei uns keine Chance haben. Auch eine Verpflichtung, die wir über Landesgrenzen hinweg tragen.“Als Zeichen der Verbundenheit legten Liebl und Feldmeier einen Kranz am Kriegerdenkmal nieder.
Elisabeth Röhn/BOG Zeitung vom 22. November 2023
Ansprache von Oberst a. D. Henner Wehn in der kath. Pfarrkirche
Wir haben uns, wie jedes Jahr, wieder zum Volkstrauertag versammelt.
Danke für Ihre Treue.
Es ist ein „Stiller Gedenktag.“, kein gesetzlicher Feiertag. Aber hat er noch Bedeutung für uns in diesen aufgewühlten Zeiten? Ist der Name „Volkstrauertag“ überhaupt noch angebracht?
1952, vor 71 Jahren, vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge wieder neu gegründet, sollte er bei uns in Deutschland an die Millionen Toten beider Weltkriege erinnern. Der Zweite Weltkrieg war zu diesem Zeitpunkt seit sieben Jahren zu Ende. Aber Europa lag immer noch in Trümmern und ein echter dauerhafter Friede schien weit entfernt. Zwischen der Sowjetunion, weiterhin von Stalin beherrscht, und dem Westen zog sich durch Europa der „Eiserne Vorhang“ und ein so genannter „Kalter Krieg“ zwischen West und Ost bestimmte die Außenpolitik dieser Zeit. Als Folge des Zweiten Weltkriegs gab es in Deutschland neben den Millionen von Toten noch eine Unzahl von Vermissten, deren Schicksal noch völlig offen war. Viele Menschen hatten ihre Heimat durch Flucht und Vertreibung verloren. Viele Männer litten in der Sowjetunion noch in der Kriegsgefangenschaft, und ihre Heimkehr schien ungewiss. Manche wurden erst 1956 entlassen. Die Menschen in Deutschland trauerten daher am Volkstrauertag in den fünfziger Jahren noch heftig und echt.
Diese Trauer war in fast allen Familien stark und gegenwärtig, denn fast jede Familie war durch den Krieg mit Tod und Vertreibung in Berührung gekommen. So bot in den fünfziger und sechziger Jahren der Volkstrauertag die Gelegenheit der gemeinsamen Trauer und des gegenseitigen Trostes.
In den sechziger Jahren war ich als junger Soldat an der Gestaltung des Volkstrauertages beteiligt. Ich erinnere mich noch sehr gut
- an die Tränen der Mütter und Frauen, die Ihre Söhne, Männer und Brüder verloren hatten,
- an den erkennbaren Schmerz in den Gesichtern der Flüchtlinge, die fürchteten, ihre geliebte Heimat nie mehr wiederzusehen.
Das deutsche Volk war in Trauer vereint und trauerte gemeinsam. Volkstrauertag“ war ein zutreffender Begriff. Das änderte sich in den siebziger Jahren. Der Wohlstand wuchs und der Frieden in Europa schien stabil zu sein. An den Ost-West-Konflikt hatten sich alle gewöhnt. Die NATO, und die darin eingebundene ,unter Widerständen ,neu gegründete Bundeswehr, schienen Sicherheit und Abwehrbereitschaft trotz des Kalten Krieges zu garantieren. Die Mehrheit der Deutschen schien sich bis in die achtziger Jahre sicher: Der Frieden ist Alltag geworden!
Jedenfalls in Europa werden wir keinen Krieg mehr erleben, und die Bundeswehr brauchen wir eigentlich dafür auch nicht mehr!
Überraschend änderte sich in den späten achtziger Jahren alles! Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam 1989 auch noch die unerwartete deutsche Wiedervereinigung. Die ungeliebte Wehrpflicht wurde abgeschafft. Mit großem Staunen erlebte ich als Soldat seit der Wiedervereinigung eine zunehmende Abkehr von der Bundeswehr. Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnte das viele Geld für die Bundeswehr und die damit verbundene Rüstung ab. Wozu also noch Wehrpflicht und so viel Geld für Militär und Rüstung ausgeben.
Und mit unserem jährlichen Volkstrauertag konnten vor allem jüngere Menschen nichts mehr anfangen. Bei einer Befragung durch mich, vor etwa 6 Jahren, war dieser „stille Feiertag“ für die große Mehrheit der Schüler eines Gymnasiums unbekannt und bedeutungslos geworden. Dann aber, im Februar 2022, wurde auf Befehl des russischen Präsidenten Putin, die Ukraine von der russischen Armee überfallen.
Unvorstellbar! Der Krieg war zurück in Europa! Seitdem müssen wir wieder täglich Bilder ertragen, von denen wir gehofft hatten, sie auf unserem Kontinent nie mehr zu sehen! Mütter, die ihre Söhne, und Frauen, die ihre Männer und Väter der Kinder in den Krieg verabschieden, ohne zu wissen, ob sie sich jemals wiedersehen. Weinende Flüchtlingskinder, die ihre Heimat verloren haben. Ukrainische Flüchtlinge, überall in Deutschland. Wir liefern Waffen an dieses Land und bilden ukrainische Soldaten aus, die den Kampf gegen das riesige Russland nicht aufgeben wollen.
Worin begründet sich dieser für uns nicht recht fassbare Widerstandswille? Täglich sterben zivile Menschen durch Raketen und Luftangriffe, fallen im Gefecht hunderte Soldatinnen und Soldaten. Vom Schreck, ja Schock in den ersten Wochen ist dieser Krieg in der Ukraine zum deutschen Alltag in den Medien geworden. Inzwischen ist sogar eine gewisse Kriegsmüdigkeit festzustellen.
Über eine Million Flüchtlinge haben wir aufgenommen. Und niemand weiß, wie und wann dieser Krieg beendet werden kann. Im Gegenteil. Die Bedrohung durch Russland hat sich an der NATO-Ostflanke zur realen Gefahr eines Krieges entwickelt. Nach Aussage des Verteidigungsministers Pistorius soll die Bundeswehr nach über 30 Jahren Abrüstung wieder zu einer abwehrbereiten Armee aufgebaut werden. Das wird sehr lange dauern und viel Geld kosten. Außer dem russischen Präsidenten Putin weiß trotzdem keiner, wie und wann dieser KRIEG in der Ukraine beendet werden kann.
Und dann, als ob der Ukrainekrieg nicht schon genug wäre, ein weiterer Kriegsschauplatz: Am 07. Oktober dieses Jahres überfielen Terroristen der HAMAS aus dem Gaza heraus ISRAEL. Sie töteten über1400 israelische Zivilisten und nahmen über 200 Geiseln, die sie verschleppten. ISRAEL führt seitdem einen fürchterlichen Krieg um seine Existenz und kämpft mit aller Härte im palästinensischen GAZA-Streifen. Ein Ende ist auch hier nicht absehbar.
Wie ist es mit dem Frieden bestellt, wenn wir jetzt nach innen, nach Deutschland, schauen? Hier herrscht innenpolitisch zurzeit kein echter Frieden! In den Nachrichten beobachten wir bei Demonstrationen auf den Straßen immer mehr Hass und Gewalt. Unsere Gesellschaft zerfällt in Gruppen, die sich feindlich gegenüberzustehen scheinen. In den Medien kann man in Diskussionen mit ansehen, wie Persönlichkeiten beleidigt und andere Meinungen verunglimpft werden. Die Kluft zwischen den Menschen scheint größer zu werden. Offener Hass und Verunglimpfungen zwischen Muslimen Juden und auch Christen wird erlebbar.
Dazu noch der Klimawandel, der das Leben von uns allen zu verändern droht. Wie soll das nur in den nächsten Jahren weitergehen? Der in den vielen Ansprachen formulierte Appell, persönlich friedfertig zu bleiben, hilft da natürlich auch nicht.
Aber es gibt am Volkstrauertag auch noch positive Aspekte!
Bei aller aktueller Sorge um die politische Entwicklung und das schwindende Interesse am Volkstrauertag ist das bei uns hier in MITTERFELS die dauernde Pflege der Kriegsdenkmäler und unser jährliches Gedenken an die Toten der Weltkriege, deren Namen wir gleich wieder hören werden.
Dieses Gedenken ist auch eine Mahnung!
Die Toten der vergangenen wie der aktuellen Kriege zeigen uns, wie fragil der europäische und der weltweite Frieden wirklich ist, und wie wichtig es ist, sich aktiv gemeinsam für den Frieden zu engagieren, Vorurteile abzubauen und freiheitliche und menschenwürdige Lebensbedingungen dort zu erkämpfen, wo es sie nicht gibt, und dort zu verteidigen, wo sie angegriffen werden.
Alle sehnen wir uns aktuell nach dem Frieden der vergangenen Jahre zurück! Wie könnten wir ihn wieder schaffen?
Im 6. Jahrhundert vor Christi hat der chinesische Philosoph LAOTSE dazu folgende Gedanken formuliert:
„Damit es Frieden in der Welt gibt,
müssen die Völker in Frieden leben.
Damit es Frieden zwischen den Völkern gibt,
dürfen sich die Städte nicht gegeneinander erheben.
Damit es Frieden in den Städten gibt,
müssen sich die Nachbarn verstehen.
Damit es Frieden zwischen den Nachbarn gibt,
muss im eigenen Haus Frieden herrschen.
Damit im eigenen Haus Frieden herrscht,
muss man ihn im eigenen Herzen finden.“
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