. . . drin im Woid
Lenkuv dvur/Lenkenhof im Herzen des Donnerwinkels
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Was weiß ich, was durch meinen Kopf schwirrt, eine Menge Böhmerwald, flechtengrau, wirr und wild, wuchernd, die Wirrnis und Wildnis, die Einsamkeit der einstigen Hofstellen, ihre Geschichte und all das Vergangene, die vielen Menschenfüße, das Hiergebliebene!
Ein verwunschener Ort, ein Stückchen Böhmerwald der dich verzaubert! Es ist die Welt der vielen Gesichter und du suchst, was zu dir passt! Es ist dieser Ort und sein Rundherum, weltvergessen, ist er irgendwo hängen geblieben in Zeiten die ruhiger allemal über Waldberge sich schmeicheln und in feinsten Ritzen hauchdünn nisten, von Sonne und Licht, Jahreszeiten, Regen, Schnee und Wind, von Tag und Nacht behütet, Orte und Zeiten die dahin wurschteln, vor sich hin sinnieren, bis irgendeine verrückte, aus der Normalität gepurzelte Seele sie hervorgrabscht! Mein Ort, mein klein wenig Lebenszeit!
Ich will dort oben bleiben für eine Nacht! „Bist du narrisch, hams di dahoam aussegworfen?“ "Mog scho sei, dass i a weng spinn, aber hoam darf i scho wieder. - Fohst du mi aufi?“ „Ja freilich! Wird eine lange Nacht!“ „Mei, dass dir ja nix passiert do oben!“ „Na!“
Am einstigen Lenkenhof - Blick zum Osserkamm, August 2020
Am einstigen Lenkenhof sitze ich jetzt, Isomatte, eine Lodenkotze als Decke, ein wenig Brotzeit, Gewehr und viel anderer Krimskrams, den ich im Rucksack mitschleppe. Wobei das Gewehr ungeladen auf dem Kanzelboden liegt. „Schieß koa einzelne Sau, koa große Sau, koan kloane Frosch, so 20 bis 30 kg Sau sind optimal!“ Gar nichts werde ich schießen, ich will einfach nur hier sein! Die Nacht, den Vollmond und alles was ich sehe und höre genießen!
Hier im Herzen des Donnerwinkels sitze ich, freue mich einfach! Nichts und Niemand stört diese Idylle, es ist fantastisch, ich habe ein kleines Haus um mich herum, schwebe etwas über der Erde und fühle mich tierisch wohl! Der Osser träumt im letzten rot leuchtenden Tageslicht vor sich hin, spitz und steil ragt er empor. Auf einer schmalen Lichtung hinter meiner Kanzel steht ein Stück Rotwild, äst vor sich hin, auf dem Wechsel hinunter ins Tal sind sie und kommen frühmorgens wieder in ihre Tageseinstände am Berg zurück. Es sind diese undurchdringlichen Dickungen, mannshoher wuchernder, verwachsener Mischwald, jede Nachsuche in diesem Zeug ist eine Tortur! „Do drinn´, wenn´st a Stück´l suacha muasst, konnst glei hoamschreib´n, dass´d g´foin bist!“ „Schiaß´ glei g´scheid aufe, oder lass´s bleib´n!“
Meine "Kammer" am Lenkenhof für eine Nacht
Vor mir stand der Lenkenhof, nur einige Ziegel und Grundfeste erinnern daran, etwas verwachsenes Fichtenzeug am Rande der Forststraße, eine kleine Lichtung mit Kirrung für Rotwild und Schweine. Rechts unten rauscht der Osserbach und auf der anderen Seite führen steile Hänge und alte Wege hinauf zur Grenze am Steinernen Tor. Mir scheint, als wäre ich einfach aus der umtriebigen Welt gesegelt, nur Vögel zwitschern und zetern, sonst herrscht eine ungewohnte Stille, eine grüne Muse und Romantik gleitet durch die Wipfel. Feldraine, Hecken und Wege zogen einst über Wiesen herauf, bis heute geblieben sind diese Wegbäume, die alten Eichen und Ahorne rauschen friedlich im leichten Wind. Aus unvorstellbaren Zeiten könnten sie erzählen, von Menschen, von Freunden und Feinden, von Irrsinn, von Glück und Freude, von Frieden und all diesen Dingen die der Mensch erst im Lauf seines Lebens schätzen lernt, - vielleicht! Was soll mir hier unter diesen Bäumen passieren, sie haben seit Menschengedenken behütet und die Richtung gewiesen.
Ja, und dann wuselt durch trockenes Laub und meine Gedanken ein kleines Schweinchen, ein Frischling, ein selbstbewusstes Kerlchen in seinem gestreiften Pullover, schnurstracks der Kirrung zu! Nacheinander hopsen weitere Frischlinge über den Weg, zwei Bachen hinterdrein. Die haben ganz schön zu tun mit dieser Bande, die sich um Maiskörner streiten, sich zwicken und buffen, ab und zu braucht es ein Machtwort, ein Grunzer von der Bache, von der Tante ein Schubser, klare Ansagen, dann ist wieder alles gut! Es ist noch hell und sie bleiben lange bis es dunkel wird, ein Genuss für mich, hier darf ich sie einfach beobachten!
„Schieß´ koan kloana Frosch!“ Wie könnte ich so einen Frischling schießen? Sie dürfen hier sein und werden nicht mit allen jagdlichen Möglichkeiten und Hinterfotzigkeiten dezimiert! Ich darf hier Jäger sein mit Anstand und Respekt, mich lacht niemand aus für ein bisschen Gefühl im Umgang mit den Kreaturen, die mit uns leben, selbst wenn es nur eine Wildsau ist!
Als Wildsau betiteln wir mitunter eigene Artgenossen, die uns im Moment nicht so ganz am Herzen liegen! Warum eigentlich? Im Dreck wühlen und suhlen ist ja nichts Schlimmes! Wildschweine sind blitzgescheite Tiere, leben in ihren Familien oder ziehen alleine herum, egal, sie sind wahre furchtlose Überlebenskünstler! Somit wäre es eher ein Kompliment!
Sie sind doch lustige Gesellen, schmatzen und genießen, zanken sich um altes Brot, fressen nach Herzenslust! Sie bohren sich unter jeden Felsbrocken, überall sind gute Sachen versteckt! Bis plötzlich eine der Bachen das Kommando gibt zum Aufbruch, ein kurzer Brummer, und die Saubande weiß Bescheid, - auf geht’s, wir ziehen weiter durch den Wald! Als würden sie sprechen miteinander, werfen sie sich Quicker zu, - wir dürf´n nimma do bleib´m, - host mir gar nix zum sag´n, - he spinnst du, ha, - geh zua jetz´, - hast ned g´hört, - d´Mama hod´s g´sagt, - hau ma jetz´ ab, - wart´ auf mi, - kimm schnell, - geh ja scho!“
Die Schweine verschwinden unter den jungen Fichten und sie sind nicht mehr zu hören, sie verzupfen sich so lautlos, wie sie gekommen sind, - wie machen sie das nur? Dieses „In Luft auflösen“, einfach untertauchen ist Wildsaumarotte!
Inzwischen ist es stockdunkel, kein Licht von irgendwo, keine Straßenbeleuchtung von weit her, keine Wolke die etwas reflektieren könnte, ich warte auf den Vollmond, drüben überm Mustek müsste er bald zu erahnen sein. Nur der Kontrast zwischen Wipfel und Himmel ist geblieben, die schwarzen Baumkronen und der Sternenhimmel, darunter hocke ich auf meiner Kanzel, im Rücken den Grenzkamm und den Osser, versuche ich noch die Sauenbilder zu ordnen, all das Erlebte irgendwie für Lebenszeit und Erinnerung zu verstauen.
Wie war es früher hier auf dem Lenkenhof? Es wäre der Ofen eingeheizt in der Stube, der große Bauerntisch, die rauen Hände, hätte gefragt, ob ich eine Nacht bleiben darf. Würde jetzt auf der Gredbank sitzen, eine Tasse Milch vielleicht, ein Stückl Brot in der Hand, leise plätschert es im Wassergrand, drunten gischtet der Osserbach durch den Donnerwinkel, eine Kerze flackert, still ist es gewesen damals. War nur die Glocke droben auf dem Dach, hat manche Nachricht hinausgeschickt. Haben Ahornblätter geraschelt, der Wind hat sie erzählen lassen, war immer schon so. Flüstern noch heute Geschichten vor sich hin, wispern und tuscheln und werden nicht müde, machen weiter, als wäre nichts gewesen.
Kommt der Mond übern Brückelberg, schleicht sich übern Böhmerwald, hätte sich sein Schein sanft über die Wiesen gelegt. - Jetzt fingerlt er durch die Fichtenäste, weckt mich aus meinen Träumereien, der Ossergipfel glitzert silbern und in Hamry kommt der Zug aus Nyrsko, höre das Hupen, das Rattern auf den Gleisen, das, hat der Lenkenhof noch gehört, wie oft sind sie hinunter gelaufen zur Semmelmühle, über die Angel, den Pfad hinauf durch die Unterführung zum Bahnhof Hammern-Eisenstraß? Ist vieles weggefahren und nicht wieder zurückgekommen!
Der Mond beleuchtet die schmale Lichtung, nichts rührt sich draußen, habe mich eingewickelt in meine Lodenkotze, so hör ich noch dem Wind zu, ein wenig Knistern und Rascheln, mal knackt ein Ast, der Ruf einer Eule aus den mächtigen Eichen …
Irgendwann werde ich wach, es klappern Steine, laut und immer wieder! Vorsichtig schaue ich durchs Fenster und im Schatten des Waldes steht eine Mordstrum Sau! Unter den Steinen ist eine Handvoll Mais deponiert, die Sau hat reichlich zu tun, jeden dreht sie um und wirft ihn weg. Es scheppert einige Zeit und ich sehe nur diesen schwarzen Koloss, mächtig wie eine Kommode schiebt sie sich im Finstern herum. Es ist kurz nach 1 Uhr. Auch sie verschwindet einfach dort im Wald unterm Osser.
Ich bin schon ein wenig verrückt, ich weiß! Zu gern würde ich wissen, wo sie sich hin verzupft? Eine Nacht einer Sau auf den Fersen zu sein, einfach mitzuziehen, in den Wäldern herumzustreunen!
Ach ja und übrigends: „So a große Sau, des is a Keiler, den brauchst ned schieß´n, der taugt nur für Salami! Lass´n renna, der g´hört am Osser!“
Frühmorgens warte ich wieder auf das Licht aus dem Osten, diesmal kommt die Sonne über den Mustek, sie grinst durch die Bäume, zwinkert mir zu, habe so viel erlebt, es ist 8.00 Uhr, ich packe zusammen, brauche eine Stunde hinunter zur Brücke. Eine Stunde durch zwei Jahrhundert!
Ich folge der Baumallee, der Steinmauer, vom Lenkuv dvur/Lenkenhof hinunter zum Woferl. Der Woferl war auch ein Hof im Donnerwinkel, schlendere querwaldein bergab, dorthin, von wo gestern die beiden Bachen mit ihren Frischlingen kamen, an einem großen alten Ahorn lehnt mein Gewehr, ich sitze auf einem Stein, Blicke hinaus zum Spitzberg und zum Zwercheck. Warum ist das so, warum gräbt sich genau dieser Winkel in deine Seele? Warum weißt du, dass du hier gut aufgehoben bist?
Auf einem uralten verkommenen Weg erreiche ich die Hofstelle des Woferl. Eine Fichte wächst aus dem Wassergrand, ein Topf steht auf den Resten des Grundfestes. Dieser Topf, - sehe ihn auf dem Holzofen, Flammen züngeln aus den Ringen, saure Milch und Erdäpfel! Vielleicht hat es auch einmal „an Rehhax“ geben?! Jedenfalls hat ihn jemand gebraucht. Benützt, in die Hand genommen, ihn abgewaschen, vielleicht mitbekommen?! Er gehörte zu einem Menschen, der damit sein tägliches Essen zubereitete!
Ein Stück weiter talwärts finden sich die Überreste der Lenkenhütte oder Osserhütte, versteckt im Dickicht. Die Glashütte ist 1810 schon eingegangen, kennt heut sowieso niemand mehr. Der Lenkenhof hat auch einmal den Hohenzollern gehört. Lange ist es her!
Drunten am Christlhof findet sich nur mehr ein verwachsener Steinhaufen und ein Ahorn! Der wispert im Wind, der Osserbach rauscht und über die Brücke kommt ein Fuhrwerk, bin mit einem Augenblick um Jahrzehnte zurückgeworfen! Ein Pferd und Wagen, ein verwegenes Mandl, der Bart wuchernd, lacht und winkt er mir von Weitem zu, das Holz holt er sich für den Winter, das kleine Zeug, das er so zusammenklauben darf. Ist ein bisschen alte Zeit hängen geblieben, poltert über verwachsene Wege, ist nicht alles so mitgekommen und mitgewachsen, ist im Wald noch vieles Daheim was niemand mehr weiß, was niemand mehr kennt! Von Damals so viel alte Zeit, sie hängen in der Luft im Duft der altehrwürdigen Fichten, die Geschichten schlängeln sich wie leise glucksende Wasser durch einsame Täler, wabern wie zähe Nebel über den Grenzwald.
Auf dem Weg zum Lenkenhof, im Hintergrund der Osser. - Winter 2019/20 - Vergrößern durch Anklicken!
Geh´ einfach, komm wieder, hör gut zu, er passt schon auf dich auf! Der Osser und sein Donnerwinkel!
Lenkenhof im Donnerwinkel (Böhmerwald, am Fuße des Ossers), Karte von 1950 - Vergrößern durch Anklicken!
Lenkenhof
Der Hütten- oder Lenkenhof wird erst am 6.02.1796 von Josef und Franziska Lenk angekauft und die Glashütte am Thomaschneidergütl betrieben. Am Hüttenhof und dem Hehnerhäusl wurde noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts der Betrieb aufrechterhalten.
Gerlwaldchronik
Die Lenkenhütte im Donnerwinkel, gegründet 1797 von Josef v. Lenk, nach 1810 eingegangen. Die Wälder der Hütte kamen zur Osserhütte.
Chronik
Lenkenhof, er gehörte 1945 zum Osserwald der Herrschaft, also zur staatlichen Forstverwaltung. Letzter Pächter war Georg Rückl, geb. 1901 (im 2. Weltkrieg vermisst) u. Elisabeth, geb. Tomann.
Vorher dessen Vater Karl Rückl, geb. 1878, u. Klara, geb. Eckl.
Vorher dessen Vater Günther Rückl. V. Fuchsenhof u. Katharina, geb. Linzmeier v. Tremlhof.
Der Hüttenhof ist schon eine alte Siedlerstelle – 1654 Matthias Hogner, 1713 u. 1734 Dionys Egner, 1754 Jakob Eginger.
Letzte Bewohner Georg Rückl u. Mutter Klara.
Hüttenhof – die Glashütte der Lenk war an diesem Ort.
Südlich vom Hüttenhof – in der Nähe des Osserbaches sind die Ruinen der alten Lenkenhütte 1797-1810. Der Besitz kam dann an die Osserhütte und mit dieser an den Waldbesitz der Hohenzollern.
Im Wald nordwestlich vom Hüttenhof stand vor Jahren das Hennerhäusl, hier hatten die Lerach (Schneiderlenz und Einöder) mit ihren Eltern gewohnt.
Quelle: Heimatbuch Hammern
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