Nationalpark Bayerischer Wald
Klimawandel im Nationalpark Bayerischer Wald? Was Beobachtungen zu Temperatur, Flora und Fauna verraten
Pressemitteilung des Nationalparks Bayer. Wald
Botschafter des Klimawandels im Nationalpark Bayerischer Wald: der bis zu 1,2 cm große Trauer-Rosenkäfer Oxythyrea funesta (Foto: Heinz Bussler)
Klimaforscher sind sich einig: Im letzten Jahrhundert ist es auf der Erde messbar wärmer geworden. Der Weltklimarat konstatierte 2013 – global gesehen – einen mittleren Temperaturanstieg von 0,85 °C seit 1880 und erklärte die letzten drei Jahrzehnte zu den wärmsten seit 1400 Jahren.
Extrem milde Winter wie 2013/14 – in Deutschland bislang der drittwärmste seit über 130 Jahren – scheinen das allgemeine Phänomen zu bestätigen; ungewöhnliche Kälteeinbrüche wie jüngst im Süden der USA verdeutlichen jedoch, dass Klimatrends zeitlich und räumlich sehr variabel sein können. Wie sieht es im Nationalpark Bayerischer Wald aus? Ist hier Klimawandel lokal messbar und wenn ja, lassen sich Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere beobachten? Erste Antworten hierzu liefert das BIOKLIM-Projekt unter der Federführung von Wissenschaftlern des Nationalparks.
BIOKLIM – der Projektname steht für Biodiversität und Klima – soll mittels Langzeitbeobachtungen im Nationalparkgebiet erstmals gesicherte Erkenntnisse ermöglichen, wie Klimawandel zu Veränderungen der dort auftretenden, für europäische Mittelgebirge typischen Lebensgemeinschaften führt.
Bislang wurden zwischen 2006 und 2011 auf insgesamt fast 300 Probenahme-Arealen, die sich von Tallagen auf 650 Metern Höhe bis in die Kammlagen von über 1400 Metern Höhe erstrecken, Untersuchungen in den verschiedensten Disziplinen durchgeführt, unter anderem in Klimatologie, Mykologie, Botanik und Zoologie; Wiederholungsuntersuchungen sind für das Jahr 2017 geplant. Darüber hinaus steht den Forschern detailliertes historisches Datenmaterial von Flora- und Fauna-Untersuchungen zur Verfügung sowie Klimabeobachtungen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.
Im Gebiet des Nationalparks Bayerischer Wald konnte man 2013/14 einen der schneeärmsten Winter seit über 40 Jahren verzeichnen und laut Aufzeichnungen der Wetterstation Waldhäuser (940 Metern Höhe) mit 2,2 °C Durchschnittstemperatur den zweitwärmsten Februar seit 1972. Obwohl diese Beobachtungen auf den ersten Blick eher ein meteorlogisches Ausnahmephänomen nahelegen, zeichnet sich bei den Langzeittemperaturmessungen seit 1886 im Nationalparkgebiet eine eindeutige Tendenz ab: In den letzten 130 Jahren ist hier die mittlere Jahrestemperatur messbar gestiegen; mit rund 1 °C Erwärmung (auf aktuell ca. 6 °C) und einem besonders markanten Anstieg in den 1980er Jahren liegen die Aufzeichnungen recht genau im globalen Trend. Besonders stark ist dieser Trend in der Vegetationsperiode in den Monaten April, Mai und August. Als unmittelbare Folge lässt sich beispielsweise beobachten, dass Buchen ihren Frühjahrsaustrieb jedes Jahr weiter nach vorne verschieben, nämlich um 0,6 Tage. In den letzten 40 Jahren kam so immerhin eine Vorverlegung von gut drei Wochen zustande.
Messablesung am Taferlruck, eine der drei großen Klimastationen, die der Nationalpark seit den 1970er Jahren betreibt (Foto: NPV Bayerischer Wald)
Als weitere Folge der Erwärmung konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich die Verbreitungsgrenzen verschiedener Tiergruppen im Nationalpark im Vergleich zu einer um 1900 durchgeführten Untersuchung deutlich in höhere Lagen verschoben haben. Am ausgeprägtesten ist dies für Insekten zu beobachten: Die insgesamt 423 Arten – Käfer, Hautflügler und Schwebfliegen –, die sowohl in der historischen als auch in der aktuellen Studie erfasst wurden, zeigten eine durchschnittliche Höhenverlagerungen der oberen Verbreitungsgrenze der drei Gruppen zwischen 260 – 290 Metern. Darüber hinaus wurden auch einige neue, eher „wärmeliebende" Einwanderer nachgewiesen, wie etwa der Trauer-Rosenkäfer, der ursprünglich im Schwarzmeer- und Mittelmeer-Raum beheimatet ist. Auch Vögel haben bereits auf den Klimawandel im Nationalpark reagiert: Die 57 in beiden Studien erfassten Arten haben ihre obere Verbreitungsgrenze im Schnitt um rund 160 Meter in Richtung Gipfel verschoben. Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Mönchsgrasmücke, die ihre obere Verbreitungsgrenze um 370 Meter nach oben verlagert hat.
Bei den insgesamt 165 in beiden Studien erfassten Pflanzenarten ließ sich dagegen keine Höhenverschiebung nachweisen. Dies gilt auch für die Buche, die im Nationalpark bislang noch nicht verstärkt in Bergregionen über 1150 Meter vorgedrungen ist. Die Wissenschaftler erklären sich dieses Phänomen damit, dass hier neben der Temperatur noch andere Faktoren ausschlaggebend sind, wie etwa die Bodenqualitäten des sauren Mittelgebirgsstockes, mit dem generell nur wenige Spezialisten klar kommen.
„Bergregionen wie der Nationalpark, bei denen das Untersuchungsgebiet durch einen Höhengradienten geprägt ist, sind ideale ‚Forschungslabors', um Reaktionen von Lebensgemeinschaften auf Klimawandel zu analysieren", kommentiert Claus Bässler, Leiter der BIOKLIM-Studie, die Ergebnisse. Im Gegensatz zu Studien mit Beobachtungen aus unterschiedlichen Breitegraden seien hier die arttypischen Reaktionen auf Klimaveränderungen viel schneller abzulesen, da die Tiere und Pflanzen nur kurze Distanzen im lokalen Höhengradienten überwinden müssten, um in die für sie geeignete Klimazone zu wechseln, so Bässler weiter. „Die von uns beobachteten Verschiebungen der oberen Verbreitungsgrenze, ebenso wie Verschiebungen der unteren Verbreitungsgrenze und des Verbreitungsoptimums sind quasi ein ‚Reaktionsfingerabdruck' einer Art, der dann auch für andere Untersuchungen zum Vergleich und für Modellierungen herangezogen werden kann", erläutert der promovierte Umweltwissenschaftler.
„Generell ist festzustellen, dass unsere Forschungsergebnisse – zusätzlich zu den Langzeit-Temperaturbeobachtungen – deutlich belegen, dass der Klimawandel im Nationalpark Bayerischer Wald nicht nur angekommen ist, sondern auch Folgen hat", konstatiert Claus Bässler. „Die Artengemeinschaften organisieren sich neu, so dass wir damit rechnen müssen, dass sich auch die funktionalen Prozesse im Wald verändern. Diese Aspekte sollen verstärkt bei den weiteren Untersuchungen und Auswertungen im Rahmen von BIOKLIM berücksichtigt werden", so Bässler abschließend.
Fragen zu BIOKLIM beantwortet:
Dr. Claus Bässler | Stellvertretender Leiter Sachgebiet Naturschutz und Forschung
Tel. +49 8552 9600157 | Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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