Bayerische Geschichte
Landkreis Straubing-Bogen: 50.000 Jahre Geschichte
Landkreis bot den Menschen schon früh eine Heimat
Der Landkreis Straubing-Bogen gehört mit seinen über 2.300 bekannten Bodendenkmälern zu den bedeutendsten Fundregionen Süddeutschlands. Wichtige archäologische Fundplätze und außergewöhnliche Funde aus dem Kreis haben in die regionale und überregionale Archäologie Eingang gefunden und belegen die außerordentliche Bedeutung unseres Raumes für die historische Wissenschaftsforschung.
Soweit bislang nachweisbar, durchstreiften bereits vor etwa 50.000 Jahren unsere Vorfahren als Jäger und Sammler auf der Suche nach Nahrung und jagdbarem Wild den Landkreis Straubing-Bogen. Sie haben nur geringe Spuren in Form von größeren bis sehr kleinen Steingeräten hinterlassen, die wir bisher nur von wenigen Fundplätzen wie zum Beispiel bei Kirchroth, Münster, Salching oder neuerdings vom Sandberg in Bogen kennen.
Jungsteinzeit: Die Siedler bleiben da
Nach der Mitte des 6. Jahrtausends vor Christus, in der „sogenannten“ Linienbandkeramik der älteren Jungsteinzeit (Neolithikum), beginnt die dauerhafte Besiedlung unseres Landkreises. Ackerbauern und Viehzüchter gründeten, meist an flussnahen Terrassenkanten, in den Weiten des Gäubodens, im tertiären Hügelland und im Labertal Siedlungen mit charakteristischen Langhäusern. Ein Nachbau steht im Straubinger Tierpark, nur wenige Meter von der ursprünglichen Lage vor über 7.000 Jahren, wo sich eine Zentralsiedlung der Linienbandkeramik auf dem heutigen Gelände der Forensischen Klinik in Straubing-Lerchenhaid befand. Die außergewöhnliche Qualität der fruchtbaren Lössböden im Gäuboden und im tertiären Hügelland, die guten klimatischen Bedingungen und die ausreichende Wasserversorgung über die zahlreichen Bäche und Flüsse waren ideale Standortbedingungen. Neben zahlreichen Siedlungsplätzen kennen wir auch Gräber dieser Zeit, wobei das Gräberfeld von Aiterhofen-Ödmühle sowohl hinsichtlich der Größe als auch der besonderen Beigaben einzigartig in Südostbayern ist.
Die ersten Siedler mieden noch die Höhenzüge des Bayerischen Waldes als dauerhaftes Siedlungsareal, durchstreiften ihn jedoch auf zahlreichen Altwegen in Richtung Norden.
In den folgenden Jahrtausenden erschlossen sich die jungsteinzeitlichen Menschen der unterschiedlichsten Kulturgruppen wie zum Beispiel die Stichbandkeramiker, die Münchshöfener, die Altheimer, Chamer und die Angehörigen der endneolithischen Becherkulturen wie die Schnurkeramiker und die Glockenbecherleute den Landkreis Straubing-Bogen immer intensiver und großräumiger, wie dies, die zahlreichen Fundstellen belegen. Bereits vor der Mitte des 5. Jahrtausends vor Christus wird auch der Bayerische Wald als Siedlungsareal anfangs noch zögerlich, später aber verstärkt in die vorgeschichtliche Siedlungslandschaft miteinbezogen. Die Zahl jungsteinzeitlicher Fundstellen im Landkreis ist auffallend groß und belegt dadurch eindrucksvoll die Attraktivität unserer Gegend schon für unsere ältesten Vorfahren. Einzelne wichtige Fundstellen der Zeit zwischen dem 5. und dem Ende des 2. Jahrtausends hier herauszustellen, fällt aufgrund der vielen Fundorte schwer. Doch sollen zumindest die Grabungen in Geiselhöring erwähnt werden, die eine einzigartige Kultfigur des ausgehenden 5. Jahrtausends vor Christus - den Stier von Geiselhöring - erbracht haben, oder der für eine ganze jungsteinzeitliche Kulturgruppe Namen gebende Fundort Münchshöfen.
Bronzezeit: Die Menschen werden reich
Etwa um 2.100 vor Christus hielt ein neuer Werkstoff Einzug in den menschlichen Alltag - Bronze, eine Legierung von Kupfer und Zinn. Inneralpin unter Kontrolle mächtiger Eliten abgebaut und weiterverhandelt eroberte das neue Metall über verschiedene Handelsrouten auch unseren Landkreis und wurde für Waffen, Geräte und Schmuck verwendet. War dieses neue Material in den vorausgehenden Jahrhunderten der Glockenbecherzeit offensichtlich nur für wenige Angehörige der sozial höheren Schichten erschwinglich, ermöglichte offensichtlich ein gesteigerter Wohlstand einer größeren Bevölkerungsgruppe den Zugang zum goldglänzenden Metall. Bedeutende Gräberfelder mit wichtigen Funden von bronzenen Waffen, Schmuck oder Trachtgegenständen in und um Straubing führten dazu, den frühen Abschnitt der nach dem neuen Metall benannten Bronzezeit als Straubinger Kultur zu bezeichnen. Neben zahlreichen Hinterlassenschaften bronzezeitlicher Siedlungen, die von Oberlindhart bis Straßkirchen und von Oberschneiding bis nach Kirchroth gefunden wurden, sind auch zahlreiche Gräber beziehungsweise Gräberfelder bekannt.
Neben dem flachen Land gewannen auch die Höhenzüge des Bayerischen Waldes große Bedeutung und wurden wie beispielsweise am Bogenberg mit großen Wall- und Grabenanlagen befestigt. Die Verstorbenen, anfangs noch körperbestattet, werden im Laufe des 2. Jahrtausends nach ihrem Tod verbrannt und zum Teil unter großen Hügeln mit aufwendigen Grabeinbauten und qualitätvollen Beigaben bestattet, wie dies zum Beispiel die beiden reichen Gräber von Schambach oder Grafentraubach zeigen. Am Beginn der Urnenfelderzeit, etwa ab circa 1.100 vor Christus, legte man dann große Urnenfriedhöfe an. Dem Bestattungsritus der Zeit folgend wurden die Verstorbenen verbrannt und in größeren oder kleineren Urnen und mit Beigaben für das jenseitige Leben versehen bestattet. Mit zu den bedeutendsten Fundplätzen dieser Zeit in Süddeutschland gehört die große Siedlung bei Atting, in der am Anfang des 1. Jahrtausends über 100 Häuser gestanden haben. Überregionale Aufmerksamkeit erlangten hier die zahlreichen gut erhaltenen, teils 3.000 Jahre alten Holzbrunnen.
Hallstattzeit: Die Herrenhöfe entstehen
Am Beginn der Hallstattzeit, der Zeit der frühen Kelten etwa ab 800 vor Christus, in der auch Eisen als neuer Werkstoff auftauchte, lässt sich im Siedlungswesen eine auffallende Veränderung feststellen. Einzelne Angehörige eines wohlhabenden Landadels begannen, ihren Hof mit einem viereckigen Graben-/Wallsystem vom restlichen Siedlungsareal zu separieren.
Die sogenannten Herrenhöfe, wie wir sie von Oberlindhart, Pillnach, Sallach, Aiterhofen oder vom Geiselhöringer Burgenfeld kennen, entstehen. Die Verstorbenen wurden je nach sozialem Status mit Trachtgegenständen, Schmuck oder Waffen und reichhaltigen Geschirrsätzen ausgestattet unter großen Hügeln begraben, die sich aber in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche wie bei Geiselhöring, Sallach, Hader oder Mariaposching leider nicht mehr erhalten haben. Einen kleinen Eindruck von den einst wohl imposanten Grabhügelfeldern liefern nur mehr wenige erhaltene Grabhügelgruppen in den Wäldern wie bei Hailing oder Reißing, während die wenigen ausgegrabenen Gräber wie in Fahrndorf oder Geiselhöring den einstigen Reichtum und Wohlstand nur mehr in Teilen erahnen lassen.
Latènezeit: Die Kelten kommen
Viereckschanze Sallach
Mitte des 5. Jahrhunderts tauchten in unserem Gebiet die Kelten als erste namentlich von griechischen Geschichtsschreibern bekannte Bevölkerung nördlich der Alpen auf und bestimmten bis wenige Jahrzehnte vor Christi Geburt das Geschehen in unserer Gegend. Die zahlreichen Siedlungshinweise nunmehr in allen topografischen Lagen im Landkreis lassen eine recht dichte Besiedlung während der Latènezeit erkennen, wobei mehrfach nahe an Altwegen gesiedelt wurde, Auch im Siedlungswesen, vor allem der Mittel- und Spätlatènezeit, etwa zwischen 300 und 50 vor Christus, lassen sich wie in der vorangegangenen Hallstattzeit besondere Siedlungsformen erkennen. Markante Wall-/Grabenanlagen, die sogenannten „Viereckschanzen“, als eindrucksvolles Geländedenkmal zum Beispiel im Wald von Sallach (Bild) noch gut sichtbar oder jüngst bei den großflächigen Ausgrabungen in Oberschneiding nachgewiesen, dürften weniger wie lange vermutet als keltische Heiligtümer, sondern eher als Wohnbereiche einer ländlichen Oberschicht interpretiert werden. Deutlich unterrepräsentiert für diesen Zeitabschnitt unserer Vergangenheit sind die keltischen Gräber, von denen wir nur einzelne aus Oberlindhart, Geltolfing oder Einhausen kennen.
Römerzeit: Die Zeiten werden unruhig
Unruhige Zeiten schon in den letzten Jahrzehnten des 1. vorchristlichen Jahrhunderts hatten zu einem deutlichen Rückgang der keltischen Bevölkerung geführt, als der südliche Straubinger Landkreis etwa um 70 nach Christus Teil der römischen Provinz Raetien und die Donau damit für etwa fünf Jahrhunderte die Grenze zum freien Germanien wurde. Militärlager wurden in Straubing an der Donau errichtet, wie um 70 nach Christus das erste Westkastell, wenig später die Ostkastelle I und II und schließlich um 120 nach Christus das Kastell III. Um die Kastelle entwickelte sich ein Vicus mit Töpfereien und Metallverarbeitung, der wie das verbliebene Ostkastell jedoch in den Jahrzehnten nach der Mitte des 3. Jahrhunderts zerstört und dann aufgegeben wurde. Anfangs nahe an den Kastellstandorten, dann im Hinterland, entstanden landwirtschaftliche Gutshöfe, villae rusticae, die für die Versorgung der Militärstutzpunkte wichtig waren. Verschwindend gering ist bislang die Gräberzahl. Bis auf die beiden Gräberfelder von Straubing-Ittling und Straubing-Wasserwerk sind aus dem Landkreis nur ein zerstörtes Brandgrab aus Geltolfing und die Reste einer zerstörten Gräbergruppe aus Geiselhöring bekannt. Einer der bedeutendsten Funde römischer Zeit in Süddeutschland wurde 1950 in Alburg gemacht. Bei einem ehemaligen römischen Gutshof wurden in der ersten Hälfte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts aufwendig verzierte Gesichtshelme, Beinschienen, Pferdekopfschutzplatten (Bild), Bronzestatuetten, Werkzeuge, Schlüssel, Geräte und Waffen in einem Kessel vergraben, um sie vor heranrückenden germanischen Stämmen, den Alemannen, zu verstecken.
Bajuwaren: Das Christentum hält Einzug
Bereits in der spätrömischen Zeit des 4. Jahrhunderts nach Christus drangen germanische Siedler aus dem südböhmischen Raum in den Landkreis ein und besiedelten vorwiegend das Gebiet nördlich der Donau. Kennzeichnend dafür ist eine Grabkeramik, die sowohl in den Gräberfeldern von Friedenhain bei Parkstetten oder von Straubing-Azlburg, in den ältesten Gräbern des bajuwarischen Gräberfeldes von Straubing-Bajuwarenstraße als auch im südböhmischen Prestovice auftaucht und so Besiedlungskontinuität von der Spätantike bis ins frühe Mittelalter belegt. Schriftliche Quellen erwähnen Mitte des 6. Jahrhunderts nach Christus erstmals auch für unsere Region die Bajuwaren, die östlich des Lechs lebten und deren Stammesbildung auf reichsrömischem Boden durch das Zusammenspiel verschiedener Bevölkerungsgruppen geschehen ist.
Relativ wenigen Siedlungsplätzen im Landkreis stehen zwischen Oberlindhart und Straßkirchen zahlreiche, zum Teil sehr große Gräberfelder gegenüber, deren Gräber bis etwa 700 nach Christus mit zum Teil aufwändigen Beigaben ausgestattet wurden (Bild). Danach ließ man die großen Friedhöfe auf. Man bestattete nunmehr die Verstorbenen bei den Ortskirchen und unter dem Einfluss des Christentums kommt die Beigabensitte allmählich zum Erliegen.
In den folgenden Jahrhunderten wird die Quellenbasis für die historischen Wissenschaften durch die einsetzende schriftliche Überlieferung deutlich erweitert. Spannend wird es dabei für die Archäologie, die Schriftquellen mit den archäologischen Quellen zu vergleichen und so das Wissen über diesen Abschnitt unserer Vergangenheit zu vertiefen.
Dr. Ludwig Husty, Kreisarchäologe, in: Beilage zum SR-Tagblatt "40 Jahre Landkreis"
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