Die „Rebellen“ von Gschwendt

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Mit solchen Transparenten machten die „Rebellen“ von Gschwendt über einen langen Zeitraum auf sich aufmerksam. Fotos: Kapellenförderverein – Vergrößern durch Anklicken!

Im Jahr 1988 wehren sich Bürger gegen eine Mülldeponie im Spitalwald – Teil 1

Sie waren „die Rebellen von Gschwendt“, die Bürger der Gemeinde Ascha, die sich im Jahr 1988 gegen die im Spitalwald in Gschwendt geplante Mülldeponie wehren. Erfolgreich.

Im Anschluss gründen sie einen Kapellenförderverein, der nach dem Bau der Kapelle in Förderverein „Gedenkkapelle Spitalwald“ umbenannt wird. Unter der Leitung des Vorsitzenden Josef Landstorfer wird zusätzlich noch ein Kapellenwanderweg geplant und umgesetzt. Alles in Erinnerung an den erfolgreichen Kampf gegen die Mülldeponie.

Die „Rebellen“ aus Gschwendt und Ascha waren die ersten 20 Mitglieder des Kapellenvereins „Gedenkkapelle Spitalwald“ mit Josef Landstorfer als Vorsitzendem. Sie hatten es gewagt, den Kampf gegen eine übermächtig scheinende Bürokratie aufzunehmen.

Moderne Müllvermeidung hat Ursprung in Gschwendt

Sie sind es, die dafür verantwortlich sind, dass die heutige, moderne Müllvermeidung ihren Ursprung in Gschwendt hat. Und das in einem kleinen Ort mit nicht einmal 200 Einwohnern. Gschwendt wurde bekannt durch den Widerstand gegen die Planungen zu einer Mülldeponie im Spitalwald.

Zur Geschichte: Am 25. Oktober 1988 heißt es in der Heimatzeitung: „Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Im Spitalwald bei Gschwendt soll eine Mülldeponie errichtet werden. Rund 20 Prozent des zurzeit anfallenden Mülls in Straubing können im Schwandorfer Müllkraftwerk nicht mehr verbrannt werden.“ Es ist zu lesen, dass auf einem Grundstück der Straubing eigenen Bürgerspitalstiftung in der Nähe von Gschwendt das Raumordnungsverfahren bereits eingeleitet sei und in wenigen Wochen die Planfeststellung durchgeführt werden soll.

Bürger wehren sich gegen Dreck, Gift, Lärm, Gestank

Die betroffene Bevölkerung ist vor den Kopf gestoßen. Die Menschen können und wollen es nicht glauben, dass ein bevorzugtes Naherholungsgebiet der Straubinger Bevölkerung zugunsten einer 1,6 Millionen Kubikmeter umfassenden Mülldeponie abgeholzt werden soll. Und das, obwohl die Regierung von Niederbayern und das Landesamt für Umweltschutz den geplanten Standort Gschwendt elf Jahre zuvor bereits abgelehnt hatten.

Die Bevölkerung beginnt, sich mit allen Kräften gegen den Dreck, das Gift, den Lärm und den Gestank dieser die Natur, das Grundwasser und die Gesundheit beeinträchtigenden Mülldeponie im Vorwald zu wehren.

Flugblatt: „Jetzt muss uns ein Licht aufgehen!“

Es bildeten sich Aktionskreise wie „Bürger gegen Müll im Spitalwald“ und es wurde darüber informiert, dass Hausmüll, Schlämme aus kommunalen Kläranlagen und sogar Reststoffe aus der thermischen Müllverwertung aus Schwandorf nach Gschwendt kommen sollen. Die Landwirtin Christa Berl aus dem an das Waldgebiet angrenzenden Thannhof ergreift die Initiative, verteilt Flugblätter mit aufgezeichneten Glühbirnen. „Jetzt muss uns ein Licht aufgehen!“, steht darauf. Im Gegenzug wird das bayerische Umweltministerium aufgefordert, im Landkreis Straubing-Bogen ein Pilot-Projekt zur beispielhaften Müllentsorgung einzurichten und zu fördern.

Leserbriefe, Bürgerversammlungen mit über 300 Bürgern sprechen ein klares „Nein“ zur Mülldeponie aus. Christa Berl, Barbara Waubke, Willi Zirngibl, Andreas Kulzer, Otto Karl, Luitgard Engel und im Hintergrund einfache Bürger wie Josef Landstorfer, um nur einige wenige zu nennen, treten zunehmend lautstark auf. Es werden aber auch Alternativen wie die „Aktion halbe Tonne“ zur Müllvermeidung aufgezeigt. Und sie geben Tipps. „Erst denken, dann kaufen, dann sortieren …“, heißt es nun.

Die Menschen fordern die Aufstellung von Papier- und Glascontainern in allen Gemeindebereichen und, wo nötig, zusätzliche Gemeinschaftskompostieranlagen. Außerdem soll ein Gemeindearbeiter von der Gemeinde als Müllberater bei der Müllsortierung helfen. Sogar Landrat Ingo Weiß lässt sich vom Konzept überzeugen. Über einen Modellversuch sollen in zwei Gemeinden über einige Monate Gebühren für die Müllabfuhr nach einem Punktesystem erhoben werden. Nur mit einem „Markerl“ auf der Mülltonne versehene Tonnen sollen geleert werden. Heute ist dies alles eine Selbstverständlichkeit.

Die Bürger pochen auf ihre demokratischen Rechte

Die Bürger informieren sich in Fachkreisen, pochen auf ihre demokratischen Rechte, verfassen Petitionen an die Regierung von Niederbayern und reichen nicht zuletzt mehr als 8 500 Unterschriften an den Regierungspräsidenten weiter. Allem Engagement zum Trotz muss der auf inzwischen 150 Mitglieder angewachsene Aktionskreis ein mangelndes ernsthaftes Interesse der Spitzenpolitiker aus dem Landkreis und der Stadt Straubing sowie der Geschäftsführung des Zweckverbandes zur Abfallbeseitigung erkennen.

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Vertreter der Bürgerinitiative gegen die Mülldeponie im Spitalwald in Gschwendt bei einem Ortstermin mit Landtagsabgeordneten – Vergrößern durch Anklicken!

Die Bürger aber sind sensibilisiert. Ein Müll-Volksbegehren erreicht 1990 in Bayern einen Schnitt von 12,8 Prozent, im Landkreis Straubing-Bogen 9,06, aber in Ascha sage und schreibe 37,6 Prozent. Auch wenn die Müllpolitik-Gegnerin Christa Berl enttäuscht ist, keiner gibt auf. In Ascha werden die Vereine aktiv. Die FFW stellt ihr Einweggeschirr auf Mehrweggeschirr um. Gleiches wird für das Stadtplatzfest in Straubing, bei der Jungen Union in Konzell oder in Geiselhöring oder Hunderdorf gefordert.

Bei der Anhörung der Bürger im Planfeststellungsverfahren aber fehlen wichtige Pläne und Gutachten zu geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten. Auf Druck der Bürger werden im Gegenzug zunehmend Missstände aufgedeckt. Fachbehörden bezeichnen die Messungen als nicht repräsentativ. Obwohl Fehler beim Raumordnungsverfahren und bei der Standortsuche vom bayerischen Umweltministerium gesehen werden, bleibt man aufgrund der Dringlichkeit bei einer Mülldeponie in Gschwendt.

Irene Haberl/BOG Zeitung vom 22. Januar 2024 (Gen. der Lokalredaktion)

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