Museen
Von Literatur bis Geocaching: Dr. Martin Ostermeier will Freilichtmuseen voranbringen
„Man muss immer etwas Neues bieten“
Am Puls der Zeit bleiben, Ideen aufgreifen und umsetzen und an den alten Dingen Neues zeigen: Nur so können sich die niederbayerischen Freilichtmuseen in Finsterau und Massing behaupten, sagt Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier.
Hofeinfahrt des Petzihofes in Finsterau © ft
Im Interview erklärt er beispielsweise, wie regionale Autoren oder naturbegeisterte Künstler das Finsterauer Museum bereichern können. Und dass ohne neue Attraktionen nichts geht. Deshalb will er in Massing noch heuer die Übertragung eines Kröninger Hafnerhofs anpacken.
Sommerrodelbahnen, Baumwipfelpfade, Freizeitparks: Die Palette der Unterhaltungsangebote ist recht breit geworden. Will da überhaupt noch wer ins Museum?
Dr. Martin Ortmeier: Viele! In Massing gewinnen wir seit einigen Jahren zwischen zwei und vier Prozent Besucher hinzu. In Finsterau halten wir uns stabil bei über 50.000 Besuchern. Anfang der 90er-Jahre hatten wir aber auch schon 80.000 Gäste.
Warum diese unterschiedliche Entwicklung?
Ortmeier: Wir liegen in Finsterau genau im Trend des Tourismus. Der Boom nach der Grenzöffnung ist vorbei, die Übernachtungszahlen sind zurückgegangen und parallel dazu die Zahl der Besucher im Museum. Nur weil wir immer mehr Veranstaltungen bieten, können wir uns im touristischen Umfeld behaupten. In Massing haben wir Erfolg mit unseren museumspädagogischen Angeboten - von der Begegnung mit Bauernhoftieren bis zum Waschtag wie in alter Zeit. Massing erobert Besucher aus einem weiten Umkreis.
Finsterau ist ja nicht gerade der Nabel der Welt. Wie kann man Besucher dorthin locken?
Ortmeier: Mit neuen Ideen und einem Konzept, das auf nachhaltige Kulturpflege setzt. Wir wollen der regionalen Literatur eine Heimstatt bieten, Autoren wie dem Baumsteftenlenz oder Max Matheis und jungen Literaten wie Michaela Karl ein Forum schaffen. Bildenden Künstlern bieten wir an, sich bei uns mit den Themen Natur und Tiere auseinanderzusetzen. Dazu arbeiten wir mit dem Nationalpark und mit tschechischen Partnern zusammen.
In Massing wird mit Besuchern auch Butter ausgerührt. Ist das nicht ein alter Hut?
Ortmeier: Nein, sondern ein bewährtes Erlebnisangebot, das stark nachgefragt wird. Den Blick darauf zu lenken, wo unser Essen herkommt, wird immer wichtiger. Wenn ich nur daran denke, dass wir teuersten Kaffee trinken, dann aber billige H-Milch dazugeben. Wie süße Frischmilch oder ein Schnittlauchbrot mit frisch ausgerührter Butter schmeckt, erleben viele Kinder zum ersten Mal im Museum. Museen sind nicht nur ein Ort der schönen Erinnerung, sie haben einen Bildungsauftrag.
Hat man das schon immer so gesehen?
Ortmeier: Nein, dieses Bewusstsein musste wachsen. Als das Freilichtmuseum Massing im Jahr 1969 gegründet wurde, war es ein Ort der Bauernherrlichkeit. Da ging es vor allem darum, Schönes und Eigentümliches aus der vergehenden bäuerlichen Welt des Rottals zu zeigen. Das Stockhaus des Schusteröderhofs ist nicht umsonst die Keimzelle des Museums. Die Stube ist in der Mitte des Hauses, eine Stubentür führt direkt in den Rossstall – ein Hinweis darauf, wie wichtig die Pferde für den Hof, aber auch für das Sozialprestige eines Rottaler Bauern waren.
Museen zeigen, wie Menschen früher gelebt haben. Um welchen Zeitraum geht es in den niederbayerischen Freilichtmuseen?
Ortmeier: In Massing werden Gebäude vom späten 18. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre gezeigt. In Finsterau bleiben wir ganz im 20. Jahrhundert. Finsterau war mit seinen jungen Darstellungszeiträumen ein Wegbereiter für die deutschen Freilichtmuseen. Viele haben sich an unserem Beispiel orientiert.
Sie haben gesagt, man brauche neue Ideen, um Besucher anzuziehen. Welche haben Sie für Massing und Finsterau?
Ortmeier: Wir wollen neue Besuchergruppen an die Museen heranführen. In Finsterau soll die Kulturpflege vom regionalen Brauchtum über die bildende Kunst bis zur zeitgenössischen Literatur ein Schwerpunkt sein. In Massing setzen wir auf neue Bildungs- und Erlebnisangebote, mit denen wir unter anderem demente Senioren ansprechen wollen. Wir planen die Einrichtung eines Kramerladens. Der Geruch von Bohnerwachs, eine alte Ladenklingel und die originale Einrichtung sollen Erinnerungen an die Kindheit aufleben lassen. Ebenfalls neu ist Geocaching, eine digitale Schatzsuche für Kinder.
Sie sind seit über 30 Jahren Leiter der niederbayerischen Freilichtmuseen. Die Museumslandschaft Niederbayerns kennen Sie wie kaum ein anderer. Was wäre Ihnen für die künftige Entwicklung wichtig?
Ortmeier: Was wir brauchen, ist ein Entwicklungsplan für die Museen in Niederbayern. Wir haben viele wertvolle Einrichtungen, um nur einige zu nennen: die Museen in Deggendorf und Dingolfing oder auch Künzing und Straubing. Ich möchte keinen Zentralismus, nur klare Zielformulierungen für jeden Standort und jede Museumsart. Wir sollten unsere Kräfte bündeln. Wir könnten unseren Auftrag, zu sammeln, zu bewahren und zu vermitteln, besser erfüllen. Ich denke an ein niederbayerisches Museum mit vielen Standorten. Aber das ist Zukunftsmusik.
***
Dr. Martin Ortmeier (58) ist seit 1984 Leiter der niederbayerischen Freilichtmuseen in Finsterau (Landkreis Freyung-Grafenau) und Massing (Landkreis Rottal-Inn). Träger ist ein kommunaler Zweckverband. Sie widmen sich der Aufgabe, das frühere Leben, Wirtschaften und Bauen des bäuerlichen Niederbayerns darzustellen.
>>> Webseite der niederbayerischen Freilichtmuseen: http://www.freilichtmuseum.de/
Quelle: Patrizia Burgmayer, in: SR-Tagblatt vom 12. Mai 2014, Seite 11
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