Der Haselbacher Totentanz

to00 totentanz4a titel2Entlang der seitlichen sechs Polygonseiten des Kapellenraums der Haselbacher Schutzengel- oder Totentanzkapelle sind Darstellungen eines der ältesten niederbayerischen Totentanzes angebracht. (11) Ursprünglich waren es 20 Szenen, die jeweils paarweise übereinander angeordnet wurden. Einige der Bildfelder und die darunter geschriebenen Texte waren aber bereits vor fast 100 Jahren, als sie 1912 durch Pfarrer Oberschmid unter der Tünche wieder entdeckt wurden, nicht mehr vorhanden. Dies hängt sicher mit der Technik der Malerei und ihrer Entstehungszeit zusammen.

to01 namensschildEngel und Totenkopf als Wetterfahne auf dem Dach der Kapelle stehen für den Doppelnamen: Schutzengel- oder Totentanzkapelle

Denn die Wandmalereien wurden erst einige Jahrzehnte nach der Fertigstellung der Schutzengelkapelle an­ge­bracht, sie dürften zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Da die Wände der Kapelle bereits seit Längerem verputzt waren, konnte die Malschicht für die Totentanzszenen nur noch in Secco-Technik aufgebracht werden, d. h. die Farbe wurde auf den trockenen Putz aufgetragen. Dadurch sind die Farben nicht so haltbar, als wenn sie direkt „al fresco“ aufgetragen, also in den noch frischen, nassen Putz gemalt worden wären.

Auch die völlig unterschiedliche Wahl der beiden Themenbereiche für die Bilderzyklen spricht für eine zeitlich auseinander liegende Entstehungszeit. Bei Errichtung der Kapelle unter Balthasar Regler waren es Schutzengelszenen im Renaissancestil, dazu als inhaltlicher Kontrast nun die Totentanzbilder, die zudem durch die Darstellung der Kleidung der handelnden Personen einer spätere Zeitstellung, dem Barock zuzuordnen sind. Als Beispiel seien der Chorrock und die Kopfbedeckung des Pfarrers genannt.

Allgemeine Gedanken zum Totentanz

„Grimmiger Vertilger aller Leute, schädlicher Verfolger al­ler Welt, schrecklicher Mörder aller Menschen, Ihr, Tod, seid verflucht!“ So beginnt um 1400 das fiktive Streitgespräch zwischen dem Ackermann aus Böhmen, dessen Frau Margaretha gerade erst verstorben ist, und dem Tod. Der Ackermann kann und will nicht verstehen, warum ihm seine geliebte Gattin genommen wurde und klagt den Tod deshalb aufs heftigste an. Im Laufe des Streitgesprächs entgegnet der Tod dann dem Ackermann: „Das Leben ist um des Sterbens willen geschaffen; wäre das Leben nicht, so wären Wir nicht und Unser Geschäft wäre nicht; damit wäre auch die Ordnung der Welt nicht.“

Mit diesen im Jahr 1400 - an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit - entstandenen Worten wird ein Wandel angesprochen, der sich in der Beurteilung und Wertung des Todes in dieser Zeit ergeben hat: Vom Begleiter in ei­ne andere, bessere Existenz, in die Erlösung im Jenseits, die Christus durch seinen Sieg über den Tod möglich gemacht hat, ist der Tod zum erbitterten Gegner geworden. Die ursprüngliche Angst des Menschen war die vor einem unvorbereiteten Tod, wie sie auch heute noch in der Allerheiligenlitanei formuliert wird: „Vor einem schnellen und un­vorhergesehenen Tode bewahre uns, o Herr.“ Denn dann war die Gefahr groß, dass die Seele des so Verstorbenen in die Gewalt des Teufels geriet.

Erst durch die im 14. Jahrhundert gehäuft auftretenden Hungersnöte, Seuchen und vor allem durch die Pest kam die grundsätzliche Angst vor dem Tod und seine Ablehnung, beziehungsweise die grundlegende Ungerechtigkeit des Sterbens zum Tragen, wie sie dann im „Ackermann aus Böhmen“ ihren künstlerischen Höhepunkt fand. Die Ohnmacht des Menschen gegenüber dem allmächtigen Tod führte letztendlich zur Entstehung des Totentanzes, der den Tod zum rein säkularen Moment des Daseins werden lässt.

Der literarische Beginn der Totentanztradition wird allgemein um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als Folge der verheerenden Pestepidemien, angenommen. Angeregt wurde der Totentanz wahrscheinlich durch die volkstümliche Vorstellung, die „armen, unerlösten Seelen“ müssten in der Nacht auf den Friedhöfen tanzen und versuchten dabei auch noch Lebende in ihren Reigen mit hinein zu ziehen. Der Totentanz entstand zunächst als rein deutsches Motiv, fand aber dann in illustrierten Bilderbögen auch in den Nachbarländern Verbreitung. (12)

Als Mahnung an die Überlebenden vor einem plötzlichen und unvorbereiteten Tod und als abwehrendes Mittel vor kommendem Übel entwickelte sich aus der älteren Tradition der Legende von den drei Lebenden und drei Toten der in lateinischen Versen abgefasste Totentanz. (13) Verbreitung fand er vor allem in der Bußpredigerliteratur der Dominikaner. Monumentale Darstellungen des Totentanzes sind uns seit dem 15. Jahrhundert bekannt.

Zu Beginn stellt sich der Totentanz, dessen Tradition bis ins 20. Jahrhundert hineinreicht, als Tanzreigen dar von eben Verstorbenen, die noch im Ornat und mit den Würdezeichen ihres Standes angetan sind, mit verwesenden Leichen in abwechselnder Reihenfolge. Die „Neuankömmlinge“, aufgereiht nach dem geistlichen und weltlichen Ständeprinzip müssen ebenso wie alle anderen Toten zu den Klängen des „Spielmanns Tod“ tanzen. Untrennbar war der Totentanz mit dem beigefügten Wort verbunden. In Handschriften und gedruckten Werken löste sich die zu­sammenhängende Reihe des Tanzes zu Einzelszenen auf, in denen jeweils ein „Noch-Lebender“ mit einem Toten dargestellt wurde. Diese Teilung in Einzelszenen findet sich auch in der Wandmalerei, wie hier beim Haselbacher Totentanz. Parallel dazu gibt es aber auch weiterhin den „Reigen“ im wörtlichen Sinn, wie er sich zum Beispiel in der St. Anna-Kapelle in Roding erhalten hat. Dieser Totentanz ist nach 1670 entstanden. (14)

Die Totentanzbilder

Als künstlerischer Höhepunkt der Totentanzdarstellung gilt die 41 Einzelbilder umfassende Holzschnittfolge Hans Holbeins d.J. (1497/98-29.11.1543), die in den Jahren 1522 bis 1526 entstand. Auf einem Format von 6,6 x 5 cm schuf Holbein großartige Szenen, zum Teil mit vielen Figuren. Die Zeichnungen waren so detailliert, dass die Holzschneider Jahre benötigten, um ihre Feinheit und Schönheit umzusetzen. Gleichzeitig bildet der Totentanz Holbeins aber auch den Abschluss des klassischen Totentanzgedankens, der fast zwei Jahrhunderte lang Generationen bewegte, und führt ihn in die Diesseitigkeit. Ganz deutlich sind reformatorischer Geist und reformatorische Kritik in den Bildern und auch in den Texten sichtbar.

Bereits 1557 erschien ein weiterer Totentanz in Buchform, dessen deutscher Text von Caspar Scheidt (um 1520-1565) verfasst wurde. (15) Die Bilder lehnen sich mehr als deutlich an die Folge Holbeins an, auch wenn sie beim „Kopieren“ grundsätzlich seitenverkehrt umgesetzt wurden. Einzige Ausnahme ist der Edelmann/Ritter. Das lässt sich ganz einfach erklären, die gedruckten Bilder wurden durchgezeichnet, dann auf den Holzstock übertragen und somit gespiegelt. Welcher Künstler diesen zweiten Bilderzyklus geschaffen hat, ist nicht überliefert.

Dem Haselbacher Totentanz liegen somit zwei Wurzeln zu Grunde, der Bildvorwurf, der im Ursprung von Hans Hol­bein stammt, dann für Scheidt verändert wurde und ganz eindeutig und wörtlich an den Wandbildern ablesbar, der von dem deutschen Dichter Caspar Scheidt geschaffene Text. Eine gravierende Änderung gab es allerdings auch hier, da der Platz in Haselbach nur für vier Zeilen Text reichte, während Scheidt’s Dichtung jeweils sechs Zeilen umfasst.

Im Folgenden sollen nun die einzelnen Szenen kurz vorgestellt werden, mit dem jeweils dazugehörenden Text. Für die Wandmalereien, bei denen sich der Text nicht erhalten hat, wird soweit möglich der von Caspar Scheidt zitiert. Die Nummerierung ist auf dem abgebildeten Grundriss eingetragen.

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1. Papst

Links unter einem Baldachin thront der Papst, dem sich der Tod von rechts nähert. Als Symbol der Vergänglichkeit hält er die Sanduhr hoch, um dem Papst zu zeigen, dass der Sand bereits durchgelaufen ist und fasst das linke Handgelenk des geistlichen Würdenträgers. Zwischen diesen beiden spielt sich das Geschehen ab, nicht in der Öffentlichkeit wie bei Holbein. Der Maler hat die Assistenzfiguren weggelassen und dafür eine Kirche, einen Zentralbau dargestellt, der mit seinen Zwiebeltürmen als Symbol des Papsttums und der katholischen Kirche schlechthin gilt. (16)

„Babst in Tempel hast Du Dich gesetzt / Ein stathalter Pettri Dich geschetzt. / Jezt hat ein endt Dein ampt und ehr / Die alten fueß küst man nit mehr.“ Einem der beiden Restauratoren von 1957 oder 1984-88 ist in der unteren Zeile beim Übermalen der Buchstaben ein Fehler unterlaufen, denn der Text muss lauten: „Die kalten fueß küst man nit mehr“, wie es bei Caspar Scheidt zu lesen ist. Durch das Reduzieren der Personen in Haselbach ist allerdings auch der Bezug von Text und Bild verloren gegangen, denn sowohl bei Holbein als auch bei Scheidt kniet vor dem Papst ein Mann und ist im Begriff, dessen Fuß zu küssen. Die textliche Pointe ging durch das Weglassen dieser Person verloren. (17)

                            to05 papst  to06 graf

Totentanzbilder: Der Papst (links) und der Graf

2. Der Herzog

Bei Caspar Scheidt ist diese Darstellung mit „Der Fürst“ bezeichnet, während sie bei Holbein als „Der Herzog“ betitelt ist. Wie Pfarrer Kutzer bereits ausgeführt hat, kann hier eigentlich nur der Herzog gemeint sein.18 Wieder ist die vielfigurige Szene Holbeins auf zwei Personen reduziert worden. Und wieder wurde das im Text beschriebene Geschehen weggelassen. In Haselbach ist der Text verloren gegangen, bei Scheidt lautet er: „Witwen und weisen hand geklopfft / Dein ohren hastu Fürst verstopfft. / Gefürt ein hohen Fürstenstand / Beschwert darmit dein leut und land. / Jetz hat ein end dein pracht unnd freud / Ich zieh dir an ein Tödlichs kleid.“ Beim Haselbacher Künstler ist der lange Rock Holbeins einem kurzen zeitgenössischen gewichen. Als markantes Erkennungsmerkmal dient der schwere Hermelinkragen.

3. Bischof

Während bei Holbein der Bischof als Hirte von menschlichen und tierischen „Schäflein“ umgeben ist und der Text Scheids Bezug zum Bildgeschehen nimmt, stellt der Haselbacher Künstler wieder nur den Bischof dar, der sich vom Tod führen lässt. Dieser trägt hoch erhoben das abgelaufene Stundenglas, das bei Holbein fehlt. Der Text lautet: „Dein Infel Mantel Kreuz und Stab / All diese Zierdt leg eylendts ab. / Dan es hindern nur soliche Ding / Zu dem Dantz mues man sein gering.“

Zum Vergleich der Text von Caspar Scheidt: „Ein Bischoff soll unsträfflich sein / Und weiden recht sein Schäffelein. / Das man in nit ein Mietling spür / Der seine arme Schaff verfür. / Nit such sein nutz schier in die woll / Sey grosser geiz und sünden vol.“ Der kritische Text Scheidts wurde hier durch einen weniger verfänglichen ersetzt.

4. Graf

Verzweifelt ringt bei Holbein der Graf die Hände vor der Brust und versucht mit einem weiten Schritt dem anstürmenden Tod zu entkommen. Der Tod ist beklei­det und bewaffnet und hält ein Schild zum Angriff hoch. Dagegen wirkt die Umsetzung in Haselbach weit weniger dramatisch. Auch die Helmzier des Grafen ist wesentlich kleiner dargestellt. Interessant ist in Hasel­bach die farbliche Gestaltung des Wappens, oben je­weils ein rotes und ein weißes Feld, darunter Blau mit goldenen Bändern (?). Der Text hat sich nicht erhalten, deshalb hier der originale Wortlaut von Caspar Scheidt: „Groß wapen hast und Graven gürt / Vergossen vill unschuldig blutt / Vill Schlösser du zerbrochen hast / Jetz für ich dich in ein Pallast / Da Würm und Schlangen gnüg in sein / Dein Schilt und Helm henck ich hinein.“(19)

5. Abt

Folgsam lässt sich in Haselbach ein schmaler Abt vom Tod führen, der ihm die Mitra abgenommen und selbst aufgesetzt hat und den Abtsstab über der Schulter trägt. An den Leib drückt der Abt mit der linken Hand ein großes Buch. Der Text lautet: „Ihr gnadn herr Abbt es ist an dem / Das ein ander eur ambt annehm / Und das gehalten ehren orth (Worth?) / Inszwischen Danzet mit mir forth.“

Die Worte von Caspar Scheidt lesen sich dagegen wesentlich drastischer: „Mich dünkt Herr Abt du bists allein / Der jetz regieren will ins gemein. / Und fressen doch allzeit das best / Dich wie ein feistes schwein gemest. / Nit offt bedacht deiner Seelen heyl / Das du den würmen würst zu theil.“ Analog zum Text ist der Abt bei Holbein sehr korpulent dargestellt. (20)

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Der Abt (links) und der Priester

6. Edelmann 

Tod und Edelmann stehen sich kämpfend in einer flachen Landschaft gegenüber, der Edelmann hat das Schwert gezogen und holt damit hinter seinem Kopf zum Zuschlagen aus. In Haselbach hat sich der Text nicht erhalten, deshalb hier die Worte von Caspar Scheidt: „Getödt hast unnd verwundt gar vill / Das schadt dir auff dein letztes Zill / Werst ein christlicher Ritter gewesen / Und hetst den Paulum recht gelesen / In deinem End herstu jetz Krafft / Und kemst zur ewigen Ritterschaft.“ Bei Holbein findet der Kampf vor einer abgedeckten Tragbahre statt, auf der das abgelaufene Stundenglas steht. Bei Scheidt ist das abgedruckte Bildmotiv das des Ritters (vgl. Nr. 8).

7. Pfarrer

Diese Szene mit dem Pfarrer auf einem Versehgang, dem der Tod mit Totenglocke und Licht vorangeht, ist am getreuesten dem Vorbild Holbeins entnommen. Allerdings spielt sich das Geschehen in Haselbach in der freien Natur und nicht in einer Stadt ab.

Der Pfarrer wähnt sich immer noch im Glauben, ein Gemeindemitglied auf dem letzten Gang zu begleiten und nicht seinen eigenen antreten zu müssen. Gefolgt wird er von einer weiteren männlichen Person. „Du bringst zwar die Speis des leben‚ / Muest dich doch dem Todt ergeben / gleichwol auf einer höflichkeit/ Zaig ich dir solches an bey Zeit.“ Auch diesmal weicht der Künstler vom kritischeren Text Caspar Scheidts ab: „So ich mich jetz am tag besich / So bin ich eben dem geleich, / Der heut noch lebt jetzt ist er todt / Ich meint es het mit mir kein not. / So bistu vor mein augen hie / Schröcklichers gast gesach ich nie.“ (21)

8. Ritter

Eine der am schönsten gezeichneten Szenen ist die Darstellung des Ritters, die nahe an Holbein angelegt ist. Detailliert ist die Rüstung wiedergegeben, der Federbusch ge­genüber Holbein im Volumen reduziert: „Zu fechten ist dir hie nit vil werth / Mich wundet nit dein scharvfes schwerth / Stekg ein stekh ein du Edler Ritter / Du glaubst nit wie der Todt is bitter.“ Der Maler hat als Bildmotiv den Ritter Holbeins übernommen, wäh­rend bei Scheidt das Bild des Edelmanns (vgl.   Nr. 6) abgedruckt ist.(22)

                           to09 ritter  to10 geiziger

Der Ritter (links) und der Geizige (Reiche)

9. Richter 

Der Betrachter wird hier Zeuge einer Bestechungsszene, ein Mann öffnet seine Geldtasche und greift hinein um dem Richter, der ihm die ausgestreckte Hand entgegenhält, ein Geldgeschenk zu geben. Der Text ist nur in Bruchstücken erhalten und lautet: „Beijn Richtern heists … / Daß man ein gutten … / Jetzt ists an mir, den … / Wan ich den Leben…“. Auch hier weicht der Text von dem Scheidts ab, der ziemlich genau das Bildgeschehen beschrieben hat: „Ir Richter halten ubel haus / Darumb will ich euch reuten aus. / Mit welcher maß ir habt gemessen / Wirt ewer dort auch nit vergessen. / Die geschenk und gaben hand genommen / Werden zu schwerer rechnung komen.“

10. Kriegsmann (Abb. S. 69)

Hier hat sich nur eine Hälfte der Bildfläche erhalten, sie zeigt den Kriegsmann mit erhobenem Schwert in freier Landschaft. Auch der Text ist vergangen, deshalb hier die Worte Scheidts: „Harnisch und Pantzer war dein freidt / In Schlachten geschag dir auch kein leidt / Fluchen und schweren war dein Schertz / Den Pfeil schieß ich dir in dein Hertz / Der macht es mit deim kriegen aus / So kehrstu hin in Nobis Haus.“

11. Reicher Mann

Eine der am reichsten ausgestalteten Szenen des Haselbacher Totentanzes ist die des „Geizigen“. Mit wehklagend erhobenen Händen sitzt der Reiche vor dem mit einem weißen Tuch bedeckten Tisch und muss machtlos zusehen, wie der Tod sich an einem Haufen Münzen in der Mitte des Tisches vergreift. Vor der Brust hält der Tod eine Schüssel, die bereits mit Gold gefüllt ist. Truhen und Beutel mit weiteren Schätzen sind um den Geizigen gruppiert, aber es hilft alles nichts: „Hör geitziger Dein end ist komen / Heint wirt dein sel von dir gnomen / und morgen würst geweiht Erden / Zun Würmen tieff begraben werden.“ (23) Die Form der Truhen ist gegenüber Holbein durch „modernere“ Formen ersetzt worden.

12. vergangen

13. Arzt 

Auch wenn bei dieser Totentanzszene fast nichts vom Bildfeld erhalten ist, kann doch aus den wenigen lesbaren Buchstaben die Darstellung eindeutig zugeordnet werden. Der vollständige Text bei Scheidt lautet (die in Haselbach vorhandenen Buchstaben sind fett gedruckt): „All krankheit woltu legen ab / Nun schütz dich selbs vor dein Grab / Such ab du sinst ein solches Kraut / Das dir unsterblich mach dein haut / Rüst dich dein Kunst gilt hie nit vill / Eim jeden ist gesteckt ein zill.“ Im Bild kann man links den Kranken erkennen, der sich dem Arzt nähert, der rechts an einem Tisch sitzt. Ergänzt werden müsste die Figur des Todes, der das Uringlas des Kranken dem Arzt übergibt.

14. vergangen

15. Alter Mann

Die wohl friedlichste und anrührendste Darstellung des Ha­selbacher Totentanzes zeigt den alten Mann, der bereits auf den Tod gewartet hat und sich nun furchtlos von diesem in sein Grab geleiten lässt: „Mein Zeit hab ich erlebt mit ehren / Ich bin nun schwach wil mich nit weren / Ein fueß hab ich schon in dem grab / O Todt stoss mich vollend hinab.“ Hier kommt der Tod wirklich als Erlöser und spielt dem alten Mann auf dem umgehängten Hackbrett ein Lied. (24)

                                  to11 alter mann  to12 unbekannt   

Der alte Mann (links)und unbekannte Darstellung

16. Edelfrau/Herzogin/Neuvermählte 

Auf dieser Szene ist rechts ein sich einander zuneigendes Liebespaar zu erkennen, links daneben steht der laut trommelnde Tod. Eindeutig kann hier als Vorlage „Die Edelfrau“ bzw. „Das Neuvermählte Paar“ bei Hans Holbein, bzw. „Die Herzogin“ bei Caspar Scheidt zugeordnet werden. Caspar Scheidt hat folgenden Text verfasst: „Dieweil du warst eins Hertzogsweib / Pflantzstu in Hoffart auff dein Leib. / Fleischlich begird hat dich verfürt / Kein andacht hast auff Gott gespürt. / Dein schön gestalt nim ich von dir / Zum Todtenreyen must mit mir.“

17. (Schalcks-)Narr

Der dudelsackspielende Tod greift den „Schalksnarren“ am Gewand, um ihn mit sich fort zu ziehen. Gleichzeitig zieht er ihm dabei den Stoff in die Höhe, sodass darunter eine knielange Hose zu sehen ist. Im Original Holbeins trägt der Narr keine Hose, somit wird seine „Männlichkeit“ entblößt. Das Spielzeug des Narren, eine luftgefüllte Blase, gilt als Phallussymbol. Im Hochdeutschen wurde der Begriff „Schalksnarr“ für einen Menschen gebraucht, der sich aus List als Narr zeigt, ohne geistig zurückgeblieben zu sein. Der Text lautet: „Der Narr geht fort in seinem gangk / gleich wie ein Ochs zu der Fleischbanckh / Wie wiltu aber dort ein mall bestehn / Wen du vors streng gericht muest gehn.“

                                 to16 narr  to13 krmer

Der Narr (links) und der Krämer

18. Szene nicht zuzuordnen

Obwohl bei dieser Darstellung noch sehr viel erkennbar ist, gelingt es nicht, das Vorbild zu finden. Links von der Mit­te sitzt eine Person in einem braunroten Kleid, die Hand wehklagend über die Augen haltend. Rechts daneben steht frontal der Tod. Die Szene spielt sich in oder vor einer Architektur ab. Der einzige Holzschnitt bei Holbein, bei dem sich wehklagend an die Stirn gegriffen wird, ist „Das Kind“, in dem der Tod der Mutter ihr kleines Kind wegnimmt. Diese greift sich an die Stirn.

19. Der Krämer

In einer freien Landschaft begegnet der Krämer dem Tod. Während das Skelett ihm seine Trage abnehmen will, zeigt der Händler nach vorne, dort wo er noch hingehen will. Der Tod spricht: „Du armer Kramer trägst so schwer / Und hast allzeit dein seckel lehr / Ich will Dich führen mit mir dar / Da du magst kauffen besser war.“

to14 unbekannt20. Szene nicht zuzuordnen.

Auch die letzte der zwanzig Totentanzszenen kann nicht eindeutig zugeordnet werden. Erkennbar ist rechts eine Person in einem Raum, an einem Tisch (?) mit über dem Kopf verschränkten Armen (?).

 

Die zehn Szenen der Nordwand sind dem geistlichen und weltlichen Stand zuzuordnen, während die Bilder der Südwand der bürgerlichen Welt angehören. Dem geistlichen Wür­denträger ist jeweils sein weltliches Gegenstück zuge­ordnet. Bei den Szenen an der Südwand könnte eine andere Gliederung zugrunde liegen. Möglicherweise waren in den unteren Bildfeldern Frauen dargestellt. Zumindest eine (Herzogin, Nr. 16) ließ sich eindeutig zuordnen.

to15 todIm Haselbacher Totentanz ist der Tod als substanzi­el­ler Knochenmann dargestellt, also als reines Skelett, das agiert. In Holbeins Bildern dagegen tritt der Tod als Transi-Körper auf, ist demnach im Prozess der Verwesung wiedergegeben. Fleischfetzen hängen herab, teilweise sind noch Haare auf dem Schädel. Auch die Rolle, die der Tod spielt ist eine andere, bei Holbein/Scheidt verhöhnt er, führt er die dem Sterben Geweihten vor und prangert sie an. Dies hat der Haselbacher Künstler in seinen Bildern etwas abgemildert.

Schließen möchte ich mit den Worten Caspar Scheidts: „Wiltu nu sein ein rechter Christ / Betracht das du auch sterblich bist. / Und auch einmal must auff die ban / Der niemant sich erweren kann. / Und mach dich gschickt bey gsundem leib / Das wenn der Todt das stündlein treib. / Das er dir sey ein werder gast / Dein Seel entbind vom schweren Last / Des Körpers und mach vogel frey / Das sie bey Gott dort ewig sey. / Amen.“ (25)

 

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Schutzengelkapelle - vom Turm der Haselbacher Kirche

 

 

Aus: Mitterfelser Magazin 17/2011 S. 59 ff

Fotos: Elisabeth Vogl

 

Quellen:

1 Vgl. dazu den ausführlichen Beitrag von Alex Kutzer: Der Totentanz in der Haselbacher Erzengel-Kapelle, in: Mitterfelser Magazin Nr. 8, 2002, S. 18-25. Das unschätzbare Verdienst Pfarrer Kutzers ist die Entdeckung der Textvorlagen für den Haselbacher Totentanz, die 1983 noch nicht bekannt waren. Vgl. dazu: Franz Wartner: Die Friedhofskapelle zu Haselbach, in: Bilder erinnern… Alte Geschichten – Erlebtes und Überliefertes aus Mitterfels und Haselbach, Mitterfels 1983, S. 119-122; Franz Wartner: Der Haselbacher Totentanz, in: Bilder erinnern… Alte Geschichten – Erlebtes und Überliefertes aus Mitterfels und Haselbach, Mitterfels 1983, S.123-126. Vgl. auch: Kath. Friedhofskapelle Hl. Kreuz, in: Bernh. Hermann Röttger: Die Kunstdenkmäler von Niederbayern, Bd. XX Bezirksamt Bogen, München 1929, unver. Nachdruck München, Wien 1982, S. 137-140; hier wird die Kapelle mit Patrozinum „Hl. Kreuz“ genannt. Die Kapelle ist immer geöffnet und kann besichtigt werden.

2 Vgl. Lexikon der christlichen Ikonographie, Erster Band, Allgemeine Ikonographie A - Ezechiel, Rom, Freiburg, Basel, Wien (Sonderausgabe) 1994, S. 40f.

3 Kunstdenkmäler (wie Anm. 1), S. 136.

4 Vgl. Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 20.

5 In den Kunstdenkmälern (wie Anm. 1) von 1929 wird der Grabstein als noch am südlichen Chorbogen der Pfarrkirche befindlich beschrieben.

6 Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 25.

7 Wartner 1983 (wie Anm. 1), S. 125.

8 Wartner 1983 (wie Anm. 1), S. 119. Die Fotografie wurde von Sepp Brembeck gemacht.

9 Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 18.

10 Texte nach: Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Freiburg, Basel, Wien1980.

11 Wartner 1983 (wie Anm. 1), S. 125.

12 Vgl. dazu allgemein: Hellmut Rosenfeld: Der mittelalterliche Totentanz. Entstehung – Entwicklung – Bedeutung, Köln, Wien ³1954.

13 Vgl. hierzu: Karl Künstle: Die Legende der drei Lebenden und der drei Toten und der Totentanz, Freiburg i.Br. 1908.

14 Vgl. Elisabeth Vogl: „Quod fuimus, estis, quod sumus, eritis!“ - Zur Darstellung der drei Lebenden und der drei Toten in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Chammünster und zum Totentanz in der St. Anna-Kapelle in Roding, in: Oberpfalz und Böhmen - Begegnungen über Grenzen, Festschrift zum 32. Bayerischen Nordgautag in Furth im Wald, Kallmünz 1998, S. 205-213.

15 Caspar Scheidt: Der Todtendantz durch alle Stende unnd Geschlecht der Menschen darinnen ir herkommen und ende nichtigkeit und sterblichkeit als eim Spiegel zu beschawen fürgebildet unnd mitt schönen Figuren gezieret, [Köln] 1560.

16 Bei der Kirche handelt es sich um eine Phantasiedarstellung.

17 Alle drei Abbildungen nebeneinander bei Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 21.

18 Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 20.

19 Alle drei Abbildungen bei Kutzer 2002 (wie Anm. 1), S. 23.

20 Ebd., S. 22, alle drei Abbildungen.

21 Ebd.

22 Ebd., S. 23.

23 Ebd. S. 24.

24 Ebd.

25 Scheidt (wie Anm. 15), vorletzte Textseite.

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