Nationalpark Bayerischer Wald
„Der Frühling beginnt drei bis vier Wochen eher“
Seit 1970 misst der Nationalpark in Waldhäuser sämtliche Klimadaten – April und Mai 2018 deutlich zu warm
Foto: Ludwig Höcker misst in der Klimastation Waldhäuser die Niederschlagsmenge eines Tages. Daneben werden dort seit 1970 auch Temperaturen, Windgeschwindigkeiten oder Schneedichten erfasst. (Foto: Gregor Wolf/Nationalpark Bayerischer Wald)
Waldhäuser. Ein bisschen Tau liegt noch auf den Wiesen im Bergdorf Waldhäuser. Doch die morgendlichen Temperaturen lassen schon vermuten, dass es ein besonders warmer Tag wird im Nationalpark Bayerischer Wald. Das ist jedoch keine Ausnahme mehr, wie die Auswertungen der nationalparkeigenen Klimastation zeigen. „Der Frühling beginnt drei bis vier Wochen eher“, fasst Forscher Claus Bässler den Trend der vergangenen Jahre zusammen. Das belegen auch die aktuellen Zahlen. Im April 2018 lag die Durchschnittstemperatur bei 11,4 Grad, im Mai 2018 bei 12,8 Grad. Die Mittelwerte der Jahre 1972 bis 2001 weisen für April nur 4,4 Grad aus, im Mai zumindest 10,0 Grad. „Wir lagen heuer also stolze sieben beziehungsweise knappe drei Grad über einst normalen Werten.“
Seit Gründung des Nationalparks 1970 werden Klimadaten erfasst – neben den Temperaturen zum Beispiel Niederschlagsmengen, Windgeschwindigkeiten, Schneehöhen sowie phänologische Beobachtungen wie Blattaustrieb oder Beginn der Laubverfärbung. Gewartet wird die Anlage auf 940 Metern über dem Meeresspiegel von einem vierköpfigen Mess-Team, zu dem auch Ludwig Höcker gehört. Viele Parameter werden mittlerweile schon automatisiert generiert, doch es gibt auch noch Dinge, die manuell abgelesen werden. „Wir schauen etwa täglich, wie viel es geregnet hat“, so Höcker. Im Winter müssen Schneehöhe und –dichte bestimmt werden.
Die gesammelten Werte landen schließlich bei Bässler und seinen Kollegen. „Dank dieser langfristigen Messreihen können wir ganz genau sagen, wie sich das Klima in unserem Mittelgebirge verändert und welche Auswirkungen dies für die Waldstruktur sowie die Biodiversität mit sich bringt“, erklärt der Wissenschaftler. Besucher des Parks konnten in den vergangenen Jahren beispielsweise beobachten, dass Buchen mittlerweile viel eher austreiben. „Dieses Jahr war es dann sogar so warm, dass die Laubbäume im gesamten Park nahezu gleichzeitig in saftiges Grün getaucht waren, egal ob in den Tälern oder in den Höhenlagen“, berichtet Bässler. „Der Regelfall war bisher eher, dass dies über zwei, drei Wochen zeitversetzt von unten nach oben abläuft.“
Die Erwärmung birgt jedoch auch einige Gefahren. „Gerade hochmontane Arten wie die Bergglasschnecke, die Ringdrossel oder der Siebenstern geraten zunehmend unter Druck. Wird es noch wärmer, haben wir wohl nicht mehr genügend Lebensraum für diese eher kälteliebenden Tiere und Pflanzen.“ Betroffen sind aber auch Fichten. Schließlich gehen die erhöhten Temperaturen mit häufiger auftretenden Phasen der Trockenheit einher, was bei den Nadelbäumen erhöhten Stress auslöst und sie auch anfälliger für Borkenkäferbefall macht. Im April gab es etwa in Waldhäuser nur sieben Regentage, der Mittelwert liegt bei 16,4. Deswegen muss im Bayerwald immer häufiger von Dürrephasen gesprochen werden – ein Problem, welches die Bodenbeschaffenheit noch verstärkt. „Selbst wenn es bei uns mehr regnet als zum Beispiel in Brandenburg, sind unsere Böden so durchlässig, dass das Wasser eben auch schnell wieder weg ist“, sagt Klimaforscher Bässler.
Die veränderten Bedingungen sorgen letztlich dafür, dass sich sämtliche Artengemeinschaften in Deutschlands ältestem Nationalpark ständig reorganisieren müssen. Eine Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Denn: „Aktuell nehmen wir das Klima als extrem wahr, in Zukunft werden solche Werte wie eben nun im April oder Mai aber die Regel werden“, betont Bässler.
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