1808: Gemeindebildung in Bayern - 205 Jahre Gemeinde Mitterfels

ge01 gruss aus mitterfels 1904

Dorfplatz Mitterfels vor 105 Jahren (Postkarte: Sammlung Christl Jakob)

Aus der "Gmoa" wird die Gemeinde

Das Wort Gemein, (Gmain, „Gmoa") kommt aus dem Mittelhochdeutschen (mhd.) und bedeutet Umkreis, Um­ge­bung. Seit dem Mittelalter wird damit auch die Gesamtheit der Dorfbewoh­ner bezeichnet, die sich die Nutzung des Gemeindeeigentums, der Allmen­de (Wald und Weideland) teilen. Durch das System der Dreifelder­wirt­schaft wurde auch die Flurordnung bzw. der Flurzwang bestimmt, z. B. Aus­saat und Erntebeginn. Mitglied der Gmain war, wer über Hausbesitz (Hof­statt) verfügte. Entscheidungs­trä­ger war die Versammlung der Gmain-Mitglieder, den Vorsitz führte der Dorf­hauptmann. Mehrere Haupt­mann­schaften bildeten eine Obmannschaft. Der Obmann wurde zunächst von der Obrigkeit eingesetzt, später (im 17./18. Jh.) auch von der Dorfgemein­schaft gewählt. Zunächst stand die Or­ga­nisation der Landesverteidigung ge­gen äußere Feinde im Vordergrund, spä­ter auch die Steuererhebung und die Einteilung der Scharwerksar­bei­ten.

Die Obmänner hatten Aufsichts- und Anzeigepflicht gegenüber den (Ge­richts-) Schergen, übten aber selbst kei­ne Polizeigewalt aus. Den Obmann unterstützten vier Männer, die „Vie­rer". Zusammen mit dem Obmann bildeten sie die „Fünfervollmacht" oder, wie bei Josef Schlicht nachzulesen ist, respektlos die „Bauernfünfer" gehei­ßen. (1) Bei ihren Zusammenkünften im „Taiding" (2) bestimmten sie nicht nur die Dorfordnung („Weistümer"), sondern griffen auch ins Privatleben ein, z. B. bei der Heiratserlaubnis. Um 1800 bestanden im Landgericht Mit­ter­fels rd. 80 Obmannschaften mit je 15 bis 20 Höfen.

Erst seit der Entstehung des modernen bayerischen Staates (1799) bekamen die Gemeinden administrative Be­deutung, d. h. Verwaltungsaufgaben. Bei der Einteilung des Königreiches Bayern (seit 1806) in nach Flüssen be­nannte Kreise kam das Landgericht Mit­terfels zunächst zum Regenkreis und ab 1810 zum Unterdonaukreis mit Sitz in Passau. Erst 1837 wurde der Kreis Niederbayern gebildet, heute Be­zirk Niederbayern. Nach der Ein­teilung des Landes in Kreise wurden die neuen Gemeinden gebildet. Da die Neuordnung vor allem fiskalische Zwe­cke verfolgte, sollten die neuen Gemeinden zugleich Steuerdistrikte sein. Bereits 1803 waren durch die Re­formen Montgelas aus den bisherigen Kastenämtern die Rentämter als Fi­nanz­behörden gebildet worden. Der Steuerdistrikt Mitterfels (3 D, 22 E und das Schloss Mitterfels) war einer der 38 Steuerdistrikte im Landgericht und Rentamt Mitterfels. (3)

Konstitution von 1808 und Gemeindeedikt von 1818

Die Grundlage dieser Neuordnung war die Konstitution vom 1. Mai 1808 und die ergänzenden Edikte vom 28. Juli und 24. September 1808. Die Dorf­gemeinden wählten ihren Vorsteher, den der Landrichter bestätigen muss­te. Die Versammlungen wurden durch die Polizeibehörde einberufen und alle Beschlüsse bedurften der amtlichen Genehmigung. „Die Gemeindeorgane wurden bloßes Werkzeug der Re­gie­rung. Die Staatsaufsicht war so heillos überspannt, und wie sich bald zeigte, waren die staatlichen Behörden völlig überfordert." (4) Durch den Entzug der Verwaltung des Vermögens durch die Staatsaufsicht und die in Ansätzen vor­handene Selbstverwaltung schwand auch das Verantwortungsgefühl des Bür­gers für das Gemeinwohl. Erst zwi­schen 1812 und 1818 erfolgte die allmähliche Wiederherstellung der Gemeindefreiheit. Den Bürgern wur­de das Recht der freien Wahl der Ge­meindevertretung und die Verwaltung des örtlichen Vermögens wieder zu­rück­gegeben. (5)

Bei der Bildung der Stadt- und Markt­gemeinden gab es keine größeren Schwierigkeiten, wohl aber bei den Dorfgemeinden, den sog. Ruralge­mein­den. Sie waren den Aufgaben, die sie erfüllen sollten, nicht gewachsen. Neben der niederen Polizeigewalt soll­ten sie auch noch für das Schul­we­sen und die Armenfürsorge (wie bisher) zuständig sein; außerdem sollten die Schulbezirke mit den Pfarrbe­zir­ken identisch sein. Hinzu kam noch, dass die Patrimonialgerichte der bisherigen Hofmarken erhalten blieben, während die Klosterhofmarken in die neuen Gemeinden eingegliedert wurden. Im Landgericht Mitterfels bestan­den noch 17 Patrimonialgerichte, die ebenfalls eigene Gemeinden bilden sollten. So konnte das Gemeindeedikt von 1808 nicht wie vorgesehen durchgeführt werden, und es wurde am 17. Mai 1818 ein zweites Gemeindeedikt erlassen. Darin wurde angeordnet, dass innerhalb eines Monats die neuen Ruralgemeinden mindestens 20 Fami­lien umfassen müssten. (6)

Die Situation im Landgericht Mitterfels

Landrichter Markus Meier vom Ge­richt Mitterfels konnte dieser Anord­nung innerhalb dieser kurzen Zeit nicht nachkommen. Er war erst ein halbes Jahr im Amt und besaß nicht die erforderlichen Ortskenntnisse; au­ßerdem hatte ihm sein Vorgänger, Landrichter Märkl, keine passenden Vorschläge für die neue Gemeinde­ein­teilung übergeben. Wie sollte er da in dem großen Bezirk von 14 Quadrat­meilen (ca. 514 qkm), „aus mehreren Hundert Ortschaften, größtenteils Ein­öden und Weilern, einheitliche Ge­mein­den bilden." (6) Hinzu kam noch, dass die Untertanen der Patrimonial­ge­richte im ganzen Landgerichts­be­zirk zerstreut lagen. Außerdem war ein großer Teil der Bevölkerung erst nach Auflösung der Klöster Ober­al­teich und Windberg 1803 Landge­richts­unter­tanen geworden. Erst Ende des Jahres 1821 kam die Gemeinde­bildung im Landgericht Mitterfels nach vielen Vorlagen und Änderungen endgültig zum Abschluss. (7)

 

Die Gemeinde Mitterfels

ge02 fassionSteuerdistrikte und Grundsteuerkataster

Durch die Kriegswirren der Napo­le­on­zeit mit ihren Kontributionen und Zwangsanleihen für die Ausgaben der Armee betrugen die Staatsschulden Bayerns ein Vielfaches der jeweiligen Bruttoeinnahmen. Deshalb spielte die Finanzfrage die wichtigste Rolle bei der Neugliederung Bayerns. In erster Linie bedurfte es der Neuregelung des Steuerwesens. „Um eine gerechte Be­steuerung zu erreichen, führte man im Agrarstaat Bayern die Grundsteuer ein und schuf nach französischem Vorbild die Anlage eines Steuerkatasters, ein Unternehmen, das sich nahezu ein Jahr­zehnt hinzog, aber dann zuverlässige Werte lieferte und eine gerechte Besteuerung ermöglichte." (8)

Abb. links: Die „Fassion" von 1808 (Vermögensaufstellung des Steuerdistrikts) - eine wertvolle Fundgrube (Chronik Markt Mitterfels, S. 152)

Durch die „Fassion" von 1808 ist uns die Vermögensaufstellung des Steu­erdistrikts Mitterfels bekannt. Sie enthält die Zahl der Häuser, die Bau­weise, Namen und Berufe der Besit­zer, die Einstufung der Anwesen, die Höhe der Besteuerung und die Auf­teilung des Zehent. Die „Fassion" enthält für das Dorf Mitterfels 32 Haus­nummern und wurde in der „CHRONIK MARKT MITTERFELS" von Franz Wartner hervorragend und übersichtlich aufgelistet. (9) Auf der Grund­lage dieser „Fassion" konnte die Bil­dung der Steuerdistrikte am 2. De­zem­ber 1811 abgeschlossen werden.

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Mitterfels und Scheibelsgrub um 1840 - Die eingedruckten Hausnummern beziehen sich auf die „Fassion" von 1808. Mitterfelser Wohngebäude ohne Nummer sind erst nach 1808 entstanden. (Chronik Markt Mitterfels, S. 154)

 

Ortsverzeichnis der Gemeinde Mitterfels

Im Historischen Atlas Bayern, Mit­terfels, (S. 595 f) finden wir die Anga­ben für die Gemeinde Mitterfels. Auf der Grundlage des Ortsverzeichnisses von 1964 sind die Orte des Steuer­dis­trikts von 1811 aufgeführt, sowie die Zugehörigkeit zur Pfarrei 1821 und zur jeweiligen Gemeinde 1821. Im Jah­re 1811 gehören die Orte Auhof, Engl­berg und Hörmannsberg noch zum Steuerdistrikt Ascha, Einfürst zum Steuerdistrikt Haselbach, Hinter­buchberg und Vorderbuchberg zum Steuerdistrikt Gaishausen. Während die o.a. Orte 1821 bereits der Ge­mein­de Mitterfels angehören, sind Schei­bels­grub und Schoppühl noch Unter­tanen des Patrimonialgerichts Schei­bels­grub; bis 1875 war Scheibelsgrub eine selbständige Gemeinde.

Zugehörigkeit zur Pfarrei

Wesentlich mehr Umgliederungen gab es in der Zugehörigkeit zur Pfar­­rei. Hier der Stand von 1921:
Parkstetten: Auhof, Einfürst, Eisen­hart, Englberg, Großkohlham, Höf­ling, Hörmannsberg, Miething, Wollers­dorf.
Steinach: Aign, Dunk, Oberhartberg, Unterhartberg.
Oberalteich: Hinterbuchberg, Vor­der­­buchberg.
Haselbach: Höllmühl, Kleinkohlham, Reinbach, Spornhüttling.
Münster: Fürstenberg (heute: Pürs­ten­berg).

Das ist natürlich daraus zu erklären, dass die Pfarrei Mitterfels erst 1805 aus der ehemaligen Pfarrei Kreuzkir­chen gebildet wurde.

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Aus: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern, Landshut 1960 - 86. Band (10)

 

Gebietsreformen und Entwicklung der Gemeinde

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Die durch die Verordnungen von 1808 bzw. 1818 und durch die Land­vermessung zur Schaffung des Grund­steuerkatasters geschaffenen Gemein­den wurden in den vergangenen 200 Jahren oft umgebildet. Viele Gemein­den konnten durch ihre geringe Größe ihre vom Staat zugewiesenen Aufga­ben nicht erfüllen. Deshalb waren Ge­bietsreformen erforderlich. Die letzte Gemeindegebietsreform fand 1972 statt. Im Gebiet des heutigen Land­kreises Straubing-Bogen gab es am 01.01.1970 noch 121 Gemeinden, heu­te sind es nur mehr 37. Davon sind 22 zu sieben Verwaltungsgemein­schaf­ten (VG) zusammengeschlossen, um die umfangreiche Verwaltungsarbeit zu bewältigen.

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Die gleich eingefärbten Gemeinden sind zu Verwaltungsgemeinschaften zu­sammengeschlossen.

Die VG Mitterfels umfasst die Ge­meinden Ascha, Falkenfels, Hasel­bach und Mitterfels. Die Gemeinde Mit­terfels ist eine der wenigen Ge­meinden im Landkreis, deren Grenzen sich seit der Landvermessung vor 200 Jahren nur sehr geringfügig verändert haben. Lediglich im Bereich Utten­dorf kam ein kleiner Teil der ehemaligen Gemeinde Gaishausen zu Mitter­fels.

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Auf Grund der geschichtlichen und zentralörtlichen Bedeutung wurde Mit­terfels am 5. Juli 1968 vom Bay­erischen Staatsministerium des Innern die Bezeichnung Markt verliehen. Die gute Infrastruktur des Ortes machte sich in der wachsenden Bedeutung als Wohngemeinde und in der steigenden Einwohnerzahl bemerkbar: Hatte die Marktgemeinde am 1.1.1971 noch 1659 Einwohner, waren es am 1.1. 2007 bereits 2481. Damit gehört Mit­terfels zu den am stärksten wachsenden Gemeinden des Landkreises Strau­­bing-Bogen.

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Rückblickend kann man feststellen, dass die Gemeindebildung vor 200 Jahren zwar vor allem aus fiskalischen Gründen erfolgte, denn der Staat be­nötigte zur Erfüllung seiner Aufgaben die Steuern seiner Bürger. Dazu wurde aber nach französischem Vorbild aus Gründen der Steuergerechtigkeit ein einheitlicher Steuerkataster geschaffen. Das war ein erheblicher Fort­schritt gegenüber der Zeit vor 1800. Vor dieser Zeit mussten Adel und Kir­che keine Steuern an den Staat ab­füh­ren, sondern durften selbst Abgaben in verschiedenster Form erheben. Diese waren oft alles andere als angemessen und gerecht. Das neue Steuerrecht war die Grundlage für das Enstehen des modernen bayerischen Staates.

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Quelle: Alois Bernkopf, in: Mitterfelser Magazin 14/2008, Seite 6 f

Literatur und Quellen:

(1) Rupert Sigl, Der rechte treue Baiern­spiegel, Rosenheim 1982
(2) Reinhard Riepl, Wörterbuch zur Fa­milien- und Heimatforschung in Bay­ern und Österreich, Waldkraiburg 2004, S. 378
(3) Historischer Atlas Bayern (HAB), MITTERFELS, München 2002, S. 565
(4) Andreas Kraus, Geschichte Bayerns, München 1983, S.421
(5) Unser Landkreis Bogen, 1963, S.10
(6) Sebastian Hiereth, Zur Geschichte des Landkreises Bogen, in: Verhand­lungen des Historischen Vereins Nie­der­bayern, Landshut 1960, S.41
(7) Historischer Atlas Bayern (HAB), MITTERFELS, München 2002, S. 572, Abb.
(8) Andreas Kraus, Geschichte Bayerns, München 1983, S.418
(9) Max Lachner/Franz Wartner, 800 Jahre Geschichte um Mitterfels, Mit­terfels 1988, S. 150 ff
(10) Sebastian Hiereth, Zur Geschichte des Landkreises Bogen, in: Verhand­lun­gen des Historischen Vereins Nie­derbayern, Landshut 1960, S. 42/43
(11) Bürgerinformation Landkreis Strau­bing-Bogen, 2005

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