1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 30 Neuerungen im 18. Jahrhundert
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Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
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30 Neuerungen im 18. Jahrhundert
Zweimal hatte sich gezeigt, dass aus ehrgeizigen Erbschaftskriegen des Fürsten dem Land nichts geblieben war als Not und Leid. Trotz dieser Lage erlaubten sich zwei Kurfürsten (Max H. Emanuel bis 1726, Karl Albert bis 1745) eine geradezu verschwenderische Hofhaltung.
1745 kam mit dem jungen Max III. Joseph endlich wieder einer, der Maß hielt bei sich selbst und seinem Hofe, und der mehr wieder an sein Volk dachte. Der Bauernstand spürte das besonders. Jetzt sollten auch Brache und Ödland umgebrochen werden, weil man schon etwas mehr vom Düngen verstand. Weideschäden waren zu vermeiden, das Vieh durfte nur unter Hirtenaufsicht hinaus und musste nachts in den Stall. Die Viehzucht wurde gefördert, auch die Bienenhaltung, der Kartoffelanbau und, wo es passte, der Hopfenbau. Es gab finanzielle Hilfen und auch eine landwirtschaftliche Akademie (in Altötting, dann Burghausen). Dort erfuhr man Neues über Fruchtwechsel, Düngen, Waldpflege, Arbeitsgerät.
Die Lage der Bauern wurde so erträglich wie möglich gemacht. Sie blieben zwar noch leibeigen, erhielten ihr Land aber unter der besten Pachtform, dem "Erbrecht". Damit verschwanden nun auch dem Gesetze nach, zuerst bei den Urbarbauern (Grunduntertanen des Kurfürsten), im Laufe der nächsten Jahrzehnte aber auch bei den Hofmarksuntertanen, die Pachtformen des Mittelalters, die nur für die Lebenszeit des Pächters galten oder gar von der Willkür des Grundherrn abhingen.
Vom 3. Mai 1779 an wurden für die Urbarbauern auch die Laudemien (Veränderungsgebühren beim Pächterwechsel) auf höchstens 7 ½ % des Gutswertes festgesetzt und als sogenannte "Mayerschaftsfristen" auf zwanzig Jahre verteilt. Bisher waren die Laudemien, vor allem in den Hofmarken, 10 bis 12 ½ %, die Untertanen von Oberaltaich zahlten bei Veränderungen 2 ½ % Abfahrt und 5 % Auffahrt, bei Todesfällen 5 + 5 %. Das alles war eine große Hilfe für viele Bauern, wenn sie die Neuerung der Mayerschaftsfrist auch nur zögernd und misstrauisch annahmen.
Das Dorf war durch die ganzen Jahrhunderte hindurch eine Wirtschaftsgemeinde; nun sollte es auch allmählich ein politisches Gebilde mit Selbstverwaltung werden. Das war eine schwere Aufgabe; denn in jedem Dorf gab es das starke Gefälle vom wohlhabenden Hofbesitzer zu den Söldnern mit kärglichem Landbesitz und einem bescheidenen Anteil an der gemeinsamen Allmende (Wald, Wasser und Weide) bis zu den besitzlosen Taglöhnern. Vom Handwerk wurde vieles von dem alten Zunftzwang genommen oder gemildert, was nicht von allen Meistern begrüßt wurde; aber das Gewerbe und der Handel mussten aus der hergebrachten Enge geführt werden.
Für Rückschläge sorgten eine Reihe von Katastrophenjahren, und die waren damals schwer auszugleichen. So folgte dem Heuschreckenjahr von 1745 das nächste schon 1749. Von Mitte August bis Anfang September wurden in Niederbayern ganze Landstriche kahlgefressen. Von München aus kamen höchst unpraktikable Ratschläge, wie man die Plagegeister dezimieren könne. Als Missjahre sind überliefert 1726, wo ein Scheffel Korn 20 Gulden kostete, dann 1770 und 1772. Da ließ der Kurfürst Getreide in Italien und in den Niederlanden kaufen, dann auf den Schrannen um einen geringen Preis verkaufen, den armen Leuten auch unentgeltlich zuwenden. Kein Wunder, dass in den Hungerjahren Krankheiten und Epidemien zunahmen; so starben im Hungerjahr 1772 allein in der Pfarrei Mitterfels 31 Erwachsene und 9 Kinder an der Ruhr; 1741 waren es 29 Verstorbene gewesen. 1806 starben 34 Mitterfelser an den Blattern.
Nymphenburger Porzellan: Teller mit Blumen, Schmetterlingen und Marienkäfern, ca. 1760, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Auch auf sozialem Gebiet und in der Rechtspflege gab es viel Neues. Der Kurfürst begünstigte die Kranken- und Armenpflege, ließ mildtätige Anstalten gründen, führte die Barmherzigen Brüder und Schwestern ein. Eine Verbesserung der Staatseinnahmen erhoffte er sich aus der Gründung der Nymphenburger Porzellanfabrik 1758; damit tat er, was seit Böttgers Erfindung 1709 schon so manche Residenz vor ihm getan hatte.
In der Rechtspflege kam vieles in Bewegung. Der scharfsinnige Vizekanzler Wiguläus Frh. von Kreittmayr schuf 1751 das neue Strafrecht, 1753 die verbesserte Gerichtsordnung, 1756 das neue kurbayerische Landrecht (Zivilrecht) [Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis], das sich bis 1900 hielt. Beim Strafrecht jedoch musste man zusehen, dass mittelalterliches Denken noch lange nicht überwunden war, dass der alttestamentliche Grundsatz von "Aug um Aug" noch lange galt. Immer noch galt auch die Abschreckungstheorie mit schweren Strafen für geringe Vergehen, immer noch gab es, wenn auch mit Einschränkung, die Folter.
Einige Beispiele dies zeigen: Ein Dieb, der Dinge von 20 Gulden Wert entwendete, musste hängen. Wer ein Heiligenbild verunehrte, wurde mit dem Schwert gerichtet, genauso wie der Kuppler und Gewaltverbrecher; Hostienschänder starben, wie die Hexen und Hexenmeister, auf dem Scheiterhaufen. Unzucht wurde bedroht mit Geldstrafe, Breche, Kerker oder Landesverweisung; geschah sie mit Priestern, Juden oder Türken, wurde die Strafe geschärft mit Auspeitschung.
Schandgeige
Immer noch wurde Leichtfertigkeit mit Halsgeige (öffentlich oder daheim), Prangerstehen, Schellentragen und Geldbußen geahndet. Dieselben Strafen standen auf Ehebruch; im Wiederholungsfalle wurde mit dem Tod bestraft. Selbstmörder mussten unter dem Galgen eingescharrt werden, und ein Drittel ihres Vermögens wurde konfisziert.
Es gab Zuchthausstrafen auf bestimmte und auch auf unbestimmte Zeit, mit Schärfung am jedesmaligen Jahrestag des Verbrechens; der Delinquent kam dann drei Tage in einen lichtlosen Kerker und erhielt am ersten und am dritten Tag nur Wasser und Brot.
Neuerungen gab es auch im Bildungswesen: die allgemeine Schulpflicht von 1771 galt bis ins letzte Dorf. Und so wurde der Kreuzkirchner Lehrer Wolfgang Osterrieder, der schon 50 Jahre dort Schule hielt und, wie all seine Vorgänger seit 1630, vom Kloster Oberalteich eingesetzt war, nun plötzlich ein staatlich bestellter Lehrer; freilich noch einer ohne "Seminar", denn ein solches wurde erst mit der Schulpflicht 1771 in München eingerichtet. Auch für Mittelschulen, Gymnasien und Lyzeen kam ein Aufschwung, wobei man sich der Einrichtungen des 1773 vom Papst aufgelösten Jesuitenordens bediente.
Mitterfels erfuhr noch eine Neuerung besonderer Art: 1763 wurde von Agendorf her die "Böhmenstraße" neu angelegt, den alten Ort Mitterfels freilich rechts liegen lassend. Konzell im Gerichtsbezirk Mitterfels war, auf halbem Wege und am Ende der größten und höchsten Steigung gelegen, der passende Ort für eine Relaisstation. Nun profitierten auch hier die Anlieger wie schon jene am Baierweg im östlichen Gerichtsbezirk: die Holz-und Kornfuhren, die Wirte und Schmiede, die vielen Boten der Ämter, Grundherren und Klöster, und nicht zuletzt die Gossersdorfer Weißbierfahrer. Freilich, auch Kriegsvolk nutzte die Straße und gefährdete dann die Anlieger mehr als die abseitigen Orte. Als Kurfürst Maximilian III. Joseph 1777 starb, war im ganzen Land Trauer. "Max der Gute" hatte man ihn geheißen. Eine Sorge kam dazu: Max hatte keinen eigenen Nachfolger, und vom Neuen, dem Kurpfälzer, hatte Bayern nicht viel zu erwarten.
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