1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 22 Der Streit um den Mitterfelser Galgen (1658 - 1677)
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Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
Zu den vorhergehenden Kapitelbeiträgen können Sie sich im Menue rechts in der Grafik „1000 Jahre Geschichte um Mitterfels“ durchklicken.
22 Der Streit um den Mitterfelser Galgen (1658 - 1677)
Während des Dreißigjährigen Krieges wurde vielleicht der Galgen gar nicht benützt. In dieser langen Zeit und den darauffolgenden armseligen Jahrzehnten ...
... fiel das Hochgericht (der Galgen) in sich zusammen, und die Richter stellten sich wohl gelegentlich die Frage, was geschehen sollte, wenn ein Dieb vor das Gericht käme.
Am 19. Juli 1658 stellte der Landrichter Dr. Christoph Sigersreutter bei der Regierung in Straubing den Antrag, es möchte doch von einem dortigen Zimmermeister ein Galgen verfertigt und nach Mitterfels gebracht werden, wo er dann, nach altem Brauch, von den Müllern des Gerichtsbezirks aufgestellt würde.
Auf eine nochmalige Anfrage des Richters, am 15. Juli 1660, kam am 6. August ein Schreiben der Regierung, in dem stand: Der Rat von Straubing weigert sich, eine solche Arbeit seinen Zimmerern zu schaffen, nachdem sie, solange sich die Meister erinnern können, noch keinen Galgen gezimmert hätten. Auch aus früherer Zeit hat man nie von einem solchen Auftrag gehört. Den Galgen in Mitterfels werden seinerzeit wohl Zimmererleute aus dem Landgericht gemacht haben, was ja aus alten Rechnungen in der Registratur ersehen werden kann.
Man kann den Straubinger Zimmerern eine solche Arbeit nicht zumuten, nachdem der Pfleger von Mitterfels ja genug von diesen Handwerkern an der Hand habe.
1661, am 7. Juli, meldete das Amt in Mitterfels nach Straubing, weder in der Registratur des Gerichts noch in der von der Münchner Hofkammer fänden sich Rechnungen über einen Galgen; auch sei die Registratur in Mitterfels von den Schweden "distrahiert" worden. Vielleicht könnte man den Churfrt. Hofzimmermeister dahin bringen, dass er von sich aus den Galgen anfertige, vielleicht sogar auf Kosten seiner Churfrtl. Durchlaucht.
Es kommt zu einem geschäftigen Papierkrieg. Der Herr Hofzimmermeister will die Arbeit nicht übernehmen, ohne die Straubinger Zimmermeister zuvor zu hören. Die Zimmermeister des Marktes Bogen wollen sie nicht machen, wenn sie nicht vom "Handwerk" (der Zunft) in Straubing dazu aufgerufen werden. Übrigens müssten dann alle landgerichtlichen Zimmerer mithelfen. Sie schlagen vor, die Regierung sollte den Bürgermeister und den Rat der Stadt beauftragen, dem "Handwerk" zu behelfen, der Galgen solle durch die Zimmerleute von Bogen oder von Neukirchen aufgerichtet werden.
Am 13. Juli befiehlt die Regierung dem Landrichter, alle alten Leute zu fragen, wer denn nun eigentlich den dortigen Galgen gemacht hätte. Das tut Dr. Christoph Sigersreutter, aber es kommt nichts heraus. Die drei Befragten, der Weber Matthias Aman, der Gerichtsbote Matthias Prükl und die alte Ursula Sibenkofer wissen nichts. Wieder schreibt der Landrichter, dass die Registratur anno 1633 von den Schweden "totaliter ruiniert und zum größten Teil verbrannt worden" sei; er werde sich aber bei den umliegenden Gerichten erkundigen, wie es in einem solchen Fall bei ihnen gehalten werde.
Der Pfleger von Haidau, Paul Christoph Freiherr von Leublfing (er saß in Pfatter), ließ durch seinen Gerichtsschreiber folgendes mitteilen: Bei ihnen wird der Galgen auf kurfürstliche Kosten von den im Gericht wohnenden Zimmerleuten gebaut, die vier Müller des Bezirks müssen ihn aufrichten und die Leitern herbeischaffen, diese Leitern aber müssen dann von den Webern noch "vollends angelainth" werden. Müller und Weber setzen sich dann mit dem Scharfrichter auseinander wegen ihrer Entlöhnung. So ist es erst neulich in Haidau geschehen. Dies und die Auskunft der drei alten Leute teilt der Mitterfelser Landrichter nach Straubing mit und bittet, die Regierung möge nun geruhen, das "Handwerk" so weit zu bringen, dass ein Kostenvoranschlag gemacht werde und dass die Zimmerleute von Bogen oder Neukirchen "von Handwerchs wegen" die Erlaubnis erhielten, den Galgen anzufertigen. Der Pfleger mahnt noch zweimal, am 23. Okt. 1661 und am 6. Mai des folgenden Jahres, und bittet zu bedenken, wie schnell und unverhofft ein Hochgericht vonnöten sein könnte.
Inzwischen war der Pflegskommissär Christoph Sigersreitter vom Pfleger Franz Freiherr von Closen abgelöst worden; 1666 bohrt dieser weiter. Am 10. September schickt er ein Verzeichnis sämtlicher Zimmerleute, die er zitierte und denen er den kurfürstlichen Befehl zur Errichtung eines neuen Hochgerichts vorlas. Es sind: die Zimmermeister Philipp Hollermayer, Georg Scharmiller, Hans Vischer und Hans Hormann, alle vom Markt Bogen, dann die Zimmerleute Bartholomäus Kroßöer von Hunderdorf, Michael Aigner von Rankam, Michl Plank von Waltendorf, Urban Hofstetter von Menach, Georg Hörrl von Mitterfels und Sebastian Pachfisch von Loham. Sie wollen die Arbeit übernehmen, aber nur im Beisein des herzoglichen Zimmermeisters von Straubing. Sie verweisen auf Viechtach, wo kürzlich die Zimmerleute auf Befehl ihres Pflegers ein Hochgericht bauen mussten, die aber seitdem "nicht mehr für ehrlich gehalten und nicht mehr zum Handwerk zugelassen werden". (Henkersarbeit und alles, was damit zu tun hatte, galt ja als "unehrlich".) Sie maulten weiter, der herzogliche Zimmermeister habe doch auch alle im Mitterfelser Schloss anfallenden Arbeiten verrichtet und keinem von ihnen etwas zukommen lassen; dafür habe er ja seine jährliche Besoldung und habe unlängst bei der Reparierung des Schlosses etliche "hundert Gulden verdient und eingenommen". Darauf bittet der Pfleger, man möge den herzoglichen Zimmermeister Hans Köckh für Dienstag, den 16. September, aufs Schloss Mitterfels beordern.
In Straubing gibt dieser herzogliche Zimmermeister folgendes zu Protokoll: "Ich darf mich in eine so ‚praejudizierliche Sach‘ nicht einlassen ohne Vorwissen des gesamten ‚Handwerks‘. Im Pfleggericht Mitterfels sind doch so viele Zimmerleute, die der Hauptlade allhier nicht einverleibt sind (wir würden heute sagen, die nicht organisiert sind), denen also die Arbeit nicht im Geringsten nachteilig sein könnte. Ich will mich aber abends um 6 Uhr nochmals mit dem Handwerk (der Zunft) beraten und Ergebnis dieser Verhandlungen dem Pfleger mitteilen. Das eine sage ich aber heute schon: Sollte ich nach Mitterfels befohlen werden, so darf keiner der Mitterfelser ‚Stümpfer‘ (die nicht der Zunft angehören) mit Hand anlegen, auch dürfen keine Regensburger oder Landshuter Zimmerleute beigezogen werden."
Zu der von ihm angekündigten Besprechung aber kam es nicht, weil einer der Zunftmeister krank wurde und die andern zwei gerade auf dem "Gey" waren (also auswärts arbeiteten). An ihrer Stelle erschienen die Gesellen. Diese brauchten sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen und erklärten, sie verwahrten sich jedenfalls dagegen, aufs Land geschickt zu werden zu derartigen Arbeiten, die sie als "Verunehrung" empfänden. Ohne ihre Meister würden sie sich überhaupt zu nichts herbeilassen. Köckh als herzoglicher Zimmermeister in kurfürstlichen Diensten könne diese Arbeit ohne jeden Nachteil und ohne Gefahr, unehrlich zu werden, übernehmen. Sollten die Straubinger Zimmerleute zu der Arbeit wirklich befohlen werden, so müssen auch alle Bogener Zimmerleute, soweit sie der Zunft angehören, beteiligt sein, die übrigen landgerichtlichen "nit incorporierten Fretter" aber ausgeschlossen werden.
Nun gab es einige Termine, die aber nicht eingehalten wurden. Köckh erklärte, er komme nicht auf Befehl des Pflegers, sondern nur auf kurfürstliche Anweisung. Es wird noch beschlossen, dass die Arbeit von Köckh und den Bogener Zimmerleuten, aber nicht von den Mitterfelser Handwerkern ausgeführt werden dürfe; dann verläuft alles im Sand.
Inzwischen fiel das Mitterfelser Hochgericht endgültig um. Drei ausgehackte Eichenbalken ("Eichrei") lagen schon längst an Ort und Stelle. Pfleger, Richter und Gerichtsschreiber waren inzwischen gestorben oder versetzt worden, und der Galgen stand immer noch nicht. Der Verwaltungskrieg würde vielleicht heute noch andauern, wenn nicht ein umstürzendes Ereignis eingetreten wäre. Unter dem neuen Richter Jakob Gabriel Ertl (seit 1677) fand sich ein Delinquent, Thomas Hofer, der wegen Diebstahls gehenkt werden musste. Er saß bereits in der Fronfeste und wartete. Nun war aber höchste Eile geboten, und es kam Leben in die Sache. Die Straubinger Regierung wusste keinen anderen Ausweg, als die Hofkammer in München anzurufen. Diese entschied, die Hinrichtung des Thomas Hofer solle in Ermangelung eines Mitterfelser Galgens im Markt Bogen durchgeführt werden. Dies lehnten der Rat in Straubing und der Bannrichter leidenschaftlich ab. In kürzester Zeit wurde der Galgen in Mitterfels aufgerichtet, wahrscheinlich aber nicht mehr an derselben Stelle, die er vor dreißig Jahren eingenommen hatte.
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