Über 180 Jahre Apothekengeschichte in Mitterfels - oder: "Die kgl. priv. Bauernapotheke vom hl. Georg"
Die St. Georgs-Apotheke in Mitterfels auf einer Postkarte von 1898
Über 180 Jahre Apothekengeschichte. Die St. Georgs-Apotheke zu Mitterfels oder (nach Brands): "Die kgl. priv. Bauernapotheke vom hl. Georg"
Wer kennt noch die alte, gute Apotheke mit dem mystischen Lichte der geheimnisvollen Dämmerung und den dazugehörigen Gerüchen nach ausländischen, überirdischen Düften. Wer sieht noch die alten Gefäße und vielen Flaschen mit dem für uns undefinierbaren, aber scheinbar zauberhaften Inhalt. Wer wartet noch auf seine Arznei geduldig in dem Halbdunkel einer Sitzecke auf der alten Truhe, auf die Geräusche horchend beim Fertigen der Pillen in der sonst so stillen Offizin.
Da ist das gutmütige greisenhafte Haupt des Apothekers mit den wissenden, klaren Augen, der nach Begehr und Wunsch fragt. Es sind alte Leute, meist aus der umliegenden Gegend, die in ihren ländlichen sonntäglichen Anzügen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder gar auf dem Gäuwagerl hereinpilgerten. Jeder von ihnen hat seine Sonderanliegen, zum Teil auf Wunschzetteln geschrieben,manchmal recht umständlich und zaghaft hervorgestottert, manchmal auch recht resolut vorgetragen: „Tabletten möcht i.“ „Darf ich fragen, was für Tabletten Sie meinen?“ „Ja, zum Einnehmen. Weiße warn‘s, in einem blauen Schachterl drin.“ „Nein, ich meine für welche Krankheiten.“ „Für alles! - Wenn ich‘s seh, nacha woaß ich‘s scho.“ Alsdann lässt man ihm halt die Freud, zeigt ihm die vielen Schubladen und bittet ihn, sich alles nur gut anzuschau‘n. Zögernd geht er um den Handverkaufstisch herum, und nach kurzem Überlegen zieht er eine Schublade heraus. Doch welche Vielfalt von Farben und Schachteln! Und mit einem „I sichs scho, Ihr habt‘s es nöt“, gibt er allzu schnell auf. Der Apotheker, mit Umgang und Ausdruck vertraut und wohl wissend, was er meint, öffnet ihm die Schublade mit den vielerlei Schmerztabletten. Da hellt sich sein Gesicht auf und er greift nach einer Packung: „Ja, da habt‘s ös ja doch!“
Der Apotheker Heribert Brands und sein Team im alten Haus in der Burgstraße
Die Tür geht auf, eine aufgeregte Landfrau kommt herein mit einem sehr missmutigen Gesicht, und mit einer energischen Handbewegung wirft sie uns eine leere 10er-Packung Vaginalzäpfchen auf den Tisch. Sie behauptet, dass die Dinger gar nichts geholfen haben, und sie möchte wieder so eine Schachtel. Während sie der Apotheker ob solcher Widersprüchlichkeit ratlos anschaut und nach einer geeigneten Frage sucht, schreit sie: „Jetzt friss i scho die dritte Packung von dem Kako und nixn hilft!“ In diesem Falle ernst zu bleiben und die Anwendung der Zäpfchen gebührend zu erklären, bedarf es schon einer außerordentlichen Geschicklichkeit.
Heribert Brands
Mehr an schwungvolle „Doktorschrift“ gewohnt, erfordern Zettelchen wie dieses doch einiges Nachdenken. Der Leser mag sich fragen, warum das alte Mutterl seine Trinkmilch ausgerechnet in der Apotheke suchte.
Brief unten - 1962 geschrieben: Da wird unsere „Patzientin“ heute wohl kaum mehr eines „Pfefer Mintz Thees“ bedürfen. Nicht nur zum Schmunzeln fügen wir dieses Brieflein bei: es spricht daraus auch so viel Vertrauen zu ihrem „Doktor“ (so haben Landleute den Apotheker oft angesprochen). Vertrauen aber ist schon eine halbe Medizin - und dies nicht allein in alter Zeit.
Sehr geerter Herr Doktor
Ich hofe das Sie mich doch bald
wieder besuchen. Den es ist schon
lange her das Sie bei mir ge=
wesen sind. Den die fahrt kommt
zu teuer. Ich bitte Sie schiegen
Sie mir wieder ein Liniform
Fließig und Liniform Balsam
und einen Pfefer Mintz Thee.
Im Oberen Leib bin ich noch zimlich
gesund aber im Unter Leib da
ist es Schlecht.
Es grüßt Dich Deine Patzientin
Mari
1962 geschrieben: da wird unsere „Patzientin“ heute wohl kaum mehr eines „Pfefer Mintz Thees“ bedürfen.
„Jedem Landgerichtsbezirk eine Apotheke“ - so beschloss es die Generallandesdirektion im jungen Königreich, als man sich genötigt sah, die nach der Klosteraufhebung 1803 freigewordenen Klosterapotheken neu zu verteilen. Es bestand ein echter Bedarf, denn das runde Dutzend selbständiger Apotheken in Niederbayern konzentrierte sich auf nur wenige Städte. Auf dem flachen Lande verfügten Landärzte und Bader über sogenannte Handapotheken mit großenteils selbstgefertigten Arzneien. Mit der breiten Streuung selbständiger Apotheken sollte die Führung von Handapotheken nach und nach eingeschränkt und nur noch für abgelegene Gebiete zugestanden werden.
Der Landgerichtsbezirk Mitterfels erhielt 1816 eine eigene Apotheke. Sie hatte sich im größeren Marktflecken Bogen angesiedelt. Mit der Abtrennung Bogens zu einem eigenen Landgerichtsbezirk (1838) ergab sich für Mitterfels erneut ein Bedarf. 1840 wurde dem Bogener Apotheker von Sicherer die Errichtung einer Filialapotheke in Mitterfels genehmigt. Er scheint aber nicht allzu viel Freude damit gehabt zu haben; denn elfmal innerhalb acht Jahren wechselte der Verwalter. Er veräußerte die Apotheke 1848 an den bereits privatisierenden Apotheker Josef Traub aus München. Gleichzeitig genehmigte die Regierung die Anhebung zu einer selbständigen Apotheke Mitterfels. Untergebracht wurde diese zunächst in einem Eckzimmer des Gräfl. Bray'schen Gasthauses, heute „Zur Post“ ; Graf von Bray war seit 1845 Nachfolger des Barons von Berchem in Steinburg.
Traub verkaufte die Apotheke noch im gleichen Jahr an Gottfried Bromer. 1852 erfolgte Weiterverkauf an Ludwig Prugger aus Passau. Dabei erfahren wir erstmals auch von einem Hauskauf um 12500 Gulden. Es scheint also bereits der Umzug in das schöne Holzhaus in der Burgstraße erfolgt zu sein (es gab in Mitterfels 1983 nur noch drei dieser Art). 1870 erwarb Luitpold Burger die Apotheke, Angehöriger einer in Mitterfels und Straubing gutbekannten Familie. Es war noch eine stabile Zeit: der Kaufpreis von 14000 Gulden unterschied sich nur wenig von dem vor 18 Jahren.
Diese Ansicht der Mitterfelser Apotheke ist die erste uns bekannte Abbildung auf einer gezeichneten und colorierten Postkarte um das Jahr 1898 (entnommen dem Postakartenbuch "Ein Ausflug nach Mitterfels" wie auch alle anderen hier abgebildeten Karten - Verlag Th. Bauer, Mitterfels, Sammlung vormals Elisabeth Aumer, Mitterfels)
Die weiteren Apotheker in den nächsten Jahren: 1886 Gottfried Riemhofer aus Pfaffenberg; 1897 Dr. Carl Kohler aus Erlangen (sein Kaufpreis betrug 55000 Reichsmark).
1903 kam der junge Apotheker Joseph Rheinboldt aus Bamberg nach Mitterfels. 50 Jahre wirkte er hier und wurde so zu einer Symbolfigur der St. Georgs-Apotheke. Er stand auch mitten im öffentlichen Geschehen, war im Gemeinderat und war Kassenverwalter der Gemeinde und ein maßgebender Fürsprecher in Wasserversorgungsangelegenheiten. In seinen Mußestunden befasste er sich mit der Radiotechnik, schon in einer Zeit, in der die meisten noch keinerlei Vorstellungen davon hatten.
Die St. Georgs-Apotheke um das Jahr 1907 (Postkartensammlung Christl Jakob, Mitterfels)
Marktplatz Mitterfels, jetzt Burgstraße, um 1908 - ganz links die Apotheke (Postkartensammlung Christl Jakob, Mitterfels)
Marktplatz Mitterfels, jetzt Burgstraße, um 1915 - von links die Apotheke, Gasthaus Friedenseiche, St. Georgskirche; rechts früheres Schulhaus mit dem 70er-Denkmal davor (Verlag F. X. Pellkofer, Mitterfels, Postkartensammlung Marktgemeinde Mitterfels, vormals Brembeck)
1954 kam Bruno Kalten, ein Pommer. Er schuf sich ein zweites Wohngebäude hoch über dem Talgrund. 1966 erwarb Heribert Brands den gesamten Besitz. Er ist gebürtiger Koblenzer und hatte die vorausgegangenen acht Jahre die Löwenapotheke zu Straubing betrieben. Die Mitterfelser lernten in ihm nicht nur einen hilfsbereiten Apotheker, sondern auch einen strammen Reitersmann und den Hersteller eines köstlichen, als „Wampenhilf“ gepriesenen Elixiers kennen.
Ansichtskarte um 1966 mit der St. Georgs-Apotheke (links) (Aufn. und Verlag Eiglsperger, Sammlung Otmar Kernbichl, Mitterfels)
Der Entwicklung des Ortes folgend, entschloss er sich zu einer großzügigen Modernisierung und Verlegung in die neuen Räume im Hause Seebauer (1977). Die Tradition der Apotheke bleibt weiterhin im Namen gewahrt: Auf der breiten Hausfront erstrahlt in großer Leuchtschrift: „SKt. Georgs-Apotheke, gegr. 1840“. 1979 wurde die Apotheke an Werner Höning aus Weiden verpachtet, später an ihn verkauft. Bis 2014 blieb sie im Besitz der Apothekerfamilie Höning, bis sie im Juli 2014 von Apothekerin Susanne Liebl übernommen wurde.
Franz Wartner, in: Bilder erinnern, 1983, Verlag und Druck Franz Stolz - Gestaltung, Bildrecherche und Ergänzung: Franz Tosch
* * * * *
Sankt-Georgs-Apotheke feiert mit Aktionswoche das Jubiläum
Das junge Apothekenteam mit Inhaberin Susanne Liebl (rechts). (Foto: erö)
„Gesundheitskompetenz ganz nah“
Unter dem Motto „Gesundheitskompetenz ganz nah“ feiert die Sankt-Georgs-Apotheke unter der Leitung von Apothekerin Susanne Liebl mit einer Aktionswoche vom 20. bis 25. Juli das 175-jährige Bestehen. Als Apotheker Werner Höning im Juli 2014 in Ruhestand ging, übernahm Susanne Liebl die Apotheke, so bleibt diese weiter in Mitterfelser Hand.
Damit wird auch die Tradition der Sankt-Georgs-Apotheke weitergeführt mit dem Apotheker-Garten und der persönlichen Kundenbetreuung: umfassende Beratung in allen Gesundheits- und Arzneimittelfragen, pflanzliche Arzneimittel in der Phytothek, Homöopathie, Bachblüten, Schüssler-Salze, persönlicher Lieferservice und vieles mehr. Laufend werden Fortbildungen und Schulungen besucht und von der Apotheke Informationsveranstaltungen für Kunden angeboten. Zehn Mitarbeiterinnen, davon zwei approbierte Apothekerinnen, stehen Inhaberin Susanne Liebl zur Seite, die 2002 die Adler-Apotheke in Mitterfels von Apothekerin Christa Kreutziger übernahm.
In der Diabetiker-Beratung, Blutzucker-, Blutdruckmessung und BMI-Bestimmung ist das Team von Susanne Liebl ebenso firm wie bei der Reisevorbereitung in Bezug auf Impfungen und benötigte Medikamente. Auch im Abmessen von Kompressionsstrümpfen haben die approbierten Apothekerinnen und PTAs Erfahrung. Zum Service der Apotheke gehört auch der Verleih von Geräten wie Baby-Waagen, elektrischen Milchpumpen und Inhalationsgeräten.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Firmenphilosophie von Susanne Liebl ist die Qualität in der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung. So führt die Sankt Georgs-Apotheke schon lange das Zertifikat für die Einführung und Umsetzung ihres Qualitäts-Managementsystems (QMS).
Schon 1803 hieß es bei der General-Landeskommission „jedem Landgerichtsbezirk seine eigene Apotheke!“ Damit wollte man die nach der Säkularisation aufgelösten Klosterapotheken neu verteilen. Abgeschafft werden sollten vor allem die so genannten Hand-Apotheken, die damals von Landärzten und Badern mit häufig selbst hergestellten Arzneien verwendet wurden, wie Franz Wartner in seiner Mitterfelser Chronik schreibt. Der Landgerichtsbezirk Mitterfels erhielt 1860 zwar eine eigene Apotheke, sie lag aber im größeren Markt Bogen. Als 1838 Bogen zu einem eigenen Landgerichtsbezirk abgetrennt wurde, erhielt der Bogener Apotheker von Sicherer die Erlaubnis zur Errichtung einer Filial-Apotheke in Mitterfels.
Zahlreiche Pächter prägten die Geschichte der ersten Mitterfelser Apotheke, die sich zunächst in einem Eckzimmer des Gasthauses „Zur Post“ befand. Ruhe kehrte erst mit dem jungen Apotheker Joseph Rheinboldt aus Bamberg ein, der 1903 nach Mitterfels kam und 50 Jahre blieb. 1966 erwarb Apotheker Heribert Brands die Apotheke. Inzwischen ging das Haus in der Burgstraße in Privatbesitz über und bekam ein ganz neues Gesicht. Die moderne Sankt-Georgs-Apotheke befindet sich seit 1977 im Hause Seebauer in der Burgstraße 66 und war von 1979 bis 2014 im Besitz der Apothekerfamilie Werner Höning, bis sie im Juli 2014 von Apothekerin Susanne Liebl übernommen wurde.
Quelle: Elisabeth Röhn, in: Bogener Zeitung vom 18. Juli 2015
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