Bayerische Geschichte
Jungsteinzeitliche Raststelle oder gar Siedlung?
Fritz Fuchs findet sechs Artefakte - innerhalb kurzer Zeit - auf einem Acker nahe Haibach
Eine Raststelle oder möglicherweise sogar eine Siedlung: Was sich einst auf dem Acker in Recksberg genau befand, kann derzeit nur vermutet werden. Eines allerdings scheint klar. Es haben Menschen dort vor etwa 6000 Jahren nicht zufällig und vermutlich wohl auch nicht auf der Durchreise einige Utensilien verloren. ...
Kreisarchäologe Dr. Husty hatte sie schnell erkannt: die Rundung für den Griff eines Steinbeils.
... Wie hätte Hobbyhistoriker Fritz Fuchs sonst in so kurzer Zeit auf den beiden Grundstücken sechs Artefakte finden können? Unterstützt in seiner Theorie einer jungsteinzeitlichen Besiedelung des Bayerischen Waldes wird Fuchs von Dr. Ludwig Husty. Der Kreisarchäologe würde sich als unumstößlichen Beweis allerdings zusätzlich keramische Funde wünschen.
Wie klein die gefundenen Artefakte tatsächlich sind, zeigt das Lineal. (Fotos: usa)
Zwei Feuersteinabschläge, wobei der rechte vielleicht sogar die Vorstufe einer Pfeilspitze oder eines Schabers gewesen sein könnte.
Jahrelang hat der Gossersdorfer Fritz Fuchs die Theorie einer Besiedelung des Bayerischen Waldes vor gerade einmal 1000 Jahren durch Mönche stillschweigend hingenommen. Als ihm dann aber von Steinbeilfunden erzählt wurde und er selbst immer mehr Hinweise auf eine frühere Besiedelung entdeckte, fing er an, eine Gegentheorie zu entwickeln. Laut Fuchs beginnt die Siedlungsgeschichte des Bayerischen Waldes mindestens drei Jahrtausende früher. Anhand seiner Funde kann er derzeit zumindest eine Anwesenheit von Menschen in der Jungsteinzeit beweisen.
"Vor zwei Jahren hätte ich nicht einmal gewusst, wie Steinbeil oder Steinaxt aussehen, geschweige denn einen Feuersteinabschlag als solchen erkannt", erzählt Fuchs. Mittlerweile aber weiß er genau, wonach er suchen muss, und wird somit immer öfter fündig. Inzwischen glaubt er genügend Beweise dafür zu haben, dass sich bereits 4000 bis 2000 Jahre v. Chr. deutlich mehr Menschen im Bayerischen Wald aufgehalten haben, als gemeinhin vermutet. "Möglicherweise als Sesshafte."
Sie verstehen sich gut, der Hobbyhistoriker Fritz Fuchs (links) und der Kreisarchäologe Dr. Ludwig Husty (rechts), auch wenn "der Linke" ab und zu viel Arbeit macht, nimmt es der Kreisarchäologe mit Humor.
Eine Theorie, die wegen der hohen Funddichte auf kleinstem Raum auch der Fachmann durchaus für realistisch hält. Husty verwahrt derzeit alle von Fuchs gefundenen Steinwerkzeuge und Feuersteine. Trotz all dieser Fundstücke würde sich der Kreisarchäologe zusätzliche Beweise wünschen - beispielsweise Siedlungsspuren. Im Klartext: Keramik. Diese würde zum einen die Besiedelung eindeutig belegen, zum anderen könnte dadurch der Zeitraum exakter bestimmt werden. "Auch Keramik unterliegt bestimmten Moderichtungen", sagt Husty und schlägt in einem Katalog eine Seite mit der Abbildung einer Schnurkeramik auf. "Wenn wir so etwas fänden ... "
Der Acker, der Fritz Fuchs bei nur wenigen Begehungen so viele jungsteinzeitliche Funde beschert hat, sei markant und zeige, dass der Fluss-Bach-Bezug für unsere Vorfahren wichtig war. "Wir dürfen nicht vergessen, dass über diese Axt immerhin ein paar tausend Jahre Landwirtschaft drübergegangen sind", sagt Husty und zeigt auf einen außergewöhnlichen Fund -eine Axt als Steinwerkzeug aus der Steinzeit. Das Artefakt war im Boden vergraben und wurde nun durch den Regen freigeschwemmt und von Fuchs entdeckt.
Er finde es toll, dass sich Fritz Fuchs dieser Fläche ehrenamtlich annimmt, betont der Kreisarchäologe glaubhaft. Husty kann offensichtlich inzwischen gut damit leben, einen so umtriebigen Geist an seiner Seite zu haben, der ihm Funde und somit zwar zusätzliche Arbeit beschert, ihm aber zumindest deren Suche abnimmt. Vorsichtig nimmt er seine Fachkollegen vor Fuchs Spötteleien bezüglich der Mönchsbesiedelung dann aber doch in Schutz. Ganz so neu seien die Fuchs'schen Erkenntnisse nun auch wieder nicht, sagt Husty. In Fachkreisen werde schon länger davon ausgegangen, dass der Bayerische Wald im mittleren Neolithikum besiedelt worden sein könnte. Neolithikum, das ist die Zeit um die 4000 Jahre vor Christus.
Auf alle Fälle gelte der Bayerische Wald schon lange als Durchgangsgebiet. Ein Beweis dafür, dass sich die Bewohner des Gäubodens durchaus in den Wald begeben haben, seien die Altwege. "Schon in der Jungsteinzeit wurde der Wald von den Menschen durchstreift." Gründe dafür könnte es viele gegeben haben: Vielleicht waren sie auf der Suche nach Granit als Mahlstein, nennt Husty als eine denkbare Erklärung. "Woher sie gewusst haben, dass es dort Granit gibt?" Einige Menschen seien unternehmungslustiger als andere. So seien doch auch die Kontinente entdeckt und erschlossen worden. "Genau deshalb sitzen wir jetzt hier in diesem Raum. Weil einige Menschen schon immer neugierig waren", sagt Kreisarchäologe Husty und verweist auf die Bundesstraße 20. Auch das sei eine alte Verkehrsader, die den Gäuboden mit dem Pilsener Becken verbunden habe. Deshalb sei es sehr wohl denkbar, dass der Bayerische Wald schon viel länger Lebensraum für menschliche Bewohner war.
Eine Aussage, die Fuchs sehr gerne hört, schließlich ist er immer auf der Suche nach Gleichgesinnten, die ihn in Sachen Jungsteinzeit unterstützen. Da kommen ihm Hustys fachkundige Rückendeckung und Anregungen gerade recht. Und da viele Augen bekanntermaßen mehr sehen als nur zwei, regt Husty an, den Acker kurz nach einem Regenguss mit einer Schulklasse zu begehen. Dies könne sicherlich im Rahmen des Unterrichts passieren, da dies gleichzeitig gut für die Bewusstseinsbildung der Kinder sei.
Der Kreisarchäologe verweist zudem auf das "Modellprojekt Archäologie und Ehrenamt", für das Dr. Sabine Mayer vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Regensburg der Ansprechpartner wäre. Denn möglicherweise beherbergt der besagte Acker in Recksberg noch den einen oder anderen Schatz, der mit der Magnetometerprospektion entdeckt werden könnte. Hier werde das Grundstück mit einem Gerät begangen, das Magnetfeldänderungen misst. Dabei könnten, falls vorhanden, Hausgrundrisse entdeckt werden, ohne dass der Boden in Mitleidenschaft gezogen wird. Somit könne dieser uneingeschränkt weitergenutzt werden.
Nach Hustys Erfahrung hätten Grundstücksbesitzer oft auch Angst davor, dass sie ihre Funde an Behörden abgeben müssten. Dies sei falsch, beruhigt er. Die Funde gehörten zur einen Hälfte dem Finder, zur anderen Hälfte dem Grundstücksbesitzer. Er habe als Kreisarchäologe nur die Aufgabe, sie zu fotografieren und zu katalogisieren.
In diesem Jahr waren dies immerhin sechs jungsteinzeitliche Relikte - ein Steinaxtfragment und fünf Feuersteinabschläge. Hinzu kommt nun allerdings noch Fuchs' neueste Hypothese einer keltischen Doppelschanze, rund 2500 Jahre alt, mit einer Grenzstation in Auhof (Gemeinde Loitzendorf) zwischen den Grafschaften Bogen und Cham.
Ruhe wird Fritz Fuchs somit so schnell wohl nicht geben, stattdessen möchte er seine Thesen beweisen. "Ich habe gerade einmal einen Stein nach vorne geworfen", sagt er und strahlt dabei tiefe Gelassenheit aus. "Es kommt wieder ein Jahr und es wird wieder geackert und ich werde wieder was finden. "
Uschi Ach, in: SR-Tagblatt vom 13. Dezember 2012, Seite 13
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